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Eine moderne strategische russische Atomrakete vom Typ Topol-M (Nato-Code: SS-27 Sickle B) fährt im Mai 2011 bei der Militärparade zum Tag des Sieges über den Roten Platz in Moskau. 

© picture alliance / dpa | Yuri Kochetkov

„Wir kommen ins Paradies, sie werden sterben”: So glorifiziert das russische Fernsehen einen Atomkrieg

Das russische Fernsehen berichtet nun auch über das Thema Atomwaffen – und berechnet schon mal, wie lange russische Raketen bis nach Berlin brauchen.

Wird Putin im Ukraine-Krieg irgendwann ernst machen und tatsächlich Atomwaffen einsetzen? Nachdem der russische Präsident kurz nach Beginn des russischen Angriffs angedeutet hatte, dass er bereit ist, auch taktische Atomwaffen einzusetzen, ist die Sorge international groß.

Damals warnte Wladimir Putin den Westen davor, sich in den Angriff einzumischen. Anderenfalls hätte das für die betreffenden Länder „Folgen, mit denen sie noch nie konfrontiert“ waren. Gleichzeitig ließ der Kremlchef die eigenen Atomstreitkräfte in erhöhte Alarmbereitschaft versetzen.

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Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnte Russland jüngst davor, die Atomwaffen auch zu gebrauchen. „Unsere Botschaft ist eindeutig: Nach einem Einsatz von Nuklearwaffen würde es auf allen Seiten nur Verlierer geben, sagte Stoltenberg der „Welt am Sonntag“. „Einen Atomkrieg kann man nicht gewinnen und er sollte nie geführt werden, das gilt auch für Russland.“

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Inzwischen hat das Thema Atomkrieg allerdings auch Einzug in die russischen Staatsmedien gehalten. Wie kam es dazu? Die Diskussion darüber begann mit einem großen Interview des russischen Außenministers Sergej Lawrow in der analytischen Sendung „Das große Spiel” vom Ersten Kanal (Pervij Kanal) am 25. April.

Darin sprach Lawrow ausführlich darüber, wie sehr sich die russische Regierung für die Erklärung von Gorbatschow und Reagan aus dem Jahr 1987 eingesetzt hatte, wonach es in einem Atomkrieg keine Gewinner gebe. In der Kubakrise 1962 standen die USA und die Sowjetunion kurz vor einem Atomkrieg. New Start, der Vertrag über die strategische atomare Abrüstung, ist das einzige verbliebene große Abkommen zur Rüstungskontrolle der USA mit Russland.

[Lesen Sie auch: Wie der Westen auf Russlands nukleare Drohungen reagiert (T+)]

Doch die Bedrohung sei nicht verschwunden, sie habe sich noch verschärft: „Die Gefahr ist ernst, sie ist real, sie darf nicht unterschätzt werden”, sagte Sergej Lawrow.

Diesen Satz des russischen Außenministers haben die staatlichen russischen Fernsehsender offenbar zum Anlass genommen, sich intensiver mit dem Thema Atomkrieg auseinanderzusetzen. Bereits am Tag danach sagte die Chefredakteurin von „Russia Today“, Margarita Simonyan, in der Sendung von Vladimir Solovyov auf Russia 1, dass Russland lieber Atomwaffen einsetzen würde, als gegen die Ukraine zu verlieren.

„Das Unwahrscheinlichste, dass es zu einem Atomschlag kommt, scheint mir immer noch wahrscheinlicher zu sein als diese Entwicklung” sagte Simonyan. „Nun, wir kommen ins Paradies, und sie werden einfach sterben”, antwortete der Moderator der Sendung, Solovyov.

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Später wurde auch in seiner eigenen Sendung „Ein Abend mit Wladimir Solowjow” ein möglicher Dritter Weltkrieg diskutiert. Darin sprachen der Moderator und Experten über die Macht der russischen tödlichen Waffen und dass die westlichen Länder dem nichts entgegenzusetzen hätten.

Auch die Sendung „60 Minuten” vom TV-Sender Rossia 1 beschäftigte sich in den nächsten Tagen mit einem möglichen Atomkrieg. Mit einer Infografik wurde den Zuschauern die Flugzeit von RS-28 Sarmat-Raketen in die Hauptstädte der Länder präsentiert, die der Ukraine die meisten Waffen liefern: Von Kaliningrad nach Paris sind es 200 Sekunden, nach London 202 Sekunden, nach Berlin 106 Sekunden.

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Neben dem Interview mit Lawrow provozierte auch die Rede der britischen Außenministerin Liz Truss beim Osterbankett des Lord Mayor in Mansion House eine große Welle der Propaganda-Berichterstattung. Unter anderem sprach sie über den Ausbau der kollektiven Verteidigung und die Nato-Erweiterung.

Zum Hintergrund: Die skandinavischen Länder Schweden und Finnland erwägen einen Nato-Beitritt. Ein Beitritt der beiden Staaten zum Bündnis wäre strategisch von großer Bedeutung. Russland hat deshalb bereits „ernsthafte Konsequenzen“ für den Fall angekündigt. Dann würden russische Streitkräfte an Land, zu Wasser und in der Luft gestärkt und womöglich Nuklearwaffen in der Region stationiert werden.

Das russische Fernsehen reagierte umgehend auf die Rede der britischen Außenministerin. Während einer Nachrichtensendung sagte der Moderator Dmitrij Kiseljow: „Nach den unangemessenen Worten der britischen Außenministerin Liz Truss, dass die spezielle Militäroperation zu einem Konflikt zwischen Russland und der Nato führen könnte, versetzte Präsident Putin unsere nuklearen Abschreckungskräfte in einen besonderen Einsatzmodus. Einfach gesagt, wir sind jetzt bereit.”

Anschließend präsentierte er in der Sendung, wie schnell Russland Großbritannien mit Atomwaffen zerstören könnte.

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Auch in den sozialen Medien wird das Thema immer mehr angesprochen: Auf ihrem Telegram-Kanal schrieb Margarita Simonyan, die „Russia Today“-Chefredakteurin eine Nachricht, in der sie das Luftabwehrsystem in Belgorod kommentierte. „Welche Wahl lasst ihr uns denn, ihr Idioten? Totale Vernichtung der restlichen Ukraine? Ein Atomschlag?”.

Obwohl das Fernsehen die russischen Bürger gezielt Informationen über die angebliche Macht der russischen Ausrüstung verbreitet, weist das Außenministerium die Berichte über Moskaus nukleare Drohungen als unwahr zurück. „Wir können nicht einmal den Gedanken an einen Atomkrieg zulassen”, schrieb die Sprecherin Maria Zakharova auf ihrem Telegram-Kanal.

Sie behauptete, ausländische Medien würden absichtlich antirussische Verleumdungen verbreiten, um die internationale Lage zu destabilisieren: „Diese These wird auferlegt, weil sie die grundlegendsten menschlichen Ängste berührt”.

Russland selber versucht immer wieder, entsprechende Spekulationen von sich zu weisen. Für einen solchen Einsatz gebe es klare Richtlinien in der russischen Atomdoktrin, betonte jüngst Alexej Saizew, ein Sprecher des Außenministeriums, laut der Nachrichtenagentur Interfax. „Sie sind nicht anwendbar für die Verwirklichung der Ziele, die im Rahmen der militärischen Spezialoperation in der Ukraine, gesetzt wurden“, fügte er hinzu. Die russische Atomdoktrin sieht einen Einsatz der Atomwaffen nur bei einer Gefährdung der Existenz des Landes selbst vor.

Anastasia Klimovskaya

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