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Wachsende Gefahr. Wirtschaftsspionage trifft viele Unternehmen in Deutschland. Die Schäden summieren sich auf mehr als 100 Milliarden Euro

© imago stock&people

Wirtschaftsspionage in Deutschland: Das Homeoffice wird zur Risikofalle

Die Gefahr der Ausspähung deutscher Unternehmen durch Spione aus China und anderen Staaten wächst. Das gilt besonders für Start-ups.

Von Frank Jansen

Homeoffice ist in der Coronakrise offenbar nicht nur eine Chance für viele Unternehmen, sondern auch ein Risiko. Die Angriffsfläche für Wirtschaftsspionage ausländischer Nachrichtendienste und weiterer Akteure „ist breiter geworden“, warnte am Mittwoch Volker Wagner, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands der Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft (ASW) bei der gemeinsamen, virtuellen 14. Sicherheitstagung mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV).

Dessen Vizepräsident Sinan Selen sprach von „Sachverhalten“, bei denen mobile IT als Element für Angriffe genutzt wurde. Mit mobiler IT sind unter anderem Laptops gemeint.

„Homeoffice ist ein Angriffssektor, den wir im Blick behalten müssen“, sagte Selen. Die Aktivitäten gegnerischer Nachrichtendienste hätten auch im Corona-Jahr „erheblich zugenommen“. Wagner kritisierte angesichts des Spionagerisikos, „es ist erschreckend, wie lange einige Unternehmen brauchen, um Software-Updates einzuspielen“. Besonders sicherheitssensible Firmen verzichten indes auf Homeoffice.

„Man wüsste nicht, wer zuhause zugreift, das Risiko ist viel zu hoch“, sagte Roland Feil, Geschäftsführer von Dallmeier Systems. Das Unternehmen befasst sich mit Videosicherheitsprojekten.

Je kleiner ein Unternehmen, desto größer die Gefahr eines Angriffs

Große Probleme, sich vor Wirtschaftsspionage zu schützen, haben vor allem kleine Unternehmen, auch ohne Corona. Bei der Tagung wurde auf Start-ups verwiesen, deren innovative Produkte für Konkurrenz in China und anderen Staaten hochinteressant sind. Doch Start-ups haben oft nur wenige Mitarbeiter und nicht genug Geld, um sich gegen Spionage zu wappnen. Der Spielraum für „technische Präventionsmaßnahmen“ sei gering, sagte Michael Kilchling vom Max-Planck-Institut. Er brachte das Dilemma auf die Formel, „je kleiner ein Unternehmen, desto größer die Möglichkeit, dass es erfolgreich angegriffen wird“.

Den Schaden, den die deutsche Wirtschaft durch Spionage und Sabotage erleidet, bezifferte der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikationswirtschaft und neue Medien (Bitkom) 2019 mit mehr als 100 Milliarden Euro. Eine kritische Lage schilderte nun auch der ASW-Vorsitzende Wagner. „Neun von zehn Unternehmen geben an, von Angriffen betroffen zu sein.“ Ein Schwerpunkt sind aktuell Spionageattacken auf Hersteller von Impfstoff zum Schutz vor dem Coronavirus. „Wir müssen davon ausgehen, dass jeder scharf ist auf Informationen“, sagte Wagner.

Verfassungsschutz warnt vor „Privatisierung“ der Spionage

Wirtschaftsspionage wird zudem, nicht erst seit Corona, komplexer und tückischer. BfV-Vizepräsident Selen sprach von einer „Privatisierung“ der Ausspähung durch andere Staaten. Neben die klassischen Akteure träten Unternehmen, Einzelpersonen und Stiftungen, die auch mit nachrichtendienstlichen Methoden agieren. „Die haben keinen Dienstausweis in der Tasche, aber ganz klar eine staatliche Agenda“, sagte Selen. China und Russland wurden bei der Tagung mehrmals genannt, Selen mahnte jedoch, den Blick auf andere Staaten zu weiten. Selen wie auch BfV-Präsident

Thomas Haldenwang, der ein Grußwort sprach, appellierten an die Wirtschaft, gegen die Spionagegefahr mit dem Verfassungsschutz zu kooperieren. Beide betonten, der Nachrichtendienst könne schon beim Verdacht auf einen Angriff helfen, lange bevor Polizei und Staatsanwaltschaft eine Straftat feststellen. Förmliche Ermittlungsverfahren werden von Unternehmen oft gescheut, da sie Schäden für ihren Ruf befürchten.

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