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Freudentänze in der Abendsonne.

© Getty Images/iStockphoto

Zur Sonne, zur Freiheit: Wie uns das Reisen von Corona erlösen soll

Die Stimmung schwankt zwischen Zuversicht, Entschlossenheit und Trotz. In diesem Jahr geht's definitiv in den Sommerurlaub. Impfpass hin oder her. Eine Glosse.

Eine Glosse von Malte Lehming

Deutschland, im Mai 2021. Der Sommer naht, die Ferien sind in Sicht. Endlich raus. Seit einem Jahr hat Corona alle Fernsehnsüchte blockiert. Diesmal muss es klappen. Es muss einfach! Die Nation will verreisen, sich erlöst fühlen von den ewigen Spaziergängen um die ewig gleichen Häuser und in den ewig gleichen Parks. Stattdessen: wandern in den Bergen, baden im Meer, Möwengeschrei, ein wenig Exotik. Ist das zu viel verlangt?

Doch wie und wohin? Darum kreisen die Gedanken und Gespräche. Die Stimmung schwankt zwischen Zuversicht, Entschlossenheit und Trotz. Im Kreise der Familie werden, einen Kalender in der Hand, Fristen gezählt.

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Zwei Wochen nach der zweiten Impfung ist der Mensch vollständig immunisiert. Bei Astrazeneca liegen zwischen erster und zweiter Impfung zwölf Wochen. Bei Biontech und Moderna geht’s schneller. Die Schulferien beginnen am 24. Juni. Das ist, von heute an gerechnet, in sieben Wochen. Was? Schon? Anflüge von Panik setzen ein.

Glücklich, wer der Priorisierung entgangen oder in eine Priorisierung gelangt ist. Die Über-60-Jährigen, die sich wagemutig Astrazeneca haben spritzen lassen, die freiwilligen Helfer für die Bundestagswahl im September, deren Zahl ebenso in die Höhe schnellt wie die der pflegenden Angehörigen. Der Wille, sich vor dem Virus zu schützen, aktiviert Urinstinkte.

Der Oma den QR-Code erklären

Vielleicht reicht ein tagesaktueller Test, um Anfang Juli mit der Fähre nach Schweden übersetzen zu dürfen. Aber wird es am Überfahrtstag nicht ein riesiges Gedränge im Testzentrum geben? Also besser jetzt bereits Termine machen für ganz früh morgens. Die Hotline des Testzentrums ist seit Stunden besetzt? Macht nichts. Das Telefon wird auf laut gestellt und nebenbei gearbeitet. Wozu gibt es Homeoffice?

Abends in den Nachrichten: Ein digitaler Impfnachweis soll eingeführt werden – mehr als ein Jahr nach Beginn der Pandemie (Corona hat uns Zynismus gelehrt). Gesundheitsminister Jens Spahn legt sich auf einen ganz konkreten Termin zwischen Mitte Mai und Mitte Juni fest. Der Impfnachweis soll europaweit gelten und in Arztpraxen, Impfzentren und Apotheken erhältlich sein. Als wären die Ärzte nicht ohnehin überlastet.

Aber was soll’s? Schließlich soll in diesem Jahr auch die 86-jährige Oma mit, und die ist längst durchgeimpft. Allerdings muss ihr der Apotheker die Sache mit dem QR-Code erklären und wie sie den auf ihr Nokia-Handy bekommt. Wenn dann noch das Hörgerät funktioniert, kann der Urlaub bald beginnen.

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