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Die Semperoper in Dresden am 17. August 2002.

© dapd

Zehn Jahre nach dem Elbe-Hochwasser: Aus der Flut gelernt?

Im August 2002 standen große Teile Sachsens, Sachsen-Anhalts und schließlich Niedersachsens unter Wasser, in Prag und Bayern wurde gegen die Fluten gekämpft. Die Flüsse sollten mehr Raum bekommen, schworen danach alle. Viel ist daraus nicht geworden.

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Die Landkarte des Hochwasserportals zeigt aktuell nur grüne Punkte. Nirgendwo in Deutschland herrscht Hochwassergefahr. Vor genau zehn Jahren hätte sie ganz anders ausgesehen – hätte es diese Warnkarte damals schon gegeben. Am 12. und 13. August 2002 regnete es über den Ostalpen, dem Erzgebirge und den Karpaten praktisch ohne Pause. Schon vom 7. bis 11. August hatten Starkregenereignisse in Österreich, Tschechien und Sachsen die Wasseraufnahmefähigkeit der Böden teilweise überschritten. Und dann kam das Tiefdruckgebiet „Ilse“. Die Regenwolken der sogenannten Fünf-b-Wetterlage (Vb) – blieben an den Mittelgebirgen hängen, bis die gewaltigen über dem Mittelmeer aufgenommenen feuchten Luftmassen sich komplett entladen hatten.

Am 12. August verwüstete das Flüsschen Müglitz die Erzgebirgsorte Glashütte und Weesenstein. Oberhalb von Glashütte war der Damm eines in den 50er Jahren errichteten Rückhaltebeckens gebrochen. Eine Flutwelle mit 50 000 Kubikmeter Wasser ergoss sich in die sonst durch teure Uhren bekannte Kleinstadt. In Weesenstein riss die Müglitz zehn Häuser komplett mit sich, verwüstete Teile des Schlosses und vor allem dessen Gärten. Das Bild einer Familie, die 13 Stunden auf der letzten Mauer ihres Hauses, die gerade mal 36 Zentimeter maß, umtost von den Wassermassen ausharrte, ging um die Welt.

Am gleichen Tag verwüstet die Mulde die sächsische Stadt Döbeln, deren Innenstadt auf einer Insel liegt. Am 13. August setzt die Mulde ihr Zerstörungswerk in Grimma fort. Dresden wird gleich zwei Mal getroffen. Am 12. und 13. August fließt die Weißeritz in ihrem alten Flussbett durch die Innenstadt. Am 16. und 17. August erreicht die Elbe mit sagenhaften 9,40 Metern ihren historischen Höchststand. Die weltbekannten Kunstsammlungen der Stadt mussten in höhere Stockwerke geschleppt werden – 11 000 Skulpturen und 700 Gemälde wurden gerettet.

Wenige Tage vorher am 14. August hatte die Katastrophe bereits die tschechische Hauptstadt Prag erreicht. 220 000 Menschen mussten ihre Wohnungen verlassen, 17 Menschen starben allein dort. Die Moldau stieg auf 7,82 Meter an und flutete die U-Bahn- Stationen der Innenstadt. Mehr als 15 Kilometer Tunnel standen unter Wasser. „Es hat acht Monate gedauert, bis auch die letzte Metro-Station wieder in Betrieb war, sagte Jan Cibulka, der damals in Prag für den öffentlichen Nahverkehr zuständig war, der Nachrichtenagentur dpa.

Von Sachsen aus wälzte sich das Elbhochwasser dann in Richtung Norden. Entlang der Elbe und ihres Nebenflusses Mulde brachen mehrere Deiche. Erst Ende August normalisierte sich die Lage entlang der Flüsse. Die Bilanz der Katastrophe in Deutschland: 370 000 Menschen waren unmittelbar vom Hochwasser betroffen. 21 Menschen starben. Die volkswirtschaftlichen Schäden, zunächst mit 9,2 Milliarden Euro angegeben, stiegen nach einer Nacherhebung in Sachsen 2003 auf mehr als elf Milliarden Euro. Neben Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Niedersachsen gab es auch in Bayern, vor allem in Regensburg, hohe Schäden. In ganz Europa betrugen die volkswirtschaftlichen Schäden der Augustflut 2002 mehr als 15 Milliarden Euro.

