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Rauchzeichen. Die Einführung des Nichtraucherschutzes 2007 wurde von vielen Klagen begleitet.

© dpa

Zehn Jahre Rauchverbot: Der riesige Ärger über ein Gesetz - verpufft

2007 starteten die Rauchverbote - und was wurde gejammert: Kulturgut in Gefahr! Gesellschaft in der Krise! Alles übertrieben. Wie so oft. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Der gewählte Ton des Berichts ist neutral. Weltweit sei die Einführung der neuen Regelung „stets problemlos“ gelungen, in New York beispielsweise werde sie von lediglich vier Prozent der Bevölkerung „zeitweilig“ verletzt, ist zu lesen, und dass zu diesem Ergebnis „übereinstimmend sämtliche als valide und qualitativ hochwertig eingestufte Studien“ kämen. Da sicherte sich jemand gründlich ab. Zu Recht. Denn das Thema ist heikel, gewissermaßen wortwörtlich Zündstoff .

Das Papier von 2007 wurde verfasst von der Stabsstelle Krebsprävention des Deutschen Krebsforschungszentrums. Und es ging um das da noch bevorstehende Rauchverbot in Deutschland. Eine höchst umstrittene Angelegenheit, wie sich an der damals veröffentlichten Meinung ablesen lässt. In der „Welt“ wurde das Rauchverbot als „ein Baustein in einer großen kulturellen Umkodierung“ bezeichnet, die das selbstzerstörerische Rauchen mitsamt den Orten, an denen es vorkommt, zerstören wolle. Ein Verdrängungsmittel gegen die Unterschichten sei es damit obendrein. In der „Süddeutschen Zeitung“ wurde „Niemals!“ zum Rauchverbot gerufen, denn Rauchen sei zelebrierte Entspannung, und es stürben doch so viele Menschen an Stress. Es sei ein Angriff auf ein Kulturgut, wurde analysiert und beklagt, eine Attacke auf eine Bürgerfreiheit oder ein Abgesang auf ein Stück Lebenskultur, und der Tagesspiegel witzelte, dass nach dem Zigaretten- wohl auch bald ein Alkoholverbot käme, also von allem, was überhaupt noch Spaß mache.

So war das, als es losging. Zehn Jahre später will man das kaum glauben. Waren die alle verrückt? Wozu die Aufregung? Das Rauchverbot wurde im föderalen Deutschland unterschiedlich schnell und streng oder winkelzügig eingeführt. Es wurde die „Raucherkneipe“ erfunden, in der plötzlich doch wieder geraucht werden durfte, es wurden Raucherecken vor Bistrotüren eingerichtet, im Winter mit Heizpilzen garniert, und mancher hat vielleicht wegen des fortschreitenden Imageverfalls das Rauchen eingestellt.

Geschadet hat das Verbot kaum. Auch das schreckensschwarz an die Wand gemalte Kneipensterben blieb aus. In der Rückschau wirkt die verordnete Verhaltensveränderung wie ein Stein, der in den Fluss geworfen wurde. Er hat den Wasserlauf geändert, aber das Wasser hat auch ihn verändert, auf Stromlinie gebracht, passend gemacht. Nicht zum ersten Mal.

Gurtpflicht? Da attackierten die Befragten ihre Interviewer

Auch die Einführung des Sicherheitsgurts für westdeutsche Autofahrer Mitte der 1970er Jahre wurde zunächst zu einem Drama. Die meisten Bundesbürger fanden den Gurt zwar sicherheitsdienlich, aber doch bitte nicht in ihrem Auto. Die Gesellschaft zerfiel in die Anschnallspießer und die anderen, die mit dem Imagespruch „Klick – Erst gurten, dann starten“ Freiheit und Bürgerrechte im Schlund des paternalistischen Staatsapparats verschwinden sahen. Um die heftigen Reaktionen zu begreifen, gab das Bundesverkehrsministerium eine psychologische Studie in Auftrag, bei deren Erstellung die Befragten ihre Interviewer angriffen. Die konstatierten daraufhin eine weitverbreitete und tief sitzende Angst davor, sich in seinem Auto fesseln zu müssen.

Auch das wirkt heute, wo viele Autofahrer völlig automatisiert zum Gurt greifen und sich unangeschnallt geradezu schutzlos und nackt fühlen, unbegreiflich.

Und wie war das mit den Ladenöffnungszeiten? Der lange Donnerstag erlaubte Shopping statt wie seit 1956 üblich nur bis 18.30 Uhr ab 1989 einmal wöchentlich bis 20.30 Uhr. Auch hier sah mancher die Gesellschaft am Abgrund. „Wir haben teilweise die Kunden gehasst, die in den Laden kamen“, gestand eine Verkäuferin Jahre danach dem WDR. Heute muss sich, wer um 18.30h schließt, fragen lassen, wie ernst er es mit dem Geldverdienen eigentlich meint. Die fünfstelligen Postleitzahlen, das ungeliebte Nachwendeprogramm, niemals würde man sich die merken können! Katastrophe! Die neuen Kontonummern, ach, da war was?

Der Mensch, das erweist sich ein ums andere Mal, ist ein Gewohnheitstier. Zwar eins, das erst mal brüllt und tobt, wenn eine Gewohnheit verändert wird. Aber eben nur so lange, bis auch die Neuerung wieder zur Gewohnheit geworden ist. Das könnte in den aktuellen Zeiten, in denen kolportierter- oder empfundenerweise besonders viele Gewohnheiten unter Veränderungsdruck stehen, ein üblicher Trost werden. Vorübergehend jedenfalls.

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