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Thüringens Ministerpräsident Thomas Kemmerich (l) und der Fraktionsvorsitzender der FDP Mike Mohring im Landtag.

© dpa/ Martin Schutt

Wie hält sie es mit der AfD?: Der „Sündenfall“ zeigt die tiefe Spaltung in Thüringens CDU

Von Jubel bis Entsetzen: Die Wahl von FDP-Mann Kemmerich stürzt auch die Landes-CDU in eine Krise. Parteichef Mohring steht in der Kritik.

Von Matthias Meisner

Thüringens dienstältester Landrat Werner Henning, ein CDU-Mann, ist verzweifelt, über den Dammbruch vom Vortag, und auch wegen der Lage seiner Partei ganz allgemein. Sein Eichsfeld ist eine Hochburg der Christdemokraten, seit Jahrzehnten. Am Tag nach der Wahl von Thomas Kemmerich (FDP) zum Ministerpräsidenten von Thüringen, mit einer Stimme Vorsprung vor dem bis dahin seit fünf Jahren amtierenden Linken-Politiker Bodo Ramelow, stöhnt Henning laut auf: "Das war kein Unfall", sagt er dem Tagesspiegel.

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Aus Sicht Hennings ist das Quorum der von der CDU abgegebenen Stimmen ein adäquates Stimmungsbild über deren Verfasstheit im Land – 18 im Verein mit der AfD, zwei für Ramelow und eine Enthaltung.

Die Bilanz des Landrats, dessen Ansichten in der Landes-CDU Gewicht haben: "Die CDU ist kein einheitlicher Werteverbund – sie ist ein reines zeitgeistiges Etikett, welches die handelnden Personen – völlig unabhängig überregionaler gesamtdeutscher Empfehlungen – ausfüllen und damit die Auseinandertrift zwischen Ost und West weiter befördern."

Der übergroße Mainstream in der Thüringer CDU glaube an den DDR-gelernten Klassenkampf – wie übrigens auch die anderen ost-geschulten Parteien. "Aus diesem Irrglauben heraus leben sie eine Konsequenz, die schlussendlich gefährlich und zutiefst ,unchristlich' ist."

Stippvisite im Landtagswahlkampf: Der damalige Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke, rechts) mit Eichsfeld-Landrat Werner Henning (CDU).
Stippvisite im Landtagswahlkampf: Der damalige Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke, rechts) mit Eichsfeld-Landrat Werner Henning (CDU).

© Matthias Meisner

Henning gehört zu denen in der CDU, die sich eine pragmatische Zusammenarbeit mit Ramelow und seiner rot-rot-grünen Regierung auch in den kommenden fünf Jahren gewünscht hätten. Auch Landeschef Mike Mohring hat das zunächst ernsthaft erwogen, aber er wurde von der Bundes-Partei mit Blick auf die Abgrenzungsbeschlüsse sowohl zur Linken als auch zur AfD zurückgepfiffen.

Andere wollten Gespräche mit der AfD, wieder andere redeten, ermuntert vom früheren Ministerpräsidenten Dieter Althaus (CDU) und Altbundespräsident Joachim Gauck, sogar über eine schwarz-dunkelrote "Projektregierung".

Nun ist alles noch schlimmer gekommen  als jemals gedacht – und die Bundes-CDU über alle Maßen unglücklich: Die Parteifreunde in Thüringen haben einen Ministerpräsidenten ausgerechnet von Gnaden der rechtsradikalen Höcke-AfD mit ins Amt gebracht . Die Thüringer CDU habe "ausdrücklich gegen die Empfehlungen, Forderungen und Bitten der Bundespartei" gehandelt und gegen Parteibeschlüsse verstoßen, sagt Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer.

Merkel nennt den Vorgang "unverzeihlich"

"Ein schlechter Tag für die Demokratie", sagt Kanzlerin Angela Merkel am Donnerstag am Rande ihrer Südafrika-Reise. Sie nennt den Vorgang in Erfurt "einzigartig" und "unverzeihlich". Es sei mit ihrer und auch der Grundüberzeugung der Partei gebrochen worden, "dass keine Mehrheiten mit Hilfe der AfD gewonnen werden sollen". Das Ergebnis müsse deshalb nun "wieder rückgängig gemacht werden", die CDU dürfte sich nicht an der Kemmerich-Regierung beteiligen.

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Noch am Mittwochabend verteidigte sich die Landespartei nach Beratungen: "Die CDU-Fraktion ist nicht dafür verantwortlich, welche Kandidaten andere Fraktionen aufstellen und wie Abgeordnete des Thüringer Landtags aus anderen Fraktionen abstimmen."

[Mehr zum Thema: Äquidistanz – das große Austeilen nach rechts und links]

Dass die Union im dritten Wahlgang für den FDP-Kandidaten gestimmt habe sei "folgerichtig" gewesen und "unsere Verantwortung". Der Auftrag zum Handeln liege bei Kemmerich: "Die Wahl ist das Ergebnis eines demokratischen Prozesses in einem Parlament."

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Hat Mohring das Szenario, zu dem es letztendlich am Mittwoch im Erfurter Landtag kam, vorab nicht in Erwägung gezogen? "Ich habe alle gefragt, ob sie mit der Situation umgehen können", zitiert die "Süddeutsche Zeitung" den nun erheblich unter Druck geratenen thüringischen Partei- und Fraktionschef. "Jeder hat Ja gesagt, jeder Einzelne." Was die Bundespartei dazu sage? "Glauben Sie mir das, ich habe in den letzten Jahren nichts anderes gemacht, als meine Handys leer zu telefonieren."

Mohring wird das Debakel auch persönlich angelastet

Die Kakofonie begleitet die Debatten in der Thüringen-CDU seit Jahren, und mit größerer Vehemenz seit dem Wahlsonntag 27. Oktober. Nur eine halbe Stunde nach der Kemmerich-Vereidigung am Mittwoch im Landtag twittert Christian Hirte, Ost-Beauftragter der Bundesregierung und stellvertretender Chef der CDU Thüringen: "Herzlichen Glückwunsch @KemmerichThL! Deine Wahl als Kandidat der Mitte zeigt noch einmal, dass die Thüringer Rot-Rot-Grün abgewählt haben. Viel Erfolg für diese schwierige Aufgabe zum Wohle des Freistaats Thüringens".

Ein Bild aus besseren Tagen: Thüringens CDU-Landeschef Mike Mohring und die Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer im Mai 2019 bei der CDU-Landesvertreterversammlung in Erfurt.
Ein Bild aus besseren Tagen: Thüringens CDU-Landeschef Mike Mohring und die Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer im Mai 2019 bei der CDU-Landesvertreterversammlung in Erfurt.

© imago images/Karina Hessland

Auch andere sehen das so, beispielsweise Mark Hauptmann, CDU-MdB für Hildburghausen, Schmalkalden-Meiningen, Sonneberg und Suhl. Er schreibt auf Twitter: "Klarer Kurs von MP Kemmerich, der sich auf die CDU-Fraktion Thüringen und die CDU Thüringen verlassen kann. Wir wollen ihm helfen eine bürgerliche Minderheitsregierung zu bilden, die sich von der AfD abgrenzt & programmatische Mehrheiten im Landtag sucht."

Nutzen werden Mohring diese indirekten Fürsprachen für sein Vorgehen aber mutmaßlich nicht mehr – viele in der Partei lasten das Debakel auch ihm persönlich an.

Tankred Schipanski, thüringischer CDU-Bundestagsabgeordneter, twittert, die Erklärung der CDU Thüringen sei eine "Fehlinterpretation", von der er sich nachdrücklich distanziere. "Ohne Grund" sei von der "klaren Linie" abgewichen worden, nichts mit AfD oder Linkspartei zu unternehmen. "So wurde Glaubwürdigkeit verspielt." Die CDU habe "ihre vom Wähler zugewiesene Oppositionsrolle fälschlicherweise nicht angenommen".

Dazu teilt Schipanski in einer ganzen Serie von Tweets die Auffassung, dass die Ministerpräsidenten-Wahl in Erfurt ein "Tabubruch" und ein "Sündenfall" gewesen sei. Von Hirtes Vorgesetztem, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, gibt es für diese Kritik auf Twitter ein Like.

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