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Die Gruppe Kataib Hisbollah gehört im Irak zu den einflussreichen Stellvertretern des Irans.

© picture alliance/dpa

Wie der Iran seine Macht ausbaut: „Teheran betreibt eine sehr kluge Bündnispolitik“

Worauf gründet Irans Stärke? Ein Gespräch mit Guido Steinberg über Machtstreben, treue Milizen, eine Achse des Widerstands und politische Lügen.

Guido Steinberg ist Mitarbeiter der Stiftung Wissenschaft und Politik. Er gehört zu den besten Kennern des Nahen Ostens. Soeben ist von ihm die Studie „Die ,Achse des Widerstands'. Irans Expansion im Nahen Osten stößt an Grenzen“ erschienen.

Herr Steinberg, wie mächtig ist der Iran?
Das Land steht kurz vor einer Hegemonie im Nahen Osten.

Inwiefern?
Teheran übt maßgeblichen Einfluss in vier Staaten aus: Syrien, Irak, Libanon und Jemen. Und die Islamische Republik hat es geschafft, Saudi-Arabien und den Vereinigten Emiraten als Gegnern klar zu machen, wie verwundbar sie sind. Gäbe es nicht die US-Präsenz im Irak und die ständigen Angriffe der Israelis auf iranische Ziele etwa in Syrien – Teheran wäre in einer noch stärkeren Position.

Worauf gründet sich Irans Einfluss in der Region?
Er ist vor allem das Ergebnis von sicherheitspolitischen und militärischen Maßnahmen. Teheran reagierte auf die Umbrüche und Unruhen des Arabischen Frühlings zunächst nervös und defensiv. Der Iran versuchte in erster Linie, das Assad-Regime zu retten, weil Syrien der einzige staatliche Verbündete ist. Nach 2014 unterstützten die schiitischen Mullahs den Irak im Kampf gegen den sunnitischen „Islamischen Staat“. Aber bereits kurze Zeit später begannen die Iraner, in die Offensive zu gehen.

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Das heißt?
Sie schicken sowohl eigene militärische Kontingente als auch loyale Milizen nach Syrien, um eine eigene Machtbasis dort aufzubauen. Später folgen ähnliche Schritte im Irak und im Jemen.

Gerade im Jemen zeigt sich, wie geschickt die Iraner agieren: Sie statten die aufständischen Huthis so gut mit Marschflugkörpern, Raketen, Drohnen und militärischem Know-how aus, dass sie im Krieg gegen Saudi-Arabien und die Emirate inzwischen die Oberhand gewonnen haben.

Der Iran nennt sein Bündnis aus Milizen, Terrorgruppen und Persönlichkeiten die „Achse des Widerstands“. Was ist damit gemeint?
Widerstand ist ein zentraler Begriff in der Ideologie der Islamischen Republik und ihrer Verbündeten. Dieser Widerstand gilt in erster Linie zwei Feinden. Da ist zum einen der amerikanische Imperialismus. Das Ziel lautet, die USA aus dem Nahen Osten zu vertreiben.

Zum anderen richtet sich der Widerstand gegen Israel. Der jüdische Staat wird als Teil der US-Politik in der Region betrachtet. Mit Israels Hilfe, so die Lesart, versuchen die Amerikaner den Nahen Osten zu dominieren. Die Iraner argumentieren sogar, Terrorgruppen wie Al Qaida oder der „Islamische Staat“ würden mit den USA gemeinsame Sache machen, um gegen die Schiiten, die wahren Muslime, vorzugehen