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Zwei, die sich stritten - und zwar über zehn Jahre: Milka und Ritter Sport. Es ging um die Formfrage.

© Alexander Blum/dpa

Zehn Jahre Rechtsstreit um Schokoladenverpackung: Als bräuchte die Welt lila Quadrate

Sicher ging es in den Verhandlungen ums Ritter-Sport-Quadrat auch um Prinzipielles. Und dennoch kann einem dabei der Appetit vergehen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Es ist ein höchstrichterliches Urteil, das der Bundesgerichtshof am Donnerstag unter den Aktenzeichen I ZB 42/19 und I ZB 43/19 gefällt hat. Es beendet einen Rechtsstreit, der zehn Jahre lief. Was ziemlich unfassbar ist. Denn das, worum gestritten wurde, ist zwar im Übergeordneten die Zulässigkeit eines Monopols, nämlich die „Schutzfähigkeit von dreidimensionalen quadratischen Verpackungsmarken, im Konkreten ging es aber nur noch um die Form einer Schokoladentafel.

Milka wollte dem Konkurrenten Ritter Sport (Slogan: "Quadratisch. Praktisch. Gut") das Exklusivrecht an einer Tafel, deren Länge und Breite identisch sind, abjagen. Der Streit hat sicher viel Geld und viele Nerven gekostet. Jetzt wurde er auch noch verloren. So ein Pech? Oder eher recht so?

Man soll ja nicht alle Alltagsvorkommnisse mit dem Weltgeschehen in Verbindung setzen, aber hier ist man doch geneigt auszurufen: Die streiten zehn Jahre über Schokoladenverpackungsformen, und woanders verhungern Kinder!

Zwar ist die juristische Frage, ob ein derartiges Monopol zulässig ist, sicher klärenswert. Aber doch eher als Fachfrage für die Fachwelt. Das zeigt sich schon an der mit normalmenschlichen Verstandesmitteln kaum nachvollziehbaren Begründung: „Vom Markenschutz ausgeschlossen ist die Form einer Ware oder einer Verpackung nach Paragraph 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG nur dann, wenn sie der Ware einen wesentlichen Wert verleiht“, teilte der BGH mit.

Hätte man nicht eher gedacht, es sei umgekehrt? Warum das aber genau nicht so ist, wird damit erklärt, dass die Entscheidung der Verbraucher, Ritter-Sport-Schokolade zu kaufen, nicht dadurch zustande komme, dass sie die quadratische Form für wesentlich halten. Anders formuliert: Gekauft wird immer noch eine Schokolade und kein Quadrat.

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Außerdem mit Normalverstand nur schwer nachvollziehbar ist der Impuls, der den ganzen Rechtsstreit auslöste: Was wollte Milka eigentlich erreichen? Dass auch die eigenen lilafarbenen Schokoladenprodukte in Quadratform verpackt werden dürfen. Und dann?

Wäre in erster Linie die Verwirrung am Schokoladenregal größer geworden. Hä, lila Quadrate? Müsste Ritter Sport dann nicht fairerweise auch das (ebenfalls geschützte) Milkalila oder nutzen können?

Dabei führt das alles zu nichts, was im Interesse der Bilanzen sein könnte. Denn die ständig neue Präsentation des Angebots ist erwiesenermaßen etwas, was sich negativ auf die Treue der Kundschaft zu Marken auswirkt. Was dauernd anders aussieht, wirkt wankelmütig, und Wankelmütigkeit ist nichts Gutes.

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Menschen sind in vielen Belangen Gewohnheitstiere, das sollten die ganzen Marketingstrategen mal beherzigen, deren Streben dauernd neue Produktformen sind. Wandel und immer Neues wird zwar in der Mode durchaus euphorisch begrüßt, viel weniger aber bei jenen Alltagsprodukten, die meist im Vorbeigehen in den Einkaufswagen fliegen. Da halten neue Formen und Farben nur auf, weil sie gut eingeübte Routinen stören.

Was nun das Produkt im Fokus dieses unglaublichen Rechtsstreits angeht, möchte man den Kombattanten im Sinne eines wirklichen Fortschritts als Lektion wünschen, dass die Kundschaft sich mit Grausen abwendet – und ihr Geld künftig nur noch nach farb- und formblinden Kriterien wie "fair gehandelt" und "nachhaltig angebaut" ausgibt.

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