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Wie kommt mehr Tempo in die deutsche Impfkampagne?

© Friso Gentsch/dpa

„Wir könnten sofort loslegen“: Hausärzte wollen Impfungen komplett übernehmen – Spahn bremst

Heftiger Streit über die Impfkampagne: Die Hausärzte sind entsetzt über die Strategie, der Minister verteidigt sie. Und Bayern startet früher in den Praxen.

In der Coronavirus-Impfkampagne machen die niedergelassenen Ärzte Front gegen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Der Chef des Deutschen Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt, dringt darauf, die Impfzentren so schnell wie möglich zu schließen. „Schon jetzt könnte man alle Impfstoffe in den Praxen verimpfen“, sagt Weigeldt der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.

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Mit Blick auf die Impfzentren sagte Weigeldt der „Augsburger Allgemeinen“: „Man mag die jetzt dort noch gebuchten Impftermine ja abarbeiten, aber parallel dazu muss das Feld der Impfungen endlich den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten überlassen werden.“ Und weiter: „Die Praxen könnten sofort mit dem Impfen loslegen.“

Weigeldt kritisierte den Beschluss der Gesundheitsminister von Bund und Ländern scharf. Diese setzen bei den Corona-Impfungen zunächst weiter auf die Impfzentren und wollen die Ärzte erst später einbinden. Über die Beratungen vom Mittwochabend sagt Weigeldt: „Das Ergebnis ist eine Katastrophe.“ Die Entscheidung, die Ärzte erst ab Mitte April an den Impfungen zu beteiligen, sei falsch.

Hausärzte: Impfdosen liegen ungenutzt herum

Der Fachminister-Empfehlung zufolge sollen die Impfzentren im April pro Woche mit 2,25 Millionen Dosen beliefert werden. Darüber hinaus verfügbare Impfstoffe sollen „frühestmöglich“ an Praxen gehen.

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Weigeldt sagte, die Hausärzte seien erschüttert und fassungslos darüber, dass „der längst überfällige Impfstart in unseren Praxen nun weiterhin auf die lange Bank geschoben“ werde. „Derweil liegen Millionen Impfstoffdosen ungenutzt herum in kostenintensiven Impfzentren, deren Anonymität gerade ältere Menschen scheuen.“

Spahn erwartet „Ketchup-Effekt“

Spahn erklärte am Donnerstag in den ARD-„Tagesthemen“, die Ärzte in den Praxen sollten und müssten bald mit impfen. „Aber es muss jetzt eben im Übergang so sein, dass die Mengen auch passen.“ Wenn jeder Arzt nur fünf oder zehn Dosen pro Woche bekäme, würde es berechtigte Fragen geben, wie der Arzt seine Patienten priorisieren solle. „Wir brauchen eine gewisse Mindestmenge, ab der es Sinn macht.“

Zu einem Zeitpunkt im Mai, Juni, Juli werde es etwa zehn Millionen Impfungen pro Woche in den Praxen geben. „Das wird sich dann nach oben hin sehr schnell entwickeln.“ Spahn sprach von einem „Ketchup-Effekt“. „Am Anfang kommt wenig raus (aus der Flasche), nachher kommt sehr viel.“

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Bayern geht bei den Hausarztpraxen voran: Der Freistaat werde bereits am 1. April mit Impfungen in den Praxen beginnen, sagte der Präsident des Bayerischen Landkreistags, Christian Bernreiter (CSU), der „Passauer Neuen Presse“. Bundesweit sollen die Impfungen bei Hausärzten Erst Mitte April anlaufen.

Es sei immer klar gewesen, dass das Impfen in die Regelversorgung übergeführt werden solle, betonte Bernreiter. „Darum haben wir uns gemeinsam darauf verständigt, den jetzigen Stand der Impfzentren einzufrieren und den ab April aufwachsenden Impfstoff an die niedergelassenen Ärzte über den Großhandel auszurollen“, sagte er der Zeitung.

