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Hier wird der Videokonferenz-Anbieter blockiert wegen Sicherheitslücken. In China blockiert das Unternehmen kritische Nutzer.

© imago

Zoom schaltet chinesische Menschenrechtler ab: Anders als Twitter unterwirft sich der Videokonferenz-Anbieter Pekings Anweisungen

Kommunikation nur über unbedenkliche Themen ist ein äußerst beschränktes Geschäftsmodell. Das sollte Zoom bedenken. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Sebastian Christ

Manche Unternehmen versuchen sich mit allerlei diplomatischen Kniffen herauszureden, wenn sie dort Profite machen wollen, wo Menschenrechte eher zweitrangig sind.

Und dann gibt es Zoom. Der Videokonferenz-Anbieter hat eingeräumt, drei virtuelle Treffen von Menschenrechtsaktivisten unterbunden zu haben, die sich über die blutige Niederschlagung der chinesischen Demokratiebewegung von 1989 austauschen wollten. Solche Gespräche gelten in China als illegal.

Das Unternehmen macht gar nicht erst den Versuch, diesen Schritt zu beschönigen. Auch künftig werde man den Anweisungen der chinesischen Regierung über „illegale“ Aktivitäten folgen.

Mehr noch: Derzeit werde eine Software entwickelt, die dabei helfe, die „Forderungen lokaler Behörden“ zu erfüllen. In Russland, Brasilien oder Ungarn wird man das mit Dankbarkeit zur Kenntnis nehmen.

Twitter weht sich gegen Übergriffe chinesischer Behörden

Dass es auch anders geht, zeigt Twitter. Der Kurznachrichtendienst ist in China seit den Protesten der uigurischen Minderheit im Jahr 2009 gesperrt und damit für große Teile der chinesischen Bevölkerung nicht zugänglich. Kurioserweise hält das die chinesische Regierung nicht davon ab, Twitter dafür zu nutzen, um im Ausland Propagandabotschaften zu verbreiten.

Die US-amerikanischen Journalisten von ProPublica berichteten im März über ein weltweit agierendes Netzwerk von Fake- und Zombie-Accounts, welche entweder unter falschem Namen eröffnet oder per Hackerangriff übernommen wurden.

So seien beispielsweise über das Konto einer US-Collegestudentin aus Nebraska, die sich bisher eher für Fußball interessierte, plötzlich Lobpreisungen der Politik der chinesischen Regierung verbreitet worden.

Twitter hat solche Aktivitäten bereits seit Mitte vergangenen Jahres erkannt. Nun hat das soziale Netzwerk abermals durchgegriffen und insgesamt 170 000 Konten entfernt, die Fake News und Propaganda im Sinne Pekings verbreitet haben sollen.

Das Geschäftsmodell funktioniert nur, wenn sich möglichst viele Menschen sich verbinden

Man könnte natürlich argumentieren, dass es Twitter einfach fällt, gegen die Übergriffigkeit der chinesischen Regierung vorzugehen: Der Dienst ist schließlich in China gesperrt, Profite sind dort nicht zu erzielen. Aber das trifft nicht den Kern der Debatte.

Offene Kommunikation im Netz ist nur dann möglich, wenn die dazu genutzten Kanäle allen Menschen gleich zur Verfügung stehen. Ein expandierendes Unternehmen wie Zoom lebt davon, möglichst viele Menschen mittels Videokonferenzen zu verbinden.

Der Opportunismus, den Zoom gegenüber der chinesischen Regierung nun an den Tag gelegt hat, könnte das Unternehmen am Ende teuer zu stehen kommen. Denn Videokonferenzen mit politischem Unbedenklichkeitszwang sind nicht nur eine sehr kleingeistige Idee, sondern auch ein äußerst beschränktes Geschäftsmodell.

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