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Trump Mitte Dezember 2020 vor dem Weißen Haus – ob er da noch an seinen Sieg glaubte?

© imago images/UPI Photo

You're fired!: Trump muss gehen – und zwar sofort

Mit seinen Zweifeln am Wahlprozess hat der US-Präsident der Demokratie größtmöglichen Schaden zugefügt. Er muss des Amtes enthoben werden. Ein Kommentar.

Schüsse auf den Treppen, Fenster zerspringen, Türen bersten. Der Mob stürmt Büros und die großen Säle des Kapitols. Trump-Anhänger, angereist aus den Weiten des Landes, fläzen sich in den Senatorensesseln, hängen ihre Flaggen an Statuen, erobern die Herzkammer der amerikanischen Demokratie.

Im Weißen Haus, nur ein paar Kilometer entfernt, ein Präsident, der sich nicht distanzieren kann, dem die Worte weder über die Finger, noch über die Lippen kommen, die nötig wären, dem Sturm Einhalt zu gebieten.

Ihm, der sein Land und die Welt vier Jahre lang per Twitter und Executive Order herumkommandiert hat, der die Macht hätte, mit wenigen Worten Truppen zu mobilisieren und den besetzten Kongress im Handumdrehen räumen zu lassen, fehlen plötzlich die Kommandos.

Stattdessen ein Gruß an die Demokratie-Besetzer: „You are very special - ihr seid etwas ganz Besonderes“.

Zweifel an der Wahl zerstören den Kern der Demokratie

Die Szenen sind verstörend. Doch der Sturm weniger hundert Demonstranten auf die bedeutendste Institution der amerikanischen Verfassung hätte nicht die Demokratie aushebeln oder gar einen Putsch einleiten können. Viel gefährlicher ist das Misstrauen, das der mächtigste Amtsträger des Landes ausgerechnet in den Prozess gesät hat, dem er sein Amt verdankt.

Donald Trump hat sich immer als Revolutionär verstanden, getragen von einer übergesetzlichen Mission. Die Abwahl als antirevolutionärer Akt passt nicht in seine Welt und die seiner Anhänger. Sie kann also nicht mit rechten Dingen zugegangen sein.

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Zwei Drittel der Republikaner glauben, dass ihnen die Wahl gestohlen wurde, über hundert republikanische Abgeordnete und ein halbes Dutzend Senatoren wollten selbst nach den beispiellosen Ereignissen die Wahl Joe Bidens nicht zertifizieren.

Wer mit dem Rückenwind des Amtes, getragen von Millionen Getreuen, unterstützt von der Empörungsgewalt sozialer Netzwerke, ohne gerichtsfeste Indizien Wahlen anzweifelt, zerstört den Kern jeder Demokratie. Der will nichts anderes als den permanenten antidemokratischen Aufstand.

Trumps Aufrufe sind zumindest symbolische Verbrechen

Ob Trumps Aufrufe und Worte ein justitiables Staatsverbrechen sind, werden die amerikanischen Gerichte klären müssen, sobald er abgetreten ist. Was sie auf jeden Fall sind: symbolische Verbrechen. Keinem Amtsträger einer der führenden westlichen Nationen ist es gelungen, das Vertrauen in die Grundlage unserer Staatsform so zu erschüttern, wie dem amerikanischen.

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Welchem jungen Chinesen sollen diese Szenen noch ein Vorbild sein? Im Vergleich zu Donald Trump ist Boris Johnson trotz seiner Brexit-Lügenkampagne geradezu ein Hüter der Demokratie und selbst die Präsidenten von Polen und Ungarn rütteln nicht an der Legitimation von Wahlen - vorerst.

[Mehr zum Thema: So könnte Trump wegen Unfähigkeit umgehend entmachtet werden (T+)]

Die Demokratie ist eine zerbrechliche Staatsform. Sie kann durch Gesetze und die Verfassung nur bedingt geschützt werden. In etlichen Staaten ist sie in Gefahr, wird an ihren Grundpfeilern gesägt: Die Meinungsfreiheit wird eingeschränkt, die Unabhängigkeit der Gerichte ausgehebelt, staatliche Überwachung besonders im digitalen Raum verstärkt.

Deswegen ist es so brandgefährlich, ohne Grund das Vertrauen in Wahlen zu erschüttern. Selbst in Diktaturen versuchen sich die Machthaber, durch den Anschein von Wahlen zu legitimieren, die sie dann schamlos manipulieren.

Trump ist eine Gefahr für alle westlichen Demokratien

Regierung und Kongress bleibt nur noch eine Pflicht: Donald Trump seines Amtes zu entheben. Er ist „insane“, wahrhaft verrückt, an grenzenlosem Narzissmus erkrankt, eine Gefahr für sein Land und die ganze Welt. Vor allem aber ist er eine Gefahr für die Regierungsform, die dem Westen zu einer einzigartigen Überlegenheit verholfen hat: Wohlstand in Freiheit.

Zwölf Tage sind eine Menge Zeit für einen Mann, der die Macht hat, in seinem Abgang den demokratischen Institutionen, denen er so abgrundtief misstraut, so viel Schaden zuzufügen wie möglich. Es geht nicht nur um Amerika. Im Sinne der Würde der Demokratie und des Vertrauens in die freiheitlichste Staatsform, die wir jemals hatten: Keinen Tag länger!

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