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Wegen des Vorgehens gegen die Uiguren verhängte die EU Sanktionen gegen Chinesen, doch die schlugen zurück: Umerziehungslager in der Provinz Xinjiang.

© REUTERS

Wie weiter mit China?: „Die Grünen sind Garanten für eine bessere Chinapolitik“

Nach den Regierungskonsultationen zwischen Berlin und Peking debattiert Deutschland nun über die künftige China-Politik. Baerbock fordert mehr Härte.

Von Hans Monath

Für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) waren es die wohl letzten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen, denn ein solcher bilateraler Austausch zwischen Kabinettsmitgliedern beider Länder findet nur alle zwei Jahre statt, und im Herbst endet ihre Amtszeit.

Jede Nachfolgeregierung in Berlin steht dann vor der Frage, wie sie das Verhältnis zu dem starken Partner der deutschen Wirtschaft in Fernost gestaltet, der internationale Regeln oft nur dort einhält, wo sie ihm nutzen.

Die Debatte darüber hat schon begonnen, unter anderem angestoßen von Forderungen der Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock nach mehr „Härte“" gegenüber China. Warnungen vor „Blauäugigkeit“ gegenüber dem als gefährlich eingeschätzten Rivalen kommen aber längst auch aus den Regierungsfraktionen.

Als Grundhaltung für das rein virtuelle Kabinettstreffens am Mittwoch hielten beide Seiten fest: Es gibt erhebliche Meinungsverschiedenheiten bei den  Menschenrechten, aber Peking und Berlin wollen die Zusammenarbeit der Wirtschaft, beim Klimaschutz und im Gesundheitsbereich vertiefen. Manche Beobachter werteten es als Zeichen eines angespannten Verhältnisses, dass nach dem Ende der Konsultationen keine Pressekonferenz angesetzt war.

Der neue US-Präsident sucht die Systemkonkurrenz mit China

Die politischen Rahmenbedingungen haben sich im Vergleich zu den letzten Regierungsberatungen im Jahr 2019 dramatisch verändert: China hat anders als Deutschland und Europa die Corona-Pandemie längst überwunden und nutzt diesen Erfolg, um sein System als Vorbild anzupreisen. Gleichzeitig ist der neue US-Präsident Joe Biden gewillt, einen konfrontativen Wettstreit mit dem autoritären Regime in Peking aufzunehmen. Er will möglichst gemeinsam mit anderen Demokratien vorgehen und erwartet von Berlin mehr Härte.

Auf eine Pressekonferenz wurde verzichtet: Der chinesische Permierminister Li Kequiang und Kanzlerin Angela Merkel bei den virtuellen Regierungskonsultationen.
Auf eine Pressekonferenz wurde verzichtet: Der chinesische Permierminister Li Kequiang und Kanzlerin Angela Merkel bei den virtuellen Regierungskonsultationen.

© Janine Schmitz/imago images/photothek

Dass die Deutschen nun aus Peking und Washington gefragt werden, auf welcher Seite sie stehen, macht das Austarieren der Beziehungen nicht einfacher, im Gegenteil. Das Verhältnis wird auch dadurch belastet, dass China als Reaktion auf EU-Sanktionen wegen seines Umgangs mit der Minderheit der Uiguren Strafmaßnahmen gegen EU-Parlamentarier und deren Familien sowie gegen Experten des Berliner China-Thinktanks Merics verhängte.

Auch Chinas Premier sagt, dass es Differenzen gibt

Beide deutsche Regierungsparteien wollen verhindern, dass Deutschland und die EU in einem Konflikt zwischen den USA und China instrumentalisiert werden. Ein so genanntes Decoupling, also eine Entkopplung des Westen von China etwa im Digitalbereich lehnen sie ab.

Auch deshalb hatte die Kanzlerin in der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 darauf gedrängt, dass das Investitionsabkommen zwischen der EU und China noch verabschiedet wird. Allerdings ist offen, ob das EU-Parlament ihm zustimmt.

Zum Auftakt des Treffens sprach Merkel gegenüber Chinas Ministerpräsidenten Li Keqiang auch die Meinungsunterschiede bei Menschenrechten offen an. Auch Li räumte Differenzen ein. Merkel sagte, zur Partnerschaft gehöre auch, „dass wir schwierige Themen ansprechen und alles auf den Tisch legen können“.

Als Beispiel nannte sie die Situation in Hongkong, wo Peking mit einem Sicherheitsgesetz die politischen Freiheiten einschränkt. Sie appellierte an den Partner, den Menschenrechtsdialog wieder in Gang zu setzen. Auch bei die gegenseitigen Anerkennung von Corona-Impfstoffen setzt Merkel auf Dialog.

In der chinesischen Provinz Wuhan war die Corona-Pandemie zuerst aufgetreten, doch das Land hat die Pandemie längst überwunden.
In der chinesischen Provinz Wuhan war die Corona-Pandemie zuerst aufgetreten, doch das Land hat die Pandemie längst überwunden.

© Zhang Yuwei/XinHua/dpa

Der chinesische Ministerpräsident sagte: „China und Deutschland haben verschiedene Ansichten in einigen Fragen. Das ist eine objektive Tatsache." Solange beide Seiten aber die jeweiligen „Kerninteressen respektieren" und „auf der Basis der Gleichbehandlung und Nicht-Einmischung in die inneren Angelegenheiten“ kommunizierten, könnten sie günstige Bedingungen für eine reibungslose Entwicklung der Kooperation schaffen. Als große Wirtschaftsnationen unterstützten China und Deutschland den Multilateralismus und den freien Handel.

Wenige Monate vor dem Ende von Merkels Amtszeit wird ihr Umgang mit China kritisch diskutiert. Die Kanzlerin verfolge eine „angstgetriebene Automobilaußenpolitik“ gegenüber dem Land, keine Politik, welche dem langfristigen Interessen Deutschlands und Europas diene, sagte Thorsten Benner vom Thinktank Global Public Policy Institute (GPPI).

Es gehe ihr um die Interessen deutscher Firmen, die sich zu stark vom chinesischen Markt abhängig gemacht hätten und Vergeltungsmaßnahmen fürchteten, wenn die Bundesregierung klar deutsche und europäische Interessen gegenüber Peking vertrete.

Die SPD sagt, Merkel habe sich über Chinas Entwicklung getäuscht

Ähnliche Stimmen kommen auch aus der SPD. Merkel habe die „systemische Herausforderung durch China unterschätzt", meinte der Außenpolitiker Nils Schmid. Zu lange habe sie in einer „Fehlkalkulation“ gehofft, dass sich China nicht nur wirtschaftlich, sondern politisch dem Westen annähere. 

Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour bekräftigte die Forderung seiner Parteichefin Baerbock nach „Dialog und Härte“ im Verhältnis zu Peking. Er erwarte keine nachteiligen Folgen eines klareren deutschen Bekenntnisses zu den Menschenrechten. „China braucht Deutschland auch", sagte er. Jede deutsche Regierung müsse „ihrer Verantwortung gerecht werden, gemeinsam europäische Werte hochzuhalten". Produkte aus Zwangsarbeit dürften nicht auf den europäischen Markt kommen, chinesische Staatsunternehmen nicht an kritischer Infrastruktur beteiligt werden.

Für die deutsche Wirtschaft ist China ein wichtiger Handelspartner: Containerhafen am Jangtse-Fluss in der ostchinesischen Provinz Jiangsu. 
Für die deutsche Wirtschaft ist China ein wichtiger Handelspartner: Containerhafen am Jangtse-Fluss in der ostchinesischen Provinz Jiangsu. 

© dpa

"Das ist in unser aller Interesse, um die freiheitliche Demokratie gegenüber autoritären Kräften zu schützen", meinte Nouripour. Dies liege auch im Interesse der deutschen Wirtschaft: "Es herrscht ein gesteigertes Bewusstsein in der Wirtschaft, sich kritischer mit dem Land auseinanderzusetzen."

GGPI-Chef Benner forderte, eine neue Bundesregierung müsse sich "gegenüber Pekings Aggressionen im Inneren wie nach außen klar Stellung beziehen und sich nicht weitgehend wegducken", wie das die Kanzlerin gegen Ende ihrer Amtszeit gerade getan habe. Die neue Regierung müsse sich "zentral Investitionen in deutsche und europäische Wettbewerbsfähigkeit im Systemwettbewerb mit Peking auf die Fahnen schreiben". Dies erforderte massive Investitionen in eigene gesellschaftliche und technologische Stärke.

Sind die Grünen Garanten für eine bessere China-Politik?

Die Abhängigkeiten vom chinesischen Markt müsse durch die Erschließung anderer Märkte verringert werden, Pekings Drohungen müsse durch eine geschlossene europäische Position zurückgewiesen werden. Von Baerbock erwartet der Experte viel: "Die Grünen sind Garanten für eine bessere Chinapolitik", sagte er.

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Dagegen warnte der SPD-Außenpolitiker Schmid, Baerbock und ihre Partei müssten "aufpassen, dass sie nicht komplett ins Lager der außenpolitischen Falken abdriften". Ein "Überbietungswettbewerb an Ankündigungen" helfe niemand. "Wir müssen mit China im Dialog bleiben und dabei zugleich den Finger immer wieder in die Wunde legen", meinte Schmid.

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