zum Hauptinhalt
Die Opposition rügt, dass Markus Söder den Ausbau regenerativer Energien verschlafen habe.

© imago images/Koerber

Zu wenig Gas, Trassen nicht fertig: Experte warnt vor „Strom-Mangellage im Winter“ in Bayern

Der Gasspeicher im österreichischen Haidach beliefert vor allem Bayern. Jetzt will Wien auch Zugriff. Ein Experte hält das nicht für das größte Problem.

Diese Aussage löste in Bayern die Alarmsirenen aus: Österreich werde, so teilte die grüne Energieministerin Leonore Gewessler mit, all seine Gasspeicher auf österreichischem Gebiet an sein Netz anschließen – auch den in Haidach bei Salzburg. Dieser stellt ein bislang wenig beachtetes Kuriosum dar, denn er ist gegenwärtig nur ans deutsche Gasnetz angeschlossen und für den deutschen Markt bestimmt, auch wenn er in Österreich liegt.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Von Haidach aus werden vor allem bayerische Privatkunden und die Wirtschaft im Freistaat versorgt, es ist der europaweit zweitgrößte Gasspeicher überhaupt, der 2,9 Milliarden Kubikmeter fassen kann. Das Problem: Er gehört mehrheitlich dem russischen Gazprom-Konzern. Und er ist weiterhin weitgehend leer, Russland füllt nicht auf.

Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) reagierte am Montag im Bayerischen Rundfunk (BR) erst einmal gelassen: Dass auch Österreich Zugriff auf den Speicher haben wolle, sei verständlich. Europaweit säßen bei der Gasversorgung alle in einem Boot und müssten sich unterstützen.

So klingt das nicht immer von Seiten der bayerischen Staatsregierung. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) äußert immer wieder die Befürchtung, Bayern könne in der Energiekrise vom Bund und der Ampel-Koalition benachteiligt werden. „Wenn die bayerische Wirtschaft ein Problem bekommt“, so Söder, „dann hat Deutschland ein Problem.“

Schwer zu sagen, was davon berechtigte Kritik und was vorgezogener Landtagswahlkampf ist. Für Söder geht es bei der Abstimmung im Herbst 2023 um seine politische Existenz. Seine Erzählung, an der er immer weiter schreibt, lautet: Berlin ignoriert Bayern, in der Ampel-Regierung hat Bayern keinen Platz und keine Fürsprecher.

Detlef Fischer vom Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft hält die Lage nicht für ganz so dramatisch. Im Gespräch mit dem Tagesspiegel äußert er die Hoffnung, „dass die Gasspeicher ordentlich gefüllt werden“. Er hält die Stromknappheit für das größere Problem und erwartet eine „Strom-Mangellage im Winter“.

Der bayerische Ministerpräsident: Markus Söder (CSU).
Der bayerische Ministerpräsident: Markus Söder (CSU).

© Peter Kneffel/dpa/dpa

Fischer verweist darauf, dass Gas weiterhin verwendet wird, um Strom zu produzieren. Und zwar für den deutschen Markt, aber auch für Frankreich, weil sich die dortigen Atomkraftwerke in einem maroden Zustand befinden oder abgeschaltet sind und somit weniger Strom herstellen.

Bayern wiederum ist vorrangig von dem Problem betroffen, dass die großen Stromtrassen von Nord nach Süd noch nicht existieren. Sie sollen Windstrom vom Norden und Strom aus ostdeutschen Kohlekraftwerken gen Süden transportieren. Läuft es also schlecht, kommt von Norden zu wenig Strom, und im Osten in Haidach zapft sich Österreich das für den Freistaat bestimmte Gas ab, weil es selbst zu wenig hat. Wahrscheinlich ist, dass in der Krise die europäische Solidarität hintan gestellt und jeder vor allem auf sich selbst schaut. Söder macht dies mit Sprüchen wie „Bayern first“ selbst vor.

Die bayerische Opposition drischt schon lange auf die Staatsregierung ein, bei den regenerativen Energien geschlafen und den Ausbau von Windkraft faktisch abgeschafft zu haben. Jetzt verlangt der SPD-Landtagsfraktionsvorsitzende Florian von Brunn „5000 und nicht nur 500 neue Windräder“. Das hilft wenig, die aktuelle Krise abzuwenden.

„Dafür kann man jetzt nicht kurzfristig die erneuerbaren Energien ausbauen“, sagt Fischer. Er verlangt, jetzt alle schnellen Möglichkeiten auszunutzen, um mehr Strom produzieren zu können. Dazu zählen für ihn mehr Verstromung durch Kohle sowie das Aufrechterhalten der Kernkraftwerke. Auch die bayerische Staatsregierung will den Meiler Isar 2 bei Landshut länger laufen lassen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false