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Sie wollen es wissen: Gesine Schwan, Politikwissenschaftlerin aus Berlin, und Ralf Stegner, Parteivize aus Schleswig-Holstein, treten an.

© Odd Andersen, John MacDougall/AFP

Wie die SPD eine neue Führung sucht: Chronik einer Farce

Zehneinhalb Wochen ist es her, dass Andrea Nahles zurückgetreten ist. Seither braucht die SPD Ersatz. Doch Kandidaten mit Strahlkraft halten sich zurück.

Von Hans Monath

Ralf Stegner und Gesine Schwan wollen nun die SPD retten. Zweieinhalb Wochen vor dem Ende der Bewerbungsfrist für Kandidaturen um den SPD-Vorsitz wurde am Mittwoch bekannt: Der 59-jährige Parteivize und linke Flügelmann aus Schleswig-Holstein sowie die 76-jährige Berliner Politikwissenschaftlerin und Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission wollen gemeinsam die darbende Partei wieder aufrichten. Es ist das bislang letzte Kapitel in einem bislang eher schleppenden Auswahlverfahren, das auch viele Sozialdemokraten zuletzt nur noch als Farce empfanden. Denn bundesweit bekannte Politiker der SPD, die entweder beliebt sind und/oder auch noch Wahlen gewonnen haben, fehlen in der Liste der Aspiranten. Sie scheuen offenbar die Verantwortung. Chronik eines seltsamen Prozesses.

2. Juni: Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles tritt zurück.

3. Juni: Die geschockten Parteigremien rufen Malu Dreyer, Manuela Schwesig und Thorsten Schäfer-Gümbel als Interims-Vorsitzende aus. Alle Drei erklären, dass sie nur den Übergang moderieren wollen, nicht als Parteichef zur Verfügung stehen. Auch Vizekanzler Olaf Scholz, ebenfalls Parteivize, nimmt sich aus dem Rennen.

22. Juni: Gesine Schwan erklärt sich bereit, der SPD im Führungsvakuums zu „helfen“. Wenig später bringt sie Juso-Chef Kevin Kühnert als Partner einer Doppelspitze ins Gespräch.
24. Juni: Die SPD beschließt das Verfahren für die Auswahl: Die Mitglieder sollen entscheiden, die Partei kann künftig auch von einer Doppelspitze geführt werden, gemeinsam von einer Frau und einem Mann. Die Interimschefs empfehlen ausdrücklich die Bewerbung im Duo. Erst später wird deutlich, dass sie damit eine neue, hohe Hürde aufstellen, denn viele Frauen in der SPD scheuen das Risiko einer Kandidatur. „Wir wagen Neues, und ich bin sicher, am Ende dieses Auswahlverfahrens wird jeder sehen: Die SPD ist quicklebendig“, sagt Malu Dreyer. Tatsächlich sieht das Publikum danach vor allem, dass prominente Sozialdemokraten zwar ihre Chancen sondieren, dann aber zurückschrecken.
3. Juli: Die frühere NRW-Familienministerin Christina Kampmann und der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth, treten gemeinsam an. Sie haben das notwendige Quorum an Unterstützern für die Kandidatur.
17. Juli: Fraktionsvize Karl Lauterbach und die Abgeordnete Nina Scheer stellen sich der Presse vor. Sie werben für einen Ausstieg aus der Koalition.
2. August: Flensburgs Oberbürgermeisterin Simone Lange und Bautzens Oberbürgermeister Alexander Ahrens geben bekannt, dass sie gemeinsam kandidieren. Lange hatte bereits 2018 kandidiert, damals aber verloren.
5. August: Der Vizechef des SPD-Wirtschaftsforums, der Berliner Start-up-Unternehmer Robert Maier, erklärt seine Kandidatur. Er will es ohne weibliche Mit-Kandidatin schaffen.
6. August: Interims-Parteichef Thorsten Schäfer-Gümbel kündigt an, dass seine Partei zwischen Anfang September und Oktober nicht weniger als 23 Regionalkonferenzen mit den Kandidaten plant. Die werden, auch weil die Bundespartei wenig Geld hat, von den Landesverbänden organisiert. Viele in der SPD schütteln den Kopf: So aufwändig hatte man sich das Verfahren nicht vorgestellt. Wer ein Ministeramt hat, dem fehlt für so viele Termine in der Provinz die Zeit.
14. August: "Spiegel online" meldet, dass Stegner und Schwan sich erklären werden. Schäfer-Gümbel, der sich bei einem Kurzurlaub erholen will, soll am Nachmittag beim Wandern von der Neuigkeit erfahren haben.
Nach dem 1. September beginnt die Mitgliederbefragung, am 26. Oktober soll das Ergebnis vorliegen. Rechtlich zum Parteichef küren kann die Sieger erst der Parteitag Anfang Dezember.

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