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CSU-Generalsekretär Markus Blume.

© imago images/Rolf Poss

„Wir wollen keine Scheindebatten wiederkäuen“: CSU-Generalsekretär Blume warnt vor Gender-Diskussion im Wahlkampf

CSU-Generalsekretär Markus Blume spricht im Interview über den Wahlkampf der Union, die Verteuerung des Benzinpreises und die FDP als „gefährliche Wundertüte“.

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Herr Blume, wie viel teurer wird das Benzin mit der Union?
Das hängt davon ab, auf welchen Verteuerungspfad wir uns für CO2 in Deutschland verständigen. Fakt ist, CO2 muss so bepreist werden, dass die schädlichen Treibhausgas-Emissionen schneller sinken. Aber dabei dürfen die Belastungen der Bevölkerung nicht zu hoch sein.

So nebulös formulieren Sie es auch im Wahlprogramm. Dabei ist doch jedem klar: Die Benzinpreise steigen auch mit der Union.
Das Ende des fossilen Zeitalters kommt unumstößlich. Die Transformation bei der Mobilität, beim Wohnen, bei der Energie – die ist ja in vollem Gange. Immer mehr Automobilbauer kündigen an, aus dem Verbrenner auszusteigen. Überall da, wo wir den Umstieg noch beschleunigen oder erleichtern können, tun wir das. Aber wir wollen niemanden zwingen. Klar ist: Mobilität darf nicht zum Luxus werden. Wo Belastungen unvermeidbar sind, wollen wir diese gezielt kompensieren. Zum Beispiel mit der Pendlerpauschale.

Die amtierende Regierung hat einen CO2-Preis beschlossen, der bis 2025 das Benzin um 15 Cent verteuert.  Als Annalena Baerbock eine Erhöhung um 16 Cent bis 2023 forderte, haben Sie sie scharf attackiert. Für einen mickerigen Cent und zwei Jahre Unterschied?
Die Grünen sehen 16 Cent Mehrpreis für den Liter als Untergrenze. Sie sehen das als Teil ihres Feldzugs gegen das Auto. Die Grünen wollen, dass wir uns anders fortbewegen. Da sagen wir: Das ist nicht unser Weg. Wir wollen individuelle Mobilität erhalten und nicht den ländlichen Raum abhängen. Wir wollen Klima schützen, aber auch Arbeitsplätze sichern.

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Aber nur mit einem CO2-Preissystem und der Hoffnung auf technischen Fortschritt sind die Klimaziele nicht zu erreichen. Wieso fehlen im Unionsprogramm konkrete Schritte, etwa ein früherer Kohleausstieg oder ein Enddatum für den Verbrennungsmotor?
Das sehe ich anders: Das Wahlprogramm der Union strotzt nur so vor klaren Positionen und Zielen. In der Mobilität wollen wir einen Fahrplan zur emissionsfreien Mobilität. In der Haushaltspolitik wollen wir zurück zur schwarzen Null. Und in der Steuer- und Wirtschaftspolitik wollen wir alles tun, um nachhaltiges Wachstum anzuregen. Es ist ein Wachstum, das versöhnt und einhergeht mit gesundem Leben und intakter Umwelt.

Wachstum soll die Umwelt retten und auch noch alle Pläne der Union finanzieren – ist das nicht Prinzip Hoffnung statt Politik?
Deutschland geht gerade durch die größte Krise nach dem zweiten Weltkrieg. Da kommt man nur mit einem positiven und optimistischen Blick raus. Es ist aus finanzpolitischer Perspektive zwingend notwendig, dass wir jetzt durchstarten. Deswegen sind Steuererhöhungen totales Gift. Am Ende brauchen wir dasselbe Rezept wie nach der Finanzkrise vor etwas mehr als zehn Jahren. Deutschland hatte danach ein Jahrzehnt außerordentlichen Wachstums. Wir haben es geschafft, aus dem riesigen Schuldenberg wieder rauszuwachsen. Das wollen wir wiederholen.

Aber selbst im besten Fall braucht das Zeit. Ökonomen haben ausgerechnet, dass das Unionsprogramm mindestens 100 Milliarden Euro kosten würde. Warum haben Sie nicht wenigstens nach Wichtigkeit priorisiert?
Weil wir in einer Zeit leben, in der sich die Welt in wenigen Monaten dramatisch verändern kann. Nur nach einem Corona-Kassensturz können wir ehrlich unsere Spielräume beurteilen.

Sind die Haushälter der Union in der eigenen Regierung so schlecht im Bild?
Das Vertrauen in den Bundesfinanzminister hat in den letzten Wochen und Monaten stark gelitten. Die Art und Weise, wie er mit Milliardenbeträgen relativ freihändig jongliert hat, ist nicht vertrauensfördernd. Und wir müssen auch in den Sozialversicherungen erst einmal Bilanz ziehen.

CSU-Chef Markus Söder spricht neben neben Markus Blume, dem CSU-Generalsekretär.
CSU-Chef Markus Söder spricht neben neben Markus Blume, dem CSU-Generalsekretär.

© dpa

Im separaten Bayern-Plan will die CSU fordern, dass Homeoffice-Pauschale und niedrige Mehrwertsteuer für die Gastronomie bleiben und die Mütterrente ausgeweitet wird. Wieso können Sie dort Milliardensummen schon vor dem Kassensturz versprechen?
Weil die CSU auch eine Partei des Mutes ist, nämlich das richtige zu tun, wenn es andere noch für unmöglich halten.

„Partei des Mutes“ – im Gegensatz zur Schwesterpartei der Mutlosigkeit?
Nein. Als Union sind wir die Parteienfamilie von Stabilität und Erneuerung. Die Leute wollen nicht, dass in Deutschland alles anders wird. Sie sehnen sich danach, dass wir weiterhin gut durch diese bewegten Zeiten steuern. Neben der Stabilität müssen die Segel aber auch auf Veränderung gesetzt werden. Und das gilt nicht nur für die Dinge, die sich in der Pandemie als unzulänglich erwiesen haben wie nicht funktionierende Apps oder Verwaltungsprozesse, die ein Durchstarten blockieren statt es zu erleichtern.

Wollten Markus Söder und die CSU nicht ohnehin einen zackigeren Wahlkampf?
Wir wollen am Ende Erfolg. Die Union hat seit einigen Wochen deutlichen Rückenwind: Armin Laschet ist inzwischen in allen Umfragen stärkster Kanzlerkandidat. Und Markus Söders Popularität in ganz Deutschland ist ungebrochen. Gleichzeitig stelle ich fest: Annalena Baerbock ist abgetaucht. Wahrscheinlich ist sie immer noch mit ihrem Lebenslauf beschäftigt. Und von Olaf Scholz habe ich auch erst wieder etwas gehört, als er mit den Ungereimtheiten im Wirecard-Untersuchungsausschuss zu kämpfen hatte. Die Kanzlerkandidaten von SPD und Grünen sind mit sich selbst beschäftigt. Die Union richtet den Blick nach vorn.

Sie haben im letzten Bayern-Wahlkampf unterschiedliche Kampagnen für Stadt und Land konzipiert. Soll es das im Bundeswahlkampf auch geben?
Selbstverständlich. Deutschland differenziert sich im Moment ungeheuer aus. Wir haben unterschiedliche Geschwindigkeiten und Lebenslagen. Die Aufgabe der Union ist es, trotzdem allen bürgerlichen Überzeugungen in diesem Land Heimat zu geben, völlig unabhängig vom Wohnort, von Beruf, von Lebensstilen oder sexueller Orientierung.

Klingt schön tolerant, aber in der Realität geben oft Christdemokraten den Ton an, die zum Beispiel das Gendern verbieten wollen.
Als Volkspartei der Mitte sind wir keine Partei des Entweder-oder, sondern des Sowohl–als-auch. Selbstverständlich wollen wir politische Heimat für unsere Stammwähler sein, die uns seit Jahrzehnten die Treue halten. Aber gleichzeitig müssen wir uns auch für neue Wählergruppen öffnen, schon weil Stammwähler ja nicht automatisch nachwachsen. Identitätsthemen sind wichtig, aber wir dürfen uns in ihnen nicht erschöpfen, weil es diesmal um viel mehr geht. Am 26. September wird über die nächste Ära entschieden, nicht nur für Deutschland, sondern auch für Europa. Wir wollen, dass diese neue Ära weiterhin die Handschrift der Union trägt.

Wir glauben eher, Sie wollen keine Identitätsdebatte führen, weil dabei nur AfD und Grüne gewinnen!
Wir sind eine Partei, die immer sehr stark aus der Identität gelebt hat. Wir haben da keinen Nachholbedarf, im Gegensatz zu linken Parteien. Wir sind gleichermaßen liberale Großstadtpartei und konservative Bewahrerin der Traditionen des ländlichen Raums. Wir sind so bunt und vielfältig wie Bayern. Aber die großen Zukunftsfragen sind im Moment andere. Und die wollen wir angehen und nicht Scheindebatten wiederkäuen, in denen die Grundpositionen längst klar sind.

Wer regieren will, braucht Partner. Welche wären Ihnen denn am liebsten?
Bevor wir überhaupt in die Situation der Partnerwahl kommen, bleibt es zunächst unsere Aufgabe, die Union so stark wie möglich zu machen. Wir wollen als CSU alle Wahlkreise direkt gewinnen und insgesamt sicherstellen, dass in Deutschland keine Regierung gegen die Union gebildet werden kann.

Das heißt: 30 plus X?
Das heißt in jedem Fall 30 plus x und in Bayern natürlich noch 'ne Schippe obendrauf.

Sie warnen in einer Broschüre für Wahlkämpfer ausdrücklich vor der FDP: Die sei eine „politische Wundertüte“, bei der man nicht wisse, wem sie am Ende zur Mehrheit verhelfe.
Wer möchte, dass die Union die Bundesregierung anführt, der darf an der Wahlurne keine Experimente machen. Mit der FDP sind auch Konstellationen ohne die Union möglich. Christian Lindner hat das bisher nicht ausdrücklich ausgeschlossen.

Ist es dann klug von Armin Laschet, die FDP dauernd zu loben?
Unser Grundansatz heißt: Wir führen keinen Koalitionswahlkampf, sondern schauen auf uns und eine starke CDU und CSU.

Dann ist es doch doppelt falsch, wenn Laschet in NRW mit Christian Lindner zusammen Schwarz-Gelb feiert?
Er regiert dort erfolgreich. Im Bund haben wir als Union keine Stimme zu verschenken, weder Erst- noch Zweitstimme. Es darf auch keine Leihstimmen geben. Jede Stimme, die nicht für die Union abgegeben wird, ist potenziell eine Stimme für eine andere Mehrheit.

Gerade in Ostdeutschland glauben manche Christdemokraten, dass es dafür auch Stimmen von AfD-Sympathisanten braucht. Kann man, um ein Bild von Ihnen abzuwandeln, einem Stinktier das Stinken abgewöhnen und es als Haustier zu sich holen?
Ich finde, Rainer Haseloff hat doch in Sachsen-Anhalt für ein sauberes Unionsprofil gesorgt. Er hat erstens auch dezidiert konservative Positionen vertreten und zweitens sich ganz klar und hart von der AfD abgegrenzt. Wo versucht wurde, die Grenze zu verwässern, hat er immer wieder Pflöcke eingeschlagen. Das sollten wir als Union insgesamt beherzigen, so wie wir das als CSU mit Markus Söder erfolgreich praktizieren. Gegenüber Radikalen und Extremisten ist nur eines richtig: klare Kante und null Toleranz.

Was wäre denn so eine Position der Union, mit der sie AfD-nahe Wähler zurückholen könnte?
Mit der Union muss keiner Verlustängste haben. Nehmen Sie das Aufregerthema des letzten Wahlkampfs, die Frage der Migration. In unserem Programm steht ganz klar, was wir wollen - aber auch, was wir nicht wollen. Mit der Union bleibt es beim Prinzip von Ordnung und Steuerung der Migration. Wir werden keine Ausweitung des Familiennachzugs akzeptieren, wie ihn die Grünen und die SPD wollen. Wir fordern schnellere Abschiebungen und die Ausweitung sicherer Herkunftsstaaten.

Kein Interview in diesen Tagen ohne die aktuelle Krise: Könnte eine vierte Corona-Welle im Herbst den Wahlkampf beeinträchtigen?
Bei Corona haben wir gelernt: Alles ist möglich - im positiven wie leider auch im negativen Sinne. Jeder, der in Europa dachte, Corona wäre vorbei, musste das bitter bezahlen. In Großbritannien sind mehr Menschen geimpft als bei uns. Trotzdem springen dort die Infektionen wieder in die Höhe. Wir brauchen jetzt in Deutschland nicht in Panik zu verfallen, sondern müssen noch einmal den Impfturbo einlegen und vorsichtig bleiben. Und wenn sich tatsächlich im Herbst erneut eine Infektionswelle aufbauen sollte, gibt es keinen Lockdown-Automatismus mehr. Dank umfassendem Impfschutz und massenhafter Testkapazitäten sollten uns dann andere Möglichkeiten zur Verfügung stehen.   

Vom Verzicht auf Maskenpflichten halten Sie nichts?
Masken sind – jenseits des Impfens – der einfachste und effektivste Schutz.

Sind unter diesen Umständen denn EM-Spiele in London mit zehntausenden Zuschauern überhaupt verantwortbar?
Die UEFA ist gefordert, die Situation an den Spielorten noch einmal genau zu prüfen. Wo immer die Gefahr eines Superspreader-Events droht, ist jeder gut beraten, sie mit Vorsicht und Umsicht zu bannen. Die UEFA sollte Vorbild sein, auch im Hinblick auf die Durchführung anderer Großereignisse. Dazu gehört auch, die Maskenpflicht in Stadien durchzusetzen. Niemandem ist geholfen, Europameister im Inzidenz-Höhenflug zu werden. Und was eine Verlegung von Spielen angeht, hat Markus Söder ja schon gesagt: Wir sind in München zu allem bereit

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