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Angekommen: Sabah Abdulgafar mit Sohn und Tochter. Die irakische Familie erreichte vor einer Woche Eisenhüttenstadt.

© Hannibal Hanschke/Reuters

Zulauf von Flüchtlingen als Herausforderung: Eisenhüttenstadt sieht sich gewappnet – noch

Immer mehr Flüchtende erreichen Brandenburg. Erste Station für viele: die zentrale Erstaufnahme in Eisenhüttenstadt.

In Eisenhüttenstadt, 120 Kilometer von Berlin entfernt, kannte man, so erzählt man in der Stadt, lange nur Einheimische. Das änderte sich 1992, als das Land Brandenburg seine Zentrale Erstaufnahmeeinrichtung hier einrichtete. Seit damals gibt es Ausländer:innen in „Hütte“, der einstigen Retortenstadt, die die DDR-Regierung 1950 aus mehreren Städten und Gemeinden zusammenlegte.

In den vergangenen Wochen sind es mehr geworden. Mit 3000 Menschen werde die Aufnahmestelle bis Ende des Monats wohl belegt sein, prognostizierte vergangenen Woche Olaf Jansen, Leiter der Zentralen Ausländerbehörde Brandenburgs, die sich ebenfalls in Eisenhüttenstadt befindet. Von einer Überfüllung will er nicht sprechen; gerade hat seine Behörde die Kapazitäten bereits mit Hilfe beheizter Zelte aufgestockt.

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Auch für die Stadtgesellschaft sei das bisher kein Problem, meint Frank Balzer. Der SPD-Politiker ist seit 2017 Bürgermeister von Eisenhüttenstadt. In der Stadt mit ihren knapp 25.000 Einwohnern „merken wir natürlich, dass die Leute hier sind und dass es mehr werden“, sagte er dem Tagesspiegel. „Aber noch können wir damit umgehen.“

Man stehe mit Olaf Jansens Behörde in ständigem Informationsaustausch, „das klappt auch praktisch reibungslos“. Inzwischen ist ein Wohnheim angemietet worden, um für weiteren Zulauf von Asylsuchenden gerüstet zu sein. Und auch die Verteilung der Menschen über die Stadt hinaus klappe inzwischen rascher, heißt es in der Stadtverwaltung.

Belarus führe „hybriden Krieg“

„Natürlich gibt es auch hier Leute, denen die Anwesenheit von Asylbewerbern nicht gefällt“, aber Eisenhüttenstadt habe ebenso eine aktive Bürgerschaft, die sie verteidige. Angriffe gegen Aufnahmestellen oder einzelne Menschen habe es Polizeiberichten zufolge nicht gegeben. Auch Jansen hatte die vielen privaten Angebote zur Unterbringung gelobt, die es früher nicht so gegeben habe.

Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU), der wegen der Rolle von Belarus’ Machthaber Lukaschenko von „hybrider Kriegführung“ sprach, reagierte inzwischen skeptisch und ablehnend auf Vorschläge, deswegen wieder Binnenkontrollen an der Grenze zum EU-Mitglied Polen einzuführen.

Dies hatte Horst Teggatz gefordert, der die Gewerkschaft für die Bundespolizistinnen und -polizisten führt.

Skepsis über neue Binnengrenzkontrollen

„Ob die Kapazitäten der Bundespolizei ausreichen, mehrere hundert Kilometer Grenze zu Polen zu kontrollieren und ob der Aufwand sich lohnt, kann nur die Bundesregierung entscheiden“, sagte Stübgen. „Ich habe meine Zweifel, dass temporäre Grenzkontrollen das Problem lösen und warne vor einer Eskalationsspirale an der deutsch-polnischen Grenze.“

Teggatz hatte von einem „nahezu explosionsartigen“ Anstieg der Zahl der Aufgriffe an der Grenze zu Polen gesprochen und vor Fluchtbewegungen wie im Jahr 2015 gewarnt.

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Stübgen warnte dagegen vor den Folgen erneuter Kontrollen: „Grenzkontrollen oder gar Grenzschließungen würden das tägliche Leben für zigtausend Deutsche und Polen in der Grenzregion enorm belasten“, sagte der Innenminister. „Die künstlich erzeugte Flüchtlingswelle wird man nicht an der Oder beenden. Wir können in Brandenburg nur die Symptome heilen, die Ursache sitzt in Minsk und die Lösung in Moskau.“ Die Nachbarn in Polen dürften mit dem Problem nicht allein gelassen werden.

Der Vorsitzende des Innenausschusses im Brandenburger Landtag, Andreas Büttner, lehnte den Vorschlag nach temporären Kontrollen an der Grenze zu Polen ebenfalls ab. „Das wäre aus meiner Sicht der vollkommen falsche Weg“, sagte der Politiker der Linken, der von Beruf Polizeibeamter ist. „Der Wegfall von Grenzkontrollen ist eine der Grundfreiheiten der Europäischen Union.“ Die Schlepperei müsse beendet werden, sagte er mit Blick auf Belarus. Bundesinnenminister Seehofer (CSU) will die Einreisen über Belarus im Kabinett zur Sprache bringen.

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