Allein in Deutschland sind 350 Millionen Euro privater Spenden eingegangen. Es dauerte sechs Jahre, bis die Hilfsorganisationen das Geld an die Flutopfer verteilt hatten. Noch immer sind 300 Millionen Euro aus dem sächsischen Fluthilfetopf nicht ausgegeben. Bis 2020 sollen davon weitere Deiche ertüchtigt werden. Dennoch ist der Wiederaufbau fast überall abgeschlossen. Der Oberbürgermeister von Grimma, Matthias Berger (CDU), sagt in jedes Mikrofon: „Heute ist Grimma schöner als je zuvor.“ Ziemlich schnell war vergessen, dass 2002 alle Politiker geschworen hatten, den Flüssen mehr Platz geben zu wollen. Der sächsische Umweltminister Frank Kupfer (CDU) erinnerte in seiner Regierungserklärung vor wenigen Tagen daran, dass „der Mensch dem Fluss im Wege ist, nicht umgekehrt“. Doch Lehren sind daraus nur teilweise gezogen worden.

Kein Platz für die Elbe

Ein Prozent der früheren Überschwemmungsgebiete der Elbe könnten dem Fluss zurückgegeben werden, wenn alle diskutierten Deichrückverlegungen entlang des Flusses tatsächlich umgesetzt werden. Das hat der Flussexperte der Umweltstiftung WWF, Georg Rast, ausgerechnet. 80 Prozent der natürlichen Überschwemmungsflächen der Elbe sind trockengelegt, werden intensiv landwirtschaftlich genutzt oder sind überbaut. Die Elbe war vor den Begradigungen der vergangenen 150 Jahre rund 180 Kilometer länger. Zum Teil sind Industriebrachen, die schon vor der Flut lange verlassen waren und dem Zerfall entgegendämmerten, als neue Überschwemmungsgebiete ausgewiesen worden. Zudem hat es seit dem August-Hochwasser 2002 zwei größere Deichrückverlegungen gegeben. In Lenzen in Brandenburg und in Rosslau in Sachsen-Anhalt sind Deiche weiter vom Fluss entfernt gebaut worden. Beide Vorhaben waren allerdings schon lange vor der Elbe-Flut geplant. Dazu kommen noch drei kleinere Deichrückverlegungen entlang der Elbe.

Der WWF selbst arbeitet seit 2001 an der Mittleren Elbe daran, Auenwälder zurückzugewinnen. Bis 2018 soll die Deichrückverlegung im Lödderitzer Forst abgeschlossen und das größte zusammenhängende Auenwaldgebiet geschaffen sein. Die Kosten dafür trägt zu 75 Prozent der Bund über das Bundesamt für Naturschutz, dazu kommen 15 Prozent vom Land Sachsen-Anhalt und weitere zehn Prozent vom WWF. In Sachsen und Sachsen-Anhalt planen die Landesregierungen weitere Deichrückverlegungen. Alles in allem könnten damit rund 1000 Hektar Überschwemmungsfläche gewonnen werden, schätzt Georg Rast. Im Erzgebirge oder für Dresden bringe das aber nichts, stellt er fest.

Die meisten Mittel für den Hochwasserschutz sind nach der Flutkatastrophe in den Bau und die Ertüchtigung von Deichen investiert worden. Rast findet, dass der Wiederaufbau unter dem politischen Druck vor Ort zu schnell stattgefunden hat, um mögliche Alternativen zu durchdenken. Mit der Infrastruktur, den Gleisen der Bahn, den Brücken, den Straßen, seien viele Vorentscheidungen getroffen worden, sagt Rast. „Es fehlte die Zeit für grundlegende Überlegungen“, kritisiert er. Vor allem in den Erzgebirgstälern wäre das aber notwendig gewesen, um sich zu überlegen, an welchen Stellen Überflutungsflächen für die Flüsse geschaffen werden könnten. Denn dort ist die Elbeflut entstanden. Lediglich ein paar völlig zerstörte Häuser in Weesenstein sind nicht wieder aufgebaut worden. Und die Neubausiedlung Röderau-Süd, erbaut auf einem alten Elbe-Nebenarm, wurde 2003 aufgegeben und abgerissen. Rund 40 Millionen Euro hat das einschließlich der Entschädigungen für die rund 360 Einwohner gekostet. In den engen Erzgebirgstälern gibt es nicht allzu viele Möglichkeiten, der Müglitz, der Weißeritz oder anderen Elbe-Zuflüssen mehr Platz zu schaffen. Deshalb wurden mehrere Rückhaltebecken gebaut. Bei Lauenstein wurde 2006 ein Rückhaltebecken eingeweiht, dessen Bau schon vor der Flut begonnen hatte. Als die Wasserstände wieder sanken, haben die Planer die Kapazität des Rückhaltebeckens deutlich vergrößert. Für 38,7 Millionen Euro wurde die Staumauer schließlich 8,5 Meter höher als zunächst geplant. Das verhängnisvolle Rückhaltebecken oberhalb von Glashütte, das sich nach dem Dammbruch am 12. August in die Kleinstadt ergoss, ist ebenfalls 2006 in seiner ursprünglichen Größe wieder in Betrieb genommen worden. Rund 2,5 Millionen Euro hat das damals gekostet. 2009 entschied sich die Landesregierung jedoch, auch hier die Kapazität zu erweitern. Die bis dahin 9,5 Meter hohe Staumauer soll nun durch eine 28,28 Meter hohe Staumauer ersetzt werden.

Nach Rasts Beobachtungen ist das kein Einzelfall. „Viele Rückhaltebecken und Deiche sind zwar verstärkt worden“, berichtet er. Aber sie seien oft zu klein dimensioniert worden, um einem 100-jährigen Hochwasser – also einer Überflutung, die alle 100 Jahre wahrscheinlich ist – standzuhalten. Wenn im Nachhinein die Kapazität erweitert wird, müssen die Fördermittel, die zuvor verbaut worden sind, wieder zurückgezahlt werden. Gerade bei Straßen oder Brücken wird das aus Angst vor hohen Rückzahlungen aber meist unterlassen, sagt Rast. Als es 2006 in Sachsen schon wieder hieß „Land unter“, haben die zuständigen Behörden festgestellt, dass zwar die Deiche gehalten haben. Doch mehr als ein Damm wurde bei diesem Hochwasser auch überflutet.

Für Hubert Weiger, Präsident des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND), erwartet bei einer Wiederholung der Vb-Wetterlage wie 2002 vor allem im Erzgebirge wieder hohe Schäden. „Bundesregierung und Elbanrainer-Landesregierungen haben nach der Jahrhundertflut 2002 vor der Presse versprochen, den Flüssen mehr Raum zu geben. Und kaum hatten sie den Raum verlassen, war das Versprechen schon vergessen“, zürnt Weiger. Georg Rast beschreibt, wie dieses „Vergessen“ in der Praxis aussieht. In allen Hochwasserschutzkonzepten seit dem August-Hochwasser 2002 ist die Rede von Deichrückverlegungen, von steuerbaren Poldern – damit sind Flächen gemeint, die nur im Notfall geflutet werden können – und von Hochwasserrückhaltebecken. Außerdem ist es inzwischen eigentlich verboten, neues Bauland auf hochwassergefährdeten Flächen auszuweisen. Doch wenn es konkret wird, „sind die Wege kurz“, sagt Rast trocken. Die Landräte hätten immer die Möglichkeit, an den Fachbehörden vorbei eine politische Abkürzung zu nehmen, und Ausnahmeregelungen zu bekommen. „Es fehlt an Kontrollinstanzen“, sagt Rast.

Der sächsische Umweltminister Frank Kupfer (CDU) sieht dagegen mit Sorge, dass inzwischen schon wieder angefangen werde, „hinter dem Deich zu bauen“, weil die Menschen annehmen, dahinter geschützt zu sein. Im Interview mit der Nachrichtenagentur dapd wies er jedoch darauf hin, dass beim Hochwasser 2010 der neue Deich im ostsächsischen Ostritz zwar gut gehalten habe. Doch sei der für ein Jahrhunderthochwasser ausgelegte Deich dennoch überströmt worden. Die grüne Bundestagsabgeordnete Dorothea Steiner sagt, dass höhere Deiche „die Wassermassen nicht reduzieren können, sondern das Problem nur flussabwärts verlagern“.

Zwei neue Bundesämter

Die Feuerwehr Nürnberg hat 2002 genau das getan, was seither im Gestrüpp zwischen Bund, Ländern und Kommunen versucht wird: Die Nürnberger hatten sich kurzerhand zur Zentrale erklärt – zur Sandsackzentrale. Ohne diese entschlossene Übertretung aller Zuständigkeitsrücksichten hätten im August 2002 vermutlich nicht so viele Deiche durch Sandsäcke verstärkt werden können. Die Schäden wären womöglich noch größer ausgefallen.

Angst vor der Flut. So haben sich die Bewohner der brandenburgischen Kleinstadt Mühlberg vor zehn Jahren auf das Wasser vorbereitet.
Angst vor der Flut. So haben sich die Bewohner der brandenburgischen Kleinstadt Mühlberg vor zehn Jahren auf das Wasser vorbereitet.

© ddp

Die Elbe-Flut und die Terroranschläge vom 11. September 2001 in New York und Washington haben in Deutschland die Debatte über den Katastrophenschutz wieder auf die Tagesordnung gesetzt. 2004 ist das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) gegründet worden. Dort laufen inzwischen auf einer zentralen Plattform, dem https://www.denis.bund.de/, alle Kenntnisse über Katastrophenlagen zusammen. Jahrelang haben Bund und Länder darüber gestritten, wer wofür zuständig sein soll. Der Bund war damals für den Katastrophenschutz im Konfliktfall – Krieg oder Terroranschläge – zuständig, die Länder für Naturkatastrophen. Dabei ist es im Wesentlichen auch geblieben. Und nach langem Gezänk haben sich Bund und Länder darauf besonnen, einfach besser zu kooperieren. Denn beim Hochwasser der Elbe und ihrer Nebenflüsse hatte es einige Informationspannen gegeben. Helfer standen tagelang beschäftigungslos in der Gegend herum, obwohl sie anderenorts dringend gebraucht worden wären.

Seit der Flut ist das Warnsystem deutlich verbessert worden. Der Deutsche Wetterdienst gibt seither viel häufiger und viel konkreter Warnmeldungen heraus, wenn sich eine Wetterkatastrophe anbahnt. Diese Informationen werden vielerorts mit Handy-Kurzmeldungen an die Betroffenen weitergeleitet, so dass sie sich besser auf mögliche Naturkatastrophen vorbereiten können. Das BBK sammelt diese Informationen nicht nur und gibt sie weiter. Die Behörde vergibt auch Forschungsprojekte. Sie hat beispielsweise eine Studie darüber in Auftrag gegeben, wie Einwanderer, Touristen oder Obdachlose besser gewarnt werden könnten.

Ein Mangel während der Elbeflut war die Kommunikation. Handynetze waren teilweise ausgefallen oder überlastet. Polizei und Feuerwehr waren noch auf analoge Funkgeräte angewiesen. Schon Jahre vor der Flut hatte die Diskussion über eine Umstellung auf digitalen Funk für die Polizei begonnen, weil der Polizeifunk leicht abzuhören war. Seit 2007 ist die neue Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) dafür zuständig. Die BDBOS soll es schaffen, nicht nur Bundespolizei und Polizei in den Ländern mit digitalen Funkgeräten auszurüsten. Auch Feuerwehren, Rettungsdienste, das Technische Hilfswerk und der Zoll sollen in Zukunft die neue und abhörsichere Technik nutzen können.

Eine Sprecherin der BDBOS sagte dem Tagesspiegel, dass aktuell 200 000 Polizisten, Feuerwehrleute und Angehörige von Rettungsdiensten an das digitale Funksystem angeschlossen seien. In Berlin, Bremen, Hamburg, Köln, München und Düsseldorf hat die Umstellung ebenso stattgefunden wie im Nordwesten von Rheinland-Pfalz und fast ganz Baden-Württemberg. Im November 2011 ist ganz Mecklenburg-Vorpommern auf die neue Technik umgestellt worden. Sachsen-Anhalt und der Großraum Köln-Bonn erproben seit April 2012 den digitalen Funkverkehr, zwei Monate später hat der Testbetrieb auch im Großraum Frankfurt am Main begonnen. Bis Ende 2014 rechnet die BDBOS damit, dass Polizei und Sicherheitsdienste in ganz Deutschland ans digitale Funknetz angeschlossen sein werden.

Zauberwort Eigenverantwortung

Nach der großen Flut der Elbe und ihrer Nebenflüsse vor zehn Jahren sind vielerorts die Häuser wieder genau da aufgebaut worden, wo sie 2002 weggeschwemmt worden waren. „Für die Opfer war es natürlich ein Segen, dass nach 2002 sehr viel Geld zur Verfügung stand, so dass ein Großteil der Schäden ersetzt werden konnte, unabhängig davon, ob die Betroffenen versichert waren oder nicht“, sagte Professor Peter Höppe, Leiter der Geo-Risiko-Forschung der Münchner Rückversicherung dem Tagesspiegel. Höppe hat festgestellt, dass „man nach einer Naturkatastrophe schnell wieder vergisst“. Das führe nicht nur in Deutschland oft genug dazu, „dass man die gleichen Fehler macht wie vorher und an der gleichen Stelle die Häuser wieder aufbaut“. Das sei auch nach dem Tsunami 2004 in Südostasien zu beobachten gewesen. Dort seien zunächst Häuser auf Stelzen gebaut worden, damit das Wasser unter den Häusern durchfließen könne. „Inzwischen wird das oft zugemauert, um diese Räume auch zu nutzen“, sagt Höppe.

Land unter in Meißen. Dutzende Städte wurden im August 2002 überflutet.
Land unter in Meißen. Dutzende Städte wurden im August 2002 überflutet.

© dpa

Ein Großteil der Deutschen unterschätzt das Risiko, dass ihr Haus oder ihre Wohnung durch Hagel, Starkregen oder Hochwasser beschädigt oder gar zerstört werden könnte. Das geht aus einer Umfrage des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt. 90 Prozent der Deutschen glauben, die Gefahr selbst einmal betroffen zu sein, sei gering. Ein Irrtum. „Auch in Deutschland macht sich der weltweite Klimawandel bemerkbar“, sagt Jörg Fürstenwerth, Vorsitzender der GDV-Hauptgeschäftsführung. „Immer häufiger werden Häuser überschwemmt, die abseits von großen Flüssen liegen.“ Denn Starkregenereignisse haben in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen.

Die wenigsten Deutschen sind gegen einen Schaden durch eine Naturgewalt wie das Elbhochwasser vor zehn Jahren versichert. Nur 30 Prozent haben eine Elementarschadenversicherung. 63 Prozent der Deutschen glauben gar, ihr Haus oder ihre Wohnung überhaupt nicht gegen einen solchen Schaden versichern zu können.

Der Großteil der Deutschen verlässt sich darauf, dass der Staat einspringt. Dabei gibt es in zahlreichen Bundesländern wie Bayern, Sachsen oder Niedersachsen nur noch dann staatliche Hilfen, wenn sich der Schaden nicht versichern lässt. Das trifft allerdings nach Ansicht des GDV auf die wenigsten Häuser und Wohnungen zu. 99 Prozent der Haushalte könnten problemlos gegen Hochwasser, Hagelschlag oder Sturmschäden abgesichert werden, meint der Verband.

Trotz der inzwischen strikten Vorgabe, nur noch einzuspringen, wenn eine Versicherung nicht möglich ist, gibt es für die Betroffenen weiterhin eher widersprüchliche Signale. Als 2006 und 2010 wieder in Sachsen Flüsse über die Ufer traten, versprach Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) prompt sofort wieder staatliche Hilfen für die Opfer. Darüber kann sich Georg Rast, Flussexperte der Umweltstiftung WWF, ziemlich ärgern. Er findet es nämlich ungerecht, dass die „Allgemeinheit“ die Kosten dafür tragen muss, dass einige Hausbesitzer „hohe Risiken eingehen“, indem sie in Überschwemmungsgebieten bauen. Auch wenn Rast zugesteht, dass die Hausbesitzer daran nicht alleine schuld sind, schließlich hätten viele Gemeinden genau dort Baugebiete ausgewiesen. Dennoch hält Rast auch wenig davon, eine Elementarschadenversicherung verpflichtend einzuführen. Nach der Elbeflut war das intensiv diskutiert worden, doch 2004 legten Bund und Länder den Plan wieder zu den Akten. Seither versuchen vor allem Sachsen und Bayern jedoch die Hausbesitzer in den gefährdeten Gebieten durch Argumente und sanften Zwang dazu zu bewegen, ihre Immobilien gegen Naturgefahren zu versichern. Eben auch durch die Ankündigung, nur noch dann einzuspringen, wenn eine Versicherung nicht möglich ist. Georg Rast findet, dass das Risiko bei den Tarifen deutlich sichtbar sein muss. Und Peter Höppe gibt ihm recht. Es wäre wichtig, dass man „über die Prämiengestaltung Zeichen setzt“, meint Höppe.

Georg Rast geht in seiner Kritik aber noch einen Schritt weiter. Er findet es nicht nur ungerecht, dass die Allgemeinheit dafür haftet, wenn Häuser auf früheren Flussarmen oder in ehemals natürlichen Überschwemmungsgebieten der Flüsse zerstört werden. Er findet auch, dass Dienstleistungen für mögliche künftige Flutopfer, wie beispielsweise detaillierte Informationen über Gefahrenlagen und Frühwarnsysteme nicht unbedingt allein von den Steuerzahlern getragen werden müssten. Zumindest eine Eigenbeteiligung derjenigen, die „auch heute noch nicht auf eine Wohnung mit Blick auf den Fluss“ verzichten wollten und dafür deutlich höhere Preise zu zahlen bereit seien, findet Rast mehr als angemessen.

Ein Beispiel für die Haltung, die Rast kritisiert, ist ein Eiscafé in Bad Schandau. Der Besitzer des Cafés „Memory“ hat 1999 eine Baugenehmigung für das Haus unweit der Elbe bekommen. Im Juli 2000 wurde das Cafe eröffnet. Als die Elbe 2002 über die Ufer trat, wurde das Cafe völlig verwüstet. Dennoch hat es Derk Kagerer dank vieler privater Spenden, wie er auf seiner Homepage berichtet, im März 2003 wiedereröffnet. Genau am gleichen Platz wie zuvor. Im März 2006 schwappte die Elbe erneut in Kagerers Café. Diesmal stand sie „nur“ etwa 1,50 Meter hoch im Haus, berichtet er weiter. Und wieder beschloss der Café-Besitzer, das Haus zu renovieren und seinen Betrieb an gleicher Stelle fortzuführen. Im Juli 2006 eröffnete er das Eiscafé erneut. Auf der Homepage heißt es: „Wir wünschen und hoffen, dass das nächste Hochwasser nicht so schnell wieder kommt.“ In diesem Jahr war das Café jedoch erneut von Hochwasser betroffen.

Wenn schon am gleichen Platz wieder gebaut wird, sollten zumindest einige Regeln beachtet werden, schreibt das Umweltbundesamt zum Hochwasserschutz. Wenn schon eine Ölheizung eingebaut werden soll, dann auf dem Dach und nicht im Keller. Die Rückversicherer haben nach der Flut 2002 nämlich errechnet, dass die durchschnittlichen Schäden an einem Haus, dessen Erdgeschoss überflutet war, bei rund 42 000Euro gelegen haben. In einem unterkellerten Haus lagen die Schäden im Schnitt dagegen bei knapp 73 000 Euro. Es gibt aber auch gefahrlosere Möglichkeiten für die Wärmeversorgung wie beispielsweise der Anschluss an ein Fernwärmenetz. Neubauten brauchen oft gar keine Heizung mehr, weil sie Solarwärme nutzen und gut gedämmt sind.

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