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Protest vor dem Kanzleramt: Sahra Wagenknecht in einem vor Weihnachten von ihrer Sammlungsbewegung verbreiteten Video.

© Matthias Meisner/Tagesspiegel

Update

Wieder Ärger in der Linken: Wagenknechts Sammlungsbewegung poltert gegen "Regierungsrundfunk"

Sahra Wagenknecht polarisiert wie keine zweite Linken-Politikerin. Kann sie auf der Fraktionsklausur Vorbehalte ausräumen?

Von Matthias Meisner

Linksfraktionschef Dietmar Bartsch ließ keinen Zweifel daran, dass er die jüngste Provokation der von seiner Ko-Chefin Sahra Wagenknecht angeführten Sammlungsbewegung "Aufstehen" für schwer daneben hält. Am Wochenende hatte "Aufstehen" gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk polemisiert, mit einem Tweet, der - wie die Nachrichtenagentur dpa berichtete - nach Inhalt und Wortwahl der AfD-Linie ähnelt. In der im Kurznachrichtendienst geteilten Grafik hält ein mit "ARD" und "ZDF" beschrifteter Mann einen anderen kopfüber und schüttelt ihn, wobei offenbar Geldscheine aus seinen Kleidern fallen. "Rundfunkbeitrag anheben? Bessere Idee: Einkommen der Fernseh-Intendanten senken!", steht unter anderem darauf geschrieben. Dazu die Forderung: "Bürgermedien statt Regierungsrundfunk!"

Bartsch schrieb auf Twitter auf die Frage, was der von der Äußerung halte, kurz und knapp: "nichts". In den Reihen der Linkspartei blieb er mit dieser Kritik nicht allein. Selbst Mitstreiter von Wagenknecht in der "Aufstehen"-Bewegung gingen auf Distanz, etwa Fabio de Masi, der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion. Er erklärte: "Ich finde den Tweet misslungen. Kommt vor." Auf Twitter schrieb de Masi: "Unsere Aktivisten machen auch Fehler", es gehe immer um die Balance zwischen Eigenverantwortung und Kontrolle. Der Linksfraktions-Vize ergänzte, er sei für starke öffentlich-rechtliche Sender, zugleich aber auch für eine Ausweitung bei der Befreiung von Geringverdienern beim Rundfunkbeitrag.

Ähnlich verärgert war Sevim Dagdelen, Vertraute von Wagenknecht und ebenfalls Fraktionsvize. Sie gab zu: "Ich finde den betreffenden Tweet total daneben. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist richtig & wichtig & unbedingt zu erhalten!"

Wagenknecht geht auf Distanz zum umstrittenen Tweet

Wagenknecht derweil schwieg mehr als 48 Stunden lang zu dem Vorgang. In ihrem am Sonntagabend verbreiteten Newsletter an ihre Anhängerinnen und Anhänger ging sie auf die Kritik nicht ein. Am Montagnachmittag dann erklärte sie auf Tagesspiegel-Anfrage: "Den betreffenden Post habe ich vor der Veröffentlichung nicht gekannt. Ich unterstütze, wie ,Aufstehen' insgesamt, einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der allerdings sozial gerechter finanziert werden muss."

Grafik wurde zuvor von der AfD gepostet

"Doch nicht nur im Inhalt und bei Begriffen scheint ,Aufstehen' sich bei den Rassist*innen der AfD zu bedienen", berichtete am Montag "Belltower-News", ein Portal der Amadeu-Antonio-Stiftung. Einen Tag, bevor "Aufstehen" die Grafik über die sozialen Medien teilte, habe die AfD auf ihrem Facebook-Hauptaccount eben genau jene Grafik mit den beiden Männern gepostet. "AfD – Zukunft für Deutschland" stehe auf dem Bild, das die AfD verbreitet habe. Dazu die Forderung: "Steuerverschwendung muss endlich hart bestraft werden!" Es sei möglich, dass es sich bei der Nutzung derselben Grafik lediglich um Zufall handele. Trotzdem sei die Parallelität augenfällig.

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Genossinnen und Genossen von Wagenknecht sehen sich in ihren grundsätzlichen Bedenken gegen die Sammlungsbewegung bestätigt. "Das ist wirklich peinlich. Kritik auf AfD-Level", schrieb der nordrhein-westfälische Linken-Bundestagsabgeordnete Niema Movassat auf Twitter. Er ist bereits seit längerer Zeit ein scharfer Kritiker Wagenknechts. Schon kurz nach dem Start von "Aufstehen" hatte Movassat die Frage aufgeworfen, ob sich Wagenknecht nun der Partei oder der Sammlungsbewegung verpflichtet fühle. Die thüringische Linken-Bundestagsabgeordnete Martina Renner schrieb in einem Kommentar zum "Aufstehen"-Tweet in Anspielung auf Wagenknecht: "Hier beschwert sich der Hofstaat der Talkshow-Königin in #AfD-Manier über die öffentlich-rechtlichen Sender. Einfach peinlich!"

