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Sebastian Kurz (links) will die albanische Grenzpolizei aufrüsten. Sein Vize, Heinz-Christian Strache, stellt die EU-Freizügigkeit infrage.

© Roland Schlager/AFP

Wien: In Österreich wird es unbequem für Migranten

Die ÖVP-FPÖ-Regierung verlangt Sprachkenntnisse für die Mindestsicherung und streicht gleichzeitig Deutschkurse. Applaus gibt es dafür von der AfD.

Seit einigen Tagen hat er ein neues Projekt: die Albanienroute. Nachdem Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im vorjährigen Nationalratswahlkampf die Schließung der Balkanroute als sein Werk reklamiert und die Schließung der Mittelmeerroute versprochen hatte, konzentriert er sich nun auf Albanien.

Dort entstünden neue Wege für Flüchtlinge nach Europa, so argumentiert Kurz. Vergangenen Mittwoch empfing er bereits den albanischen Ministerpräsidenten Edi Rama und sagte ihm Mittel aus EU-Fonds zur Aufrüstung seiner Grenzpolizei zu. Von der größten österreichischen Zeitung, dem Boulevardblatt „Krone“, wird er dafür intensiv gefeiert.

Dabei kommen so wenige Flüchtlinge in Österreich an wie seit 2010 nicht mehr. Egal: Die Koalition zwischen der von Kurz im Handstreich übernommenen christlichsozialen ÖVP und der rechten FPÖ ist trotz tiefer Einschnitte ins Sozialsystem bei den Umfragewerten stabil, weil das Thema Migration nach wie vor trägt.

In den vergangenen Wochen kündigte die Regierung eine ganzes Bündel von Maßnahmen an, die Migranten und ausländischen Arbeitskräften das Leben schwer machen werden. So will Kurz in Österreich tätigen EU-Bürgern, deren Kinder zu Hause geblieben sind, nur noch eine dem Preisniveau des Herkunftslandes angepasste Familienbeihilfe auszahlen.

Betroffen wären vor allem zehntausende 24-Stunden-Pflegerinnen aus Polen und der Slowakei. Manager aus der Schweiz, die in Wien arbeiten, bekommen hingegen künftig mehr Kindergeld. Praktisch alle Experten sind sich einig, dass diese Regelung gegen EU-Recht verstößt und nicht halten wird.

Vizekanzler Strache stellt EU-Freizügigkeit infrage

Anerkannte Asylbewerber bekamen bisher ebenso wie bedürftige Österreicher monatlich 863 Euro Mindestsicherung, solange sie keinen Job fanden. Künftig gibt es für sie nur noch 563 Euro – ziemlich wenig im Hochpreisland Österreich. Die 300 gestrichenen Euro können sich die Asylberechtigten zurückholen, wenn sie Deutsch auf B1-Niveau sprechen.

Allerdings hat die Regierung die Mittel für Deutschkurse gekürzt. Den 22.000 im Vorjahr anerkannten Asylbewerbern stehen jetzt nur noch 7000 Plätze in Sprachkursen zur Verfügung. Private Kurse sind bei 563 Euro Monatseinkommen nicht erschwinglich: Für Deutsch auf B1-Niveau braucht jemand aus einem völlig anderen Sprachraum mindestens ein Jahr und selbst dann bestehen nur 75 Prozent der Kandidaten die Prüfung.

Als die katholische Kirche in der Steiermark daraufhin Sprachkurse in ihren Einrichtungen anbot, handelte sie sich scharfe Kritik von der FPÖ ein. Denn sofort nach Regierungsantritt hatte die Koalition einen Strategiewechsel vorgenommen: Hatte sie bis zur Wahl die mangelnde Integration der Zuwanderer beklagt, ist diese nun nicht mehr wichtig, im Gegenteil: Potenziellen Asylbewerbern soll signalisiert werden, Österreich sei ein höchst unbequemer Ort.

Das alles begeistert die AfD. „Gute Idee! Wir fordern den Anschluß (sic!) an Österreich!“ twitterte vergangenen Dienstag Hugh Bronson, AfD-Abgeordneter im Berliner Senat.

Der Kurz-Vorschlag, die EU-Grenzwache-Agentur Frontex möge bereits in Afrika Flüchtlinge daran hindern, sich auf den Weg nach Europa zu machen, findet wiederum Alice Weidel, Co-Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion nachahmenswert: „Der Vorstoß der Österreicher ist zu begrüßen und ein Schritt in die richtige Richtung. Ein ‚Weiter so!’ darf es nicht geben!“

Indes lässt sich FPÖ-Vizekanzler Heinz Christian Strache zu immer kühneren Behauptungen hinreißen. Frontex, vom Kanzler für den Afrikaeinsatz vorgesehen, nannte Strache vergangene Woche bei einem Brüssel-Besuch eine „Schlepperorganisation“. Wenige Tage später stellte er die Personenfreizügigkeit in der EU infrage, eine der Säulen der Union.

Das Recht, sich den Wohn- und Arbeitsort innerhalb der EU selbst aussuchen zu können, habe „negative Folgen“ und verdränge Österreicher vom Arbeitsmarkt. Straches Regierungspartner Kurz hat bisher nicht auf die Äußerungen seines Vizes reagiert.

Welche Ziele Wien mit dieser Art von Migrationspolitik verfolgt, wird Kanzler Kurz wohl Angela Merkel am 12. Juni in Berlin erklären. Die Kanzlerin wird hoch interessiert sein. Immerhin übernimmt Österreich im zweiten Halbjahr 2018 die EU-Präsidentschaft.

Herbert Lackner

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