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Drei junge Mütter schieben ihre Babys im Kinderwagen bei einem gemeinsamen Spaziergang.

© dpa/Wolfram Steinberg

Zum Muttertag: Mütter sollten die Freiheit haben

Margot Käßmann kritisiert, dass Frauen in der Art, wie sie ihr Muttersein leben, immer noch stark bevormundet werden. Recht hat sie! Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Ach, Mutter. Der große Pädagoge Johann Heinrich Pestalozzi sagte schlicht, was wahr ist. „Eine Mutter ist der einzige Mensch auf der Welt, der dich schon liebt, bevor er dich kennt.“ Ob diese Liebe anhält, ist nicht in jedem Fall gewiss. Aber sicher ist: Ohne diesen Menschen würden wir nicht leben. Diese Bindung ist lebensnotwendig. Und das ist das Existenzielle an dieser Beziehung.

Reden wir also von den Müttern. Heute ist ihr Tag, einer, der ihnen gehören soll. Aber andererseits auch nicht so ganz. Eben weil doch kein Mensch ohne diesen anderen leben kann, und weil die Beziehung zumal zur Mutter Identität schafft, sei es auch in der Abgrenzung – darum ist es auch der Tag der Kinder. Die wir bleiben, so lange die Mutter lebt.

Ein guter Vorsatz aller Erwachsenen an diesem Tag ist, sich der eigenen Kindheit zu erinnern. Einmal verhilft das dazu, besser, bewusster zu erziehen, zum anderen, die Beanspruchung dieser Bindungsperson – unpersönlich ausgedrückt – nicht nur zu erkennen. Sondern zu würdigen.

Der „Arbeitstag“ einer Mutter dauert im Durchschnitt 14,08 Arbeitsstunden, hat ein Lifestylemagazin berichtet. Wer sich die Zahlen anschaut – von 6:23 Uhr bis 20:31 –, wird sie aus eigenem Erleben nicht abstreiten können. Dazu in aller Regel sieben Tage die Woche, was bedeutet, dass Mütter auf eine Wochenarbeitszeit von 98 Stunden kommen. Das entspricht gleich mehreren Vollzeitstellen.

Was Wunder, dass vor Jahren von links und aus der Kirche ein monatliches „Erziehungsgehalt“ gefordert wurde, 1600 Euro im ersten, 1000 Euro im zweiten und von da an 500 Euro für jedes weitere Lebensjahr. Um das zu finanzieren, sollten „Vermögende, Besserverdienende und Kinderlose höhere Steuern zahlen“. Weshalb daraus auch nichts wurde.

Aber der Grundgedanke bleibt aktuell. Ob von links oder aus der Kirche gedacht. Der Umgang mit dem Muttersein ist nämlich weit mehr, als am Muttertag Blumen zu schenken, oder Konfekt, wie es früher üblich war. Die ehemalige EKD-Chefin Margot Käßmann kritisierte vor einigen Tagen, dass Frauen in der Art, wie sie ihr Muttersein leben, von der Gesellschaft immer noch stark bevormundet werden. Recht hat sie!

Keine Rentenanwartschaft darf durch Muttersein gemindert werden

Gerade zu diesem Tag muss einmal gesagt werden, dass Mütter die Freiheit haben sollten, ihr Muttersein unabhängig vom Urteil anderer zu gestalten. „Rabenmutter“ oder „Heimchen am Herd“ – Frauen, meint Käßmann, würden immer noch stark von außen daraufhin bewertet, wie sie ihr Leben organisieren. Weder seien Frauen ohne Kinder „karrieregeile Zicken“, noch Mütter, die nicht im Berufsleben stehen, „in irgendeinem Abseits“ und müssten wieder „eingegliedert“ werden.

Richtig, oder? Also muss, um der Gleichstellung willen, Frau wirklich frei entscheiden können, was und wie sie leben will. Und der Staat muss sie darin wegen des Gleichstellungsgrundsatzes unterstützen. Was ganz praktisch bedeutet: Keine Rentenanwartschaft darf durch Muttersein gemindert werden.

Womit wir zurück bei Pestalozzi sind. Sein Ziel war es, die Menschen von klein auf für das kooperative Wirken in einem demokratischen Gemeinwesen zu stärken und „Väter und Mütter des Landes fähiger zu machen, ihren Kindern vom Morgen bis am Abend mit Rat und Tat wirklich beizustehen und in ihrem Tun und Lassen einen wahrhaft bildenden Einfluss auf sie zu haben“.

Das zumal, als Mütter – beileibe nicht nur leibliche – zumeist diejenigen sind, die dem Kind auch als Erste das Leben in der Gesellschaft nahebringen, die Regeln, die Normen. Sie ist Bezugsperson, ist Bindungsperson, ist fürs Kind erste gesellschaftliche Institution. Der Mutter vertraut das Kind. Getreu dem alten Muttertagsspruch: „Müsst ich eine Mutter wählen, meine Wahl fiele nur auf dich. Denn du bist die beste, die es geben kann für mich“. Was auch sagt: Diese Verbindung reißt nicht ab.

Ach, Mutter. Dieser Sonntag heißt für die, die glauben, übrigens „Jubilate“.

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