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In Deutschland haben im vergangenen Jahr nur 932 Menschen ihre Organe gespendet.

© Waltraud Grubitzsch/dpa

Update

Wird der Organspendeausweis überflüssig?: Die wichtigsten Fakten zur erweiterten Zustimmungslösung

Deutschland hat seine Regelung zur Organspende reformiert. Wichtige Neuerung ist ein Online-Register aller Organspender. Die wichtigsten Fakten.

Die Entscheidung zur Organspende wird in Deutschland weiterhin freiwillig bleiben. Das hat der Bundestag am Donnerstag beschlossen. Für die sogenannte Zustimmungslösung zur Organspende haben 382 Abgeordnete gestimmt, dagegen votierten 261. Insgesamt hatten 671 Abgeordnete ihre Stimmkarte abgegeben. Zuvor war der Vorschlag von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), die sogenannte Widerspruchslösung, abgelehnt worden. 

Was die Bürger jetzt zur Organspende wissen müssen:

Die Zustimmungslösung ist eine Weiterentwicklung der aktuell geltenden Entscheidungsregelung. Sie setzt stärker auf die Aufklärung der Bevölkerung und darauf, dass das 2019 geänderte Transplantationsgesetz ausreicht, um die Zahl der Organspender zu erhöhen. Die Kirchen, Patientenschützer und Ethiker unterstützten diesen Vorschlag, für den sich unter anderen Grünen-Chefin Annalena Baerbock eingesetzt hatte.

Wie im Vorschlag von Gesundheitsminister Jens Spahn soll es ein bundesweites Register geben, in dem die Entscheidung zur Organspende dokumentiert wird. Bürger sollen sie dort einfach und schnell selbst eintragen, ändern und widerrufen können. Hausärzte sollen ihre Patienten zur Organspende beraten und zu einer Entscheidung ermutigen.

Außerdem: Jeder, der seinen Ausweis erneuern lässt, soll nach seiner Einstellung gefragt werden. Ärzte wüssten so im Notfall schneller als bisher, ob der jeweilige Patient einer Organspende zugestimmt hat oder nicht. Die Rolle der Angehörigen verändert sich mit der Zustimmungslösung nicht – sie könnten immer noch über eine Organspende entscheiden, wenn der Wille des Patienten nicht bekannt ist.

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Was wird aus dem Organspendeausweis?

Mit dem Online-Register wird theoretisch der Organspendeausweis überflüssig: Die Ärzte müssen nicht mehr die Taschen eines Verstorbenen durchsuchen nach dieser Pappkarte, sondern können online nachschauen, ob der oder die Betreffende als Organspender vermerkt ist.

Darauf hatte auch Grünen-Chefin Annalena Baerbock hingewiesen, als sie im Bundestag für diese Lösung geworben hatte: Als potentieller Spender müsse man nicht mehr sicherstellen, dass man den Organspendeausweis immer dabei habe. Das sei etwa schwierig, wenn man wie sie ein Kleid trage, in das keine Brieftasche passe, argumentierte sie.

Der Organspendeausweis wird aber dennoch bleiben. Er wird sogar in dem nun beschlossenen Gesetzentwurf (hier als pdf) explizit erwähnt: Behörden sollen allen Menschen, die einen neuen Pass oder Personalausweis beantragen, einen Organspendeausweis mitgeben. Damit ist der Organspendeausweis ein zusätzliches System neben dem Online-Register, um sicherzustellen, dass ein Spendenwilliger auch als Spender erkannt wird.

Das waren die wichtigsten Argumente gegen die von Gesundheitsminister Jens Spahn vorgeschlagene Widerspruchslösung bei der Organspende:

1. Eingriff in die menschliche Würde
Für die Kirchen ist die Widerspruchslösung der „staatliche Zugriff auf den menschlichen Körper“. Der Vorschlag werfe „erhebliche rechtliche, ethische und seelsorgliche Fragen auf“.  Für Grünen-Chefin Annalena Baerbock ist die Widerspruchsregelung ein Eingriff in die Selbstbestimmung des Einzelnen.

Denn „die Entscheidung berührt die grundlegende Frage, wie wir uns den eigenen Tod vorstellen“, schreibt sie in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

2. Staatlicher Zwang zur Organspende
Kritiker sprechen häufig vom „Zwang zur Organspende“. Eine so tiefgreifende Entscheidung sollte freiwillig und bewusst getroffen werden. Der Staat würde sonst in eine sehr persönliche Entscheidung eingreifen.

Spahn hatte argumentiert, dass die Widerspruchslösung die Deutschen lediglich dazu zwingt, sich einmal im Leben mit der Organspende auseinanderzusetzen. Wer nicht spenden möchte, kann widersprechen.

Den Vorstand der DSO ärgert die Debatte über die erzwungene Organspende – sie sei polemisch und irreführend. „Ich finde das sehr schade, denn für eine solche Polemik ist das Thema Organspende nicht geeignet. Dafür steht viel zu viel auf dem Spiel – es geht um das Leben von Patienten.“

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3. Schweigen ist keine Zustimmung
Der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats Peter Dabrock sieht in der Widerspruchslösung einen „gefährlichen Paradigmenwechsel“, wie er in einer Stellungnahme für den Bundestag erklärt. Normalerweise sei die Einwilligung eines informierten Patienten „Goldstandard“ . Bei der Widerspruchslösung werde sie einfach umgangen. Dabrock warnt, Schweigen nicht als Zustimmung zu sehen.

4. Angehörige werden übergangen
Während sich Befürworter der Widerspruchslösung auf eine Entlastung der Angehörigen berufen, wirft die Deutsche Stiftung Patientenschutz ein, dass Angehörige die Organspende oft erst ermöglicht. Die Angehörigen sollten nicht zu reinen Vermittlern werden, sondern weiterhin in die Entscheidung miteinbezogen werden.
5.  Kein Garant für mehr Spender
In vielen europäischen Ländern gilt eine Form der Widerspruchslösung. In Spanien, Belgien oder Kroatien gibt es auch eine hohe Anzahl an Organspendern. Die Widerspruchslösung führt allerdings nicht automatisch zu mehr Organspendern. (Tsp)

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