zum Hauptinhalt
Bundeskanzlerin Angela Merkel übt sich im Kanzleramt beim Girls Day im Umgang mit Robotern. Die Veranstaltung soll technische Berufe für Mädchen interessanter machen.

© Hannibal Hanschke/Reuters

"Women20" in Berlin: Die Lücke verringern

Die Delegierten beim Berliner Frauengipfel hoffen auf Angela Merkel: Die Kanzlerin soll bei den G20 die Agenda der Frauen einbringen.

Von allen Frauen, die zum „Women20“-Gipfel nach Berlin gekommen sind, hat Bashma Omair wahrscheinlich den schwierigsten Job. Sie leitet eine Organisation in Saudi-Arabien, die sich für die Rechte von Geschäftsfrauen einsetzt. Aber wie kann das gehen in einem islamischen Land, in dem Frauen noch nicht einmal Auto fahren dürfen? „Natürlich funktioniert Lobbyarbeit in Saudi-Arabien nicht so wie in Washington“, sagt Omair. Innerhalb von wenigen Minuten erteilt sie den weiblichen Delegierten aus den wichtigsten Industrie- und Schwellenländern der Welt (G20) eine Lehrstunde in Aktivismus unter widrigen Bedingungen.

Das Zentrum, das Omair leitet, ist nach der ersten Frau des Propheten Mohammed benannt. Deren Geschichte nutzt Omair nun, um in ihrem Land für Frauenrechte zu kämpfen. Schließlich sei Khadija, als sie Mohammed kennenlernte, eine arbeitende Mutter gewesen, eine Witwe, die als Geschäftsfrau für ihren Lebensunterhalt aufkommen musste. Mohammed habe zunächst für sie gearbeitet. „Ich sage immer: Wenn selbst der Prophet eine Chefin haben konnte, dann können Frauen heute auch Chefinnen sein“, berichtet Omair den Delegierten in Berlin mit einem Lächeln. Auch durch diese besondere Art der Lobbyarbeit können Frauen in Saudi-Arabien heute in allen Wirtschaftsbereichen eine Zulassung erhalten und auch in Aufsichtsräten sitzen. „Wir beschweren uns nicht, wir kommen voran“, sagt Bashma Omair.

Diese Geschichte aus Saudi-Arabien zeigt, wie unterschiedlich die Voraussetzungen der Delegierten sind, die am Dienstag und Mittwoch am „Women20“-Gipfel (W20) in Berlin teilnahmen. Dennoch mussten sie sich auf gemeinsame Forderungen an die Staats- und Regierungschefs verständigen. Über Monate diskutierten die Frauen aus den 19 G20-Staaten und der EU ihre Positionen in einem digital organisierten Verfahren, am Mittwoch übergaben sie der Kanzlerin ihre Empfehlungen. Deutschland hat in diesem Jahr den Vorsitz in den G20, und die Delegierten der W20 hoffen nun, dass wenigstens ein oder zwei ihrer Empfehlungen beim Gipfel in Hamburg beschlossen werden. Dabei setzen sie vor allem auf Angela Merkel. An die Kanzlerin gewandt sagte Mona Küppers, Vorsitzende des Deutschen Frauenrates: „Unter Ihrer Führung müssen die G20 neue Standards für Geschlechtergerechtigkeit setzen.“

Frauen in Entwicklungsländern sollen Kredite erhalten

Merkel hat nicht nur Interesse signalisiert, sondern am Dienstag bereits eine deutsche G20-Initiative zur Förderung von Frauen in Entwicklungsländern ankündigt. Ihnen könnten demnach über einen Fonds, in den Deutschland und andere Länder sowie private Geber einzahlen und der von der Weltbank aufgestockt wird, Kredite gewährt werden. Auf das Problem, dass gerade Frauen in Entwicklungsländern zu wenig Zugang zu Kapital haben, hatten zuvor schon die W20 hingewiesen. Weltweit hätten 1,1 Milliarden Frauen keinen Zugang zu Finanzsystemen, berichtete die indische Delegierte Sucharita Eashwar in Berlin. Zugleich rechnete sie vor, dass das Pro-Kopf-Einkommen in den Entwicklungsländern bis 2030 um zwölf Prozent gesteigert werden könnte, wenn die Kreditlücke bis 2020 geschlossen würde.

Auch die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, betonte, dass eine Beteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt eine ökonomische Notwendigkeit sei. Wenn die Lücke in der Erwerbsbeteiligung zwischen Frauen und Männern geschlossen würde, könnte das Bruttoinlandsprodukt in den USA um fünf Prozent steigen. In einem Land wie Indien wäre der Effekt sogar noch um ein Vielfaches höher. „Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Frauen mit am Tisch sitzen“, sagt Lagarde.

Merkel will G20-Kollegen überzeugen

Die Delegierten des Berliner Frauengipfels fordern, dass die G20 ihrem bereits in Brisbane 2014 gegebenen Versprechen, die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern bis 2025 um 25 Prozent zu verringern, mit nationalen Aktionsplänen konkrete Taten folgen lassen und die Fortschritte überprüfen. Außerdem sollen Frauen stärker unterstützt werden bei der Teilhabe am digitalen Wandel der Gesellschaft. In allen G20-Staaten sind Frauen in Naturwissenschaften, Technik und Informatik nach wie vor unterrepräsentiert. „Wir müssen digitale Möglichkeiten schon in die Schulbildung mit hineinnehmen“, sagte Merkel.

Den W20-Delegierten versprach die Kanzlerin, sie werde diese Themen „motiviert angehen“ und versuchen, ihre Kollegen zu überzeugen. So will sie bei ihrem Besuch in Saudi-Arabien nicht nur über die G20-Agenda reden, sondern auch "darin erinnern, dass die Frauen vorkommen".

Zur Startseite