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Lachten oft um die Wette: Gerhard Schröder und Wladimir Putin in besseren Tagen, hier 2005 bei der Unterzeichnung des Vertrags über den Bau der Gaspipeline.

© Bernd Settnik/dpa

Wird der Ex-Kanzler aus der Partei geworfen?: SPD-Schiedskommission will in drei Wochen über Schröder entscheiden

Der Angriffskrieg Russlands hat die Lobbyarbeit des Ex-Kanzlers und seine Freundschaft zu Putin zum Skandal gemacht. Reicht das, um ihn aus der SPD zu schmeißen?

Von Hans Monath

Der, um den sich alles in diesem Verfahren dreht, war nicht gekommen: In Abwesenheit von Gerhard Schröder hat am Donnerstag in Hannover die Anhörung um den Ausschluss des früheren Kanzlers aus der SPD begonnen. Die Führung und große Teile seiner eigenen Partei würden ihn am liebsten loswerden.

Der brutale Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat die Freundschaft des Sozialdemokraten aus Hannover zu Russlands Präsident Wladimir Putin und seine jahrelange, gut bezahlte Lobbyarbeit in ihren Augen zu einem Skandal gemacht. Und der eher uneinsichtige Altkanzler schürte die Empörung noch, als er seinen Freund im Kreml nach Bekanntwerden der Gräueltaten in Butscha nahe Kiew noch in Schutz nahm.

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Die Absetzbewegung hat ein rasantes Tempo erreicht: Kommunen wollen ihm die Ehrenbürgerwürde aberkennen; Firmen verzichten auf seine wohl gut dotierte Beratung; der Bundestag sperrt die Mittel für sein Altkanzler-Büro. Und nun das Parteiordnungsverfahren: Bei dem Termin am Donnerstag sollten 17 Anträge von Kreis- und Ortsverbänden gegen Schröder verhandelt werden, teilte der SPD-Parteibezirk Hannover mit. 

Nach der verlorenen Bundestagswahl im Herbst 2005 war Schröder nur ein halbes Jahr später Vorsitzender des Gesellschafterausschusses beim Betreiber der Ostsee-Pipeline, der Nord Stream AG, geworden – jener Pipeline, die nun wegen Wartungsarbeiten kein Gas liefert und die Putin als politische Waffe nutzt.

Es folgten Engagements als Präsident des Verwaltungsrats bei Nord Stream 2 (ernannt 2016) und als Aufsichtsrat beim russischen Ölkonzern Rosneft (2017-2022). Nach der russischen Annexion der Krim 2014 stellte Schröder zwar fest, Putin verstoße damit gegen das Völkerrecht.

Dennoch wolle er Putin, der „Einkreisungsängste“ habe, nicht verurteilen – eine Übernahme oder Bestätigung der russischen Vorwürfe, wonach die Nato mit ihrer Osterweiterung die Probleme erst geschaffen habe. Seinen Posten bei Nord Stream behielt der Altkanzler.

Am Donnerstag hielt die Schiedskommission des SPD-Unterbezirks Region Hannover ihre erste Anhörung ab, nach zweieinhalb Stunden wurde die Sitzung vertagt.
Am Donnerstag hielt die Schiedskommission des SPD-Unterbezirks Region Hannover ihre erste Anhörung ab, nach zweieinhalb Stunden wurde die Sitzung vertagt.

© Ole Spata/dpa

Selbst nach Russlands Angriff auf die gesamte Ukraine im Februar diesen Jahres dauerte es Monate, bis Schröder sich bei Rosneft zurückzog. Sein Büro und seine Mitarbeiter war der Altkanzler da nach einem Bundestagsbeschluss schon los. Sein Vermittlungsversuch in Moskau, ohne Abstimmung mit der Bundesregierung, scheiterte. Auch einen Aufsichtsratsposten bei Gazprom lehnt er jetzt ab.

Dennoch blieben seine Aussagen zum Ukraine-Krieg eher russlandfreundlich. So teilte Schröder zwar mit, es sei die „Verantwortung der russischen Regierung“, den Krieg zu beenden. Die Verbindungen zu Russland dürften aber nicht komplett gekappt werden.

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Diese Linie hält der SPD-Mann nach wie vor: Vor wenigen Tagen sagte er der FAZ, er wolle seinen Draht zu Putin weiter aufrechterhalten und glaube nicht an eine militärische Lösung in der Ukraine: „Der Krieg ist nur durch diplomatische Verhandlungen zu beenden“. Und er kritisierte in dem Gespräch die Ukraine. 

Viele in der SPD sind davon tief enttäuscht, enttäuscht von ihrem markigen und erfolgreichen Idol, das sie einst von Wahlsieg zu Wahlsieg führte. „Traurig“ – dieses Wort ist in der Partei häufiger zu hören, wenn es darum geht, wie sich Schröder heute verhält. Eine Entscheidung über eine Parteistrafe – eine Rüge oder mehr – erging am Donnerstag nicht. Die Schiedskommission will sich dazu erst im Laufe der nächsten drei Wochen äußern. Juristisch aber, das ist hinter vorgehaltener Hand zu hören, gilt ein Ausschluss als äußerst unwahrscheinlich. Dafür müsste dem Politiker nachgewiesen werden, dass er der Partei bewusst geschadet hat.

Wird Schröder in künftigen Geschichtsbüchern nur als Gehilfe des Despoten Putin auftauchen? Frank Bösch, Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung in Potsdam, warnte kürzlich davor, beim Urteil über den SPD-Kanzlers dessen Verdienste in seiner Zeit als Chef der rot-grünen Koalition zu vergessen, etwa die Sozial- und Arbeitsmarktreform Agenda 2010 oder sein Nein zum Irakkrieg.

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"Wenngleich sich Schröders wirtschaftsfreundliche Politik gegenüber vielen Autokratien früh zeigte, nicht zuletzt gegenüber China, geht die rot-grüne Regierungszeit in dieser Deutung nicht auf“, sagte Bösch. Wenn das stimmt, dann wird, egal wie das Parteiordnungsverfahren ausgeht, von dem Kanzler mehr in Erinnerung bleiben als seine Freundschaft mit Kriegsverbrecher Putin. (mit dpa)

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