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„Wird Weihnachten nicht überstehen“: Grüne rechnen mit Schuldenbremsen-Aus auch für 2023

Um die Bürger vor den steigenden Energiekosten zu entlasten, müssten neue Schulden aufgenommen werden, sagt Grünen-Politiker Trittin: "Das wissen auch alle."


Nach den jüngsten Zusagen von Kanzler Olaf Scholz (SPD), dass es wegen der stark gestiegenen Energiepreise weitere Milliardenhilfen für die Bürger geben soll, rechnen führende Grünen-Politiker mit einem Aussetzen der Schuldenbremse auch im Jahr 2023. „Diese Schuldenbremse wird Weihnachten nicht überstehen. Das ist so, das wissen auch alle“, sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Jürgen Trittin dem „Tagesspiegel“. Er begründete das mit für die Bürger um mehrere tausend Euro steigenden Energiekosten.
Auch auf Austerität setzende Ökonomen würden das Aussetzen befürworten. „Man muss in so einer Situation gezielt diejenigen entlasten, die davon besonders betroffen sind, im Übrigen auch die Mittelschicht“, betonte Trittin an die Adresse von Finanzminister Christian Lindner (FDP), der sich bisher gegen ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse stemmt und den Rotstift ansetzen will. „Nichts zu tun, wäre auch im außenpolitischen Sinne nicht klug. Der Umstand, dass wir in vielen Ländern mittlerweile eine Abkehr von der Sanktionspolitik erleben, geradezu ein aggressives Ablehnen der Sanktionen, hat damit zu tun, dass die Menschen sich mit den Folgen dieser Geschichte allein gelassen fühlen“, betonte Trittin. „Und deswegen ist der Satz des Bundeskanzlers auch richtig: You’ll never walk alone“. Aber der muss dann jetzt mit Inhalten unterlegt werden.“

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Trittin kritisierte, dass die FDP sich gegen eine Übergewinnsteuer stemme, um die Einnahmeseite zu stärken. „Spanien nimmt über die Übergewinnsteuer von ihren Energie- und Mineralölunternehmen sieben Milliarden Euro an Einnahmen. Die finanzieren dann zum Teil ihren Gaspreisdeckel mit."

Trittin betonte, wenn man sich nicht einigen könne, dann bleib es bei dem, was verabredet sei. „Und wir haben verabredet, wir machen keine Steuererhöhungen. Wir haben auch verabredet, wir steigen aus der Atomenergie aus. Das ist die vereinbarte Grundlage. Und gerade in schwierigen Zeiten rate ich immer dazu: Wir bleiben bei dem, was wir verabredet haben.“

Trittin: Bayern soll mehr Gas sparen

Sollte seine sich seine Partei doch für längere Laufzeiten der Atomkraftwerke aussprechen, bräuchte es notfalls einen Parteitag der Grünen, sagte der frühere Bundesumweltminister weiter. „Wenn man ernsthaft eine Änderung des Atomgesetzes wollte, wird das ohne Parteitag nicht gehen“, sagte Trittin dem „Tagesspiegel“ Und weiter: „Ob das ein Sonderparteitag sein muss oder ob wir das auf dem regulären im Oktober machen könnten, ist eine andere Frage.“

Trittin stellte sich klar gegen längere Laufzeiten: „Auch ein Streckbetrieb ist eine Laufzeitverlängerung. Dafür müssen wir das Atomgesetz ändern. Und das werden wir nicht anfassen, auch wenn die FDP dann hofft, mit der Union zusammen alles mögliche da neu rein zu verhandeln“, sagte Trittin. „Wenn ich jetzt lese, wir sollten uns endlich zur Kernenergie bekennen, oder dass ein Robert Habeck kanzlerfähig wäre, wenn er sich vom Atomausstieg verabschiedet. Ja, wo leben wir denn? [...] Also manchmal gebiert das Sommerloch schon kuriose Blüten.“
Trittin sprach von einer Kampagne und forderte vom bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), dass er lieber das Stromsparen voranbringen solle. „Wenn, dann haben wir ein regionales Problem, und zwar in Bayern. Und ich sage den Bayern: Man kann da ganz viel machen, vor allem Stromsparen.“ Eine Studie über den Stromverbrauch in Deutschland habe ergeben, dass die meisten Städte mit der größten Stromverschwendung in Bayern liegen.

„In einer Krise muss dann einiges auf den Prüfstand", findet Trittin. "Zum Beispiel, dass im Winter die bayerischen Alpen mit Schneekanonen beschneit werden." Bayern habe ein gigantisches Stromsparpotenzial, das weit über dem liege, was Isar 2 liefern könnte. Das wäre doch eine große Aufgabe für die bayerische Staatsregierung, dieses Potenzial beispielhaft für Deutschland zu heben. „Es gibt viele pragmatische Lösungen, die alle besser sind als Atomkraftwerke zu betreiben, deren Strom am Ende nach Frankreich exportiert wird, weil deren Meiler altersschwach sind.“

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