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Politik: „Wir wollen von Polen lernen“

Rumäniens Regierungschef Nastase über den Weg nach Europa

Herr Ministerpräsident, Ihre Regierung hat eines von zwei großen Zielen erreicht: Die Nato wird Rumänien einladen, der Allianz beizutreten. Was versprechen sich die Rumänen davon?

Die Entscheidung in Prag war für mein Land in psychologischer Hinsicht von großer Bedeutung. Die Rumänen waren nach dem Zweiten Weltkrieg sehr frustriert. Sie haben ihr Land als Pufferzone zwischen West und Osteuropa betrachtet. Der Nato-Gipfel war deshalb ein wichtiges Signal. Und natürlich versprechen sich die Bürger einiges von der Mitgliedschaft. Die Hoffnung ist, dass wir näher an Westeuropa und die USA heranrücken, dass daraus ein höherer Lebensstandard resultiert. Die Erwartungen bei einigen sind ziemlich hoch.

Ihr zweites großes Ziel ist der Beitritt zur EU im Jahr 2007. Viele sind der Ansicht, Rumänien sei noch nicht reif dafür …

Wir leugnen nicht, dass es noch einiges zu tun gibt. Aber wir haben bewiesen, dass wir ziemlich dynamisch sind. Unser Wirtschaftswachstum lag im vergangenen Jahr bei 5,3 Prozent, das höchste in Südwesteuropa, für dieses Jahr erwarten wir eine Quote zwischen 4,7 und fünf Prozent. Der Handel mit Ländern der EU ist auf den höchsten Stand gestiegen, und wir hatten noch nie so viele ausländische Investitionen in Rumänien. Auch internationale Rating-Agenturen bescheinigen uns, dass sich das wirtschaftliche Klima verbessert hat. Allein mit deutschen Firmen gibt es rund 10 000 Joint-Ventures.

Aber lebt nicht fast die Hälfte Ihrer Bevölkerung nach wie vor von der Landwirtschaft, produziert mit veralteten Methoden?

Das ist zugegebenermaßen ein Problem. Wir wollen in diesem Punkt von den EU-Verhandlungen mit Polen lernen. Und es gibt ein ganzes Paket von Investitionen in einem Programm zur Modernisierung der ländlichen Regionen.

Ausländische Investoren klagen über fehlende Rechtssicherheit …

Es stimmt, wir müssen unsere Gesetzgebung den EU-Standards weiter anpassen. Einige Änderungen sind absolut notwendig. Aber auch in diesem Bereich machen wir große Fortschritte, die uns auch die Kommission bestätigt.

Die auch die Korruption in Ihrem Land kritisiert. Was unternehmen Sie dagegen?

Wichtig ist, dass die Verfahren transparenter werden. Daher stellen wir inzwischen alle Beschlüsse der Regierung ins Internet. Der Übergang zur Privatwirtschaft fördert die Korruption, deswegen müssen wir dies schnell abschließen. Wir haben einen Anti-Korruptions-Staatsanwalt eingesetzt und planen gerade ein Anti-Korruptionsprogramm. Aber kurzfristig lassen sich keine spektakulären Erfolge erzielen.

Beim Streit um den Internationalen Gerichtshof ICC zwischen den USA und der EU hat Rumänien als erstes Land ein Immunitätsabkommen mit Washington geschlossen. Brüssel war über dieses Verhalten eines zukünftigen Beitrittskandidaten nicht gerade begeistert …

Wir hatten unseren Kollegen bei der EU klar gemacht, dass für uns besonders nach der Enttäuschung beim Nato-Gipfel 1997 eine Aufnahme in Prag besonders wichtig sein würde. Als wir das Abkommen mit den USA schlossen, war uns nicht klar, dass die Frage der europäischen Identität so wichtig und der ICC ein so sensibles Thema werden würde. Wir haben daher gemeinsam mit unseren US-Kollegen entschieden, das Abkommen zunächst nicht im Parlament zu ratifizieren, bis ein Modus Vivendi zwischen der EU und den USA gefunden ist. Ich denke, die Sache ist jetzt erledigt. Wir haben ein exzellentes Verhältnis zu den Mitgliedsländern und der EU-Kommission.

Ein EU-Beitritt der Türkei wird kontrovers diskutiert. Wie ist Ihre Position?

Ich zähle zu den Befürwortern. Die Türkei befindet sich in einer Phase des politischen Umbruchs. Das Land versucht, seine eigene Identität wieder aufzubauen und die Verbindungen zu Westeuropa zu intensivieren – speziell jetzt nach der Wahl. Meiner Meinung nach darf die Türkei nicht allein gelassen werden. Entweder, das Land wird ein Teil der westlichen Wertegesellschaft oder es wird sich enger mit konservativ-islamistischen Kräften verbinden.

Das Gespräch führte Sven Lemkemeyer.

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