Andere wurden grundsätzlich, etwa Benjamin-Immanuel Hoff (Linke), Chef der Staatskanzlei im rot-rot-grün-regierten Thüringen. Eine Zeit lang habe er gedacht, seine Kritik an "Aufstehen", es handele sich dabei um den falschen Versuch, auf AfD-Masche Ex-Wählerinnen und -Wähler der Linkspartei zurückzuholen, sei vorurteilsbehaftet, erklärte Hoff. "Auch dieser Tweet zeigt leider, das jede Kritik berechtigt ist." Horst Kahrs von der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung erinnerte daran, dass sich die Linke in ihrem Bundestagswahlprogramm 2017 ausdrücklich zum Erhalt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verpflichtet habe. Die AfD dagegen macht seit Jahren Stimmung gegen "GEZ-Medien" und fordert die Abschaffung von "Zwangsgebühren".

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Auch außerhalb der Linkspartei ist das Unverständnis groß - zumal es keine Distanzierung von Wagenknecht gibt. Erhard Scherfer, Phoenix-Korrespondent in Berlin erinnerte: "Immerhin übertrug der so genannte Regierungsrundfunk die erste lange Pressekonferenz der so genannten ,Aufstehen'-Bewegung live, in Farbe und vor allem komplett!" Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Marco Bülow, der Fraktion und Partei kürzlich verlassen hatte und zu den Unterstützern von "Aufstehen" gehört, meint: "Es gibt keinen Regierungsrundfunk! Die öffentlichen rechtlichen Medien sind unverzichtbar."

Für Linksfraktionschef Bartsch kommt die Debatte zur Unzeit: Am Donnerstag und Freitag trifft sich die Fraktion zur Klausur. Offiziell geht es um die Ausgangslage am Beginn des für die Partei wichtigen Wahljahres - in Thüringen und Brandenburg will die Linke ihre Regierungsbeteiligungen verteidigen. Doch viele Abgeordnete wollen auch die Doppelrolle von Wagenknecht als Linken-Politikerin und "Aufstehen"-Aktivistin zur Sprache bringen. Der brandenburgische Bundestagsabgeordnete Thomas Nord hatte Anfang November mit seinem Austritt aus der Fraktion gedroht, sollte Wagenknecht mit ihren Eigenmächtigkeiten weitermachen wie bisher. Als Frist für seine Entscheidung hat er sich die Fraktionsklausur im Januar gesetzt.

Bartsch appelliert nun: "Ich bin zuversichtlich, dass sich jede und jeder in der Linken angesichts des Kulturkampfs von rechts seiner Verantwortung bewusst ist und die Auseinandersetzung mit den politischen Konkurrenten in den Mittelpunkt stellt."

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Ob das genügt, die Wagenknecht-Kritiker zu besänftigen? Gestritten wird nicht nur um die "Aufstehen"-Äußerung zum "Regierungsrundfunk". In Anspielung auf die Demonstrationen in Frankreich hatte sich Wagenknecht kurz vor Weihnachten mit einer gelben Warnweste vor das Kanzleramt gestellt und ähnliche Proteste auch in Deutschland gefordert - obwohl sich zuvor AfD, Pegida und andere Rechtsradikale als Unterstützer der Gelbwesten in Szene gesetzt hatten. In Frankreich hätten jene, die seit vielen Jahren von der Politik nicht mehr gehört würden, ihre Stimme erhoben, sagte sie in einem 75-sekündigen Videoclip, der am vierten Adventswochenende auf der Internetseite der von ihr gegründeten "Aufstehen"-Bewegung veröffentlicht wurde. "Ich finde, solchen Druck brauchen wir auch in Deutschland."

Linken-Abgeordnete Akbulut: Nicht die Rhetorik der AfD verwenden

Und vergessen sind auch nicht Wagenknechts Vorbehalte gegen die große "Unteilbar"-Demonstration gegen den Rechtsruck im Oktober in Berlin - im Aufruf verspürte die Linken-Politikerin zu viel Willkommenskultur. Die baden-württembergische Bundestagsabgeordnete Gökay Akbulut, die im September 2017 neu ins Parlament gewählt worden ist, sagt: "Ich persönlich fand das völlig unverständlich, es hat bei vielen an der Basis für Verwirrung gesorgt. Die Außenwirkung von Wagenknechts Distanzierung von der Demo war für die Linke ungünstig, da die Partei das Bündnis von Anfang an inhaltlich aber auch finanziell unterstützt hat."

Zwar wird Wagenknecht auch von Akbulut bescheinigt, sie sei eine "wichtige Führungspersönlichkeit, sehr populär und berühmt". Die Politikerin betont im Gespräch mit dem Tagesspiegel: "Rhetorisch, fachlich, inhaltlich versiert, kommt sie in der Bevölkerung auch an." Aber: "Wir sind aber keine Ein-Mann-Partei und auch keine Ein-Frau-Partei."

Grundsätzlich hält es Akbulut für möglich, Menschen zurückzugewinnen, die aus Frust oder Wut AfD gewählt haben. "Aber nicht, indem man die Sprache und Rhetorik der AfD verwendet. Viele in der Linkspartei engagieren sich für Flüchtlinge. Für die ist es ein Schlag ins Gesicht, wenn in unseren Reihen von führenden Funktionären die Sprache der AfD verwendet wird."

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