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Nachgebautes "Holocaust-Mahnmal" in Bornhagen, neben dem Wohnhaus des thüringischen AfD-Chefs Björn Höcke.

© imago/snapshot

Update

Zentrum für politische Schönheit: Ermittlungen gegen Aktionskünstler eingestellt

Kriminelle Vereinigung? Der Verdacht gegen das ZPS ist vom Tisch. Der ermittelnde und mutmaßlich AfD-nahe Geraer Staatsanwalt bekommt neue Aufgaben.

Von Matthias Meisner

16 Monate nach der Einleitung wird das umstrittene Ermittlungsverfahren gegen den Aktionskünstler Philipp Ruch vom "Zentrum für politische Schönheit" (ZPS) wegen "Bildung einer kriminellen Vereinigung" eingestellt. Das teilte das Justizministerium in Erfurt nach einer Besprechung der Staatsanwaltschaft Gera, der Generalstaatsanwaltschaft Thüringen und des thüringischen Justizministers Dieter Lauinger (Grüne) am Montag mit.

Begründet wurde die Einstellung unter Hinweis auf Paragraph 170 Absatz 2 der Strafprozessordnung. Die Ermittlungen gegen Ruch als ZPS-Anführer haben demnach nicht genügend Anlass zur Erhebung einer öffentlichen Klage ergeben.

Der ermittelnde Staatsanwalt Martin Zschächner, dem im Verlauf des Verfahrens AfD-Nähe vorgeworfen worden war, wird den Angaben der Behörde zufolge auf eigenen Wunsch mit anderen Aufgaben in der Ermittlungsbehörde betraut. Dies gelte "vorläufig bis zur Klärung der medial gegen ihn erhobenen Vorwürfe", so das Justizministerium. Ebenso wird er von seiner Aufgabe als Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Gera - er war das in Personalunion - entbunden.

Prominente Linken-Politiker hatten in Zschächner einen Staatsanwalt gesehen, "der's Rechten recht macht", wie Linken-Parteichefin Katja Kipping unter Berufung auf mehrere Entscheidungen Zschächners kommentiert hatte. Außerdem war bekannt geworden, dass Zschächner der AfD im April 2018 - also während des laufenden Ermittlungsverfahrens - eine Spende von 30 Euro überwiesen hat.

Generalstaatsanwalt Andreas Becker und der amtierende Leiter der Staatsanwaltschaft Gera, Oberstaatsanwaltschaft Steffen Flieger, erklärten: "Die Entscheidung, den Staatsanwalt bis zur Klärung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe mit anderen Aufgaben zu betrauen, erfolgt aus Fürsorgeaspekten und auf Vorschlag des Betroffenen."

Nachbau des Holocaust-Mahnmals in Bornhagen

Das ZPS hatte 2017 einen Nachbau des Berliner Holocaust-Mahnmals in Bornhagen im Eichsfeld errichtet, dem Wohnort des thüringischen AfD-Chefs Björn Höcke. Die Aktionskünstler protestierten damit auf einem Grundstück direkt neben Höckes Wohnhaus gegen die Dresdner Brandrede des AfD-Politikers im Januar 2017, in der dieser die Gedenkstätte als "Denkmal der Schande" bezeichnet und eine "erinnerungspolitische Wende um 180 Grad" gefordert hatte.

Das von den Aktionskünstlern errichtete Stelenfeld in Bornhagen war im November 2017 eröffnet worden. Eingeleitet worden waren die Ermittlungen nach Paragraf 129 Strafgesetzbuch, weil die Aktionskünstler eine umfangreiche Observierung Höckes angekündigt hatten. Später versicherten sie, das sei nur satirisch gemeint gewesen.

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Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hatte sich verwundert über das Verfahren gezeigt - zumal die Ermittlungen nach Paragraf 129 den Behörden weitreichende Befugnisse geben. Er habe "wenig Verständnis", betonte Ramelow in mehreren Tweets. Und erklärte: "Alle zivilen Verfahren gegen das ZPS blieben erfolglos und nun Strafrecht als kriminelle Vereinigung? Seltsam!"

Allerdings widersprach Ramelow der von der Linken-Landtagsabgeordneten Katharina König-Preuss formulierten Position, "jeder halbwegs vernünftig denkende Mensch" habe gewusst, dass die angekündigte "Ausspäh-Aktion" des "Zentrums für politische Schönheit" nicht stattgefunden habe. Er erklärte: "Dem widerspreche ich deutlich. Es gab einige Anzeichen, die keinen anderen Schluss zuließen." Und verwies zur Begründung auf eine gestohlene Müll-, beziehungsweise Papiertonne (von Höcke), Männer mit Videokamera, Anzeigen bei der Polizei und die eigenen Verlautbarungen des ZPS.

ZPS spricht von "politischem Verfahren"

Thüringens Justizminister Lauinger hatte die Einleitung des Ermittlungsverfahrens verteidigt, aber dessen lange Dauer kritisiert. Am vergangenen Donnerstagabend sagte er dem Tagesspiegel: "Die Einleitung des Ermittlungsverfahrens beruhte auf eigenem Verhalten des Zentrums für politische Schönheit und war nicht politisch motiviert. Gegenteilige Vorwürfe sind Unsinn." Allerdings fragte er: "Kann man ein solches Ermittlungsverfahren nicht schneller als in 16 Monaten zum Abschluss bringen?"

Am Montag erklärte Lauinger: "Ich begrüße außerordentlich die übereinstimmende rechtliche Auffassung von Staatsanwaltschaft, Generalstaatsanwaltschaft und Ministerium in der heutigen Sitzung. Damit kann dieses Verfahren endlich abgeschlossen werden." In der von Ramelow geführten rot-rot-grünen Landesregierung hatten die Ermittlungen zu heftigen Konflikten geführt.

Die Aktionskünstler hatten heftig Stimmung gegen Lauinger gemacht: "Er billigt die staatliche Verfolgung des ZPS nicht nur. Er macht sich diesen Irrsinn auch noch zu eigen."

Nach der Einstellung des Ermittlungsverfahrens sagte ein ZPS-Sprecher dem Tagesspiegel: "An uns hat sich Zschächner jetzt verhoben. Aber er hat seit Jahren fragwürdige Entscheidungen gefällt." Auch frühere Einstellungsbescheide des Staatsanwalts müssten nun daraufhin überprüft werden, "ob sie rassistische Thesen enthalten".

"Das Verfahren gegen das ZPS musste so oder so eingestellt werden", sagte der Sprecher der Künstlergruppe weiter. "Einerseits, weil es ein politisches Verfahren war. Andererseits formaljuristisch, weil es weder gegen Philipp Ruch noch gegen andere ZPS-Angehörige belastbare Vorwürfe oder gar Beweise gibt." Aber: "Warum erst jetzt?" Der Sprecher kritisierte, dass die Staatsanwaltschaft Gera den ZPS-Anwälten die Ermittlungsakte in dem Verfahren nach wie vor vorenthalte.

CDU-Chef Mohring: Ermittlungen lagen zunächst nahe

Der Oppositionsführer im thüringischen Landtag, CDU-Landes- und Fraktionschef Mike Mohring, sagte dem Tagesspiegel: "Da sich das ZPS selbst einer Straftat bezichtigt hatte, lagen Ermittlungen zunächst nahe. Deren Einstellung ist richtig, zumal der Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung doch ungewöhnlich war." Bei allen Fragen zu Einzelheiten dieser Ermittlungen gebe die Unabhängigkeit der Justiz den entscheidenden Maßstab vor, betonte Mohring.

Die Ermittlungen gegen das ZPS waren Anfang vergangener Woche durch eine Auskunft der Landesregierung auf eine Anfrage des Linken-Landtagsabgeordneten Steffen Dittes bekanntgeworden. Er hatte nach 129er Verfahren in Thüringen gefragt, als "Gruppierung von Aktionskünstlern" fand sich das ZPS dann wieder auf einer Liste mit insgesamt zwölf Organisationen, gegen die Verfahren wegen "Bildung krimineller und terroristischer Vereinigungen" laufen.

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