Die Einbeziehung der niedergelassenen Ärzte sehe er „klar positiv“. „Die bayerischen Ärzteverbände sagen übereinstimmend, dass etwa 8000 Praxen in Bayern mitmachen werden. Bei nur 20 Impfungen pro Tag könnten 160.000 Menschen geimpft werden“, fügte der CSU-Politiker hinzu.

Lauterbach verteidigt Hausarzt-Entscheidung

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach dagegen rechnet damit, dass es bundesweit sogar bis Mai dauern wird, bevor das Impfen in den Arztpraxen in vollem Umfang in allen Ländern laufen kann. Er sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: „Hätten wir jetzt schon die niedergelassenen Ärzte eingebunden, hätte das zu Enttäuschungen geführt. Wenn ein Arzt am Tag gerade mal ein paar Leute impfen kann, aber 1000 bei ihm darauf warten, sorgt das nur für Ärger.“

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Der Intensivmediziner Christian Karagiannidis forderte mehr Spielraum bei der Impfreihenfolge, sobald Impfstoff in den Arztpraxen verfügbar ist. „Nichts ist schlimmer, als dass Impfdosen am Ende eines Arbeitstages übrig bleiben oder im Müll landen“, sagte der wissenschaftliche Leiter des Intensivregisters der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) der „Rheinischen Post“. Dann sei es besser, wenn der Arzt ihm bekannte Patienten anrufe, ob sie spontan zur Impfung kämen.

Amtsärzte fordern „unkomplizierte Lösungen“

Die Amtsärzte in Deutschland kritisieren hingegen eine mangelnde Flexibilität bei der Ausweitung der Impfungen. „In Deutschland wollen wir immer alles ganz besonders ordentlich und gründlich machen“, sagte die Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, Ute Teichert.

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Das sehe man jetzt bei den Impfungen: Priorisieren, Einladen, Registrieren und Dokumentieren nähmen viel zu viel Zeit und Energie in Anspruch. „Beim Impfen stehen uns Gründlichkeit und Perfektionismus im Moment im Weg“, sagte Teichert. „Wir müssen unkomplizierte Lösungen finden.“ Die niedergelassenen Ärzte und die Betriebsärzte müssten schnell eingebunden werden.

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Spahn machte in der ARD deutlich, er rechne frühestens Mitte April mit Lieferungen des Impfstoffes des US-Pharmakonzerns Johnson & Johnson, der am Donnerstag in der Europäischen Union genehmigt wurde. Damit gibt es jetzt vier in der EU zugelassene Impfstoffe gegen Covid-19.

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„Die Wahrheit ist, dass frühestens Mitte, Ende April mit Lieferungen zu rechnen ist nach Angaben von Johnson & Johnson.“ Nun wolle man genau wissen, woran das liege, warum andere Länder beliefert würden und ob die Europäische Union möglichst bald dran sein könne. Die Gespräche führe die Europäische Kommission.

Minister Spahn kritisiert die USA

Der Impfstoff wird in den USA abgefüllt – dort herrscht faktisch ein Exportstopp für Corona-Impfstoffe. Spahn sagte, man habe es auch bei Medikamenten und Tests in den vergangenen zwölf Monaten immer wieder erleben müssen, dass „bestimmte Produkte die USA nicht verlassen haben“.

Spahn sagte weiter: „Dies finde ich problematisch, auch im Miteinander in der transatlantischen Partnerschaft.“ Dies müsse man nun mit den Partnern besprechen. Jetzt müsse man mit der Situation erst einmal umgehen und dafür sorgen, dass es mehr Produktionen in Deutschland und Europa gebe – auch des Impfstoffes von Johnson & Johnson. Der Chef-Wissenschaftlers von Johnson & Johnson, Paul Stoffels, betonte nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters, er sei zuversichtlich, dass im zweiten Quartal 2021 wie geplant 55 Millionen Dosen in die EU geliefert werden könnten. Bis Ende 2021 hat der Konzern 200 Millionen Dosen zugesagt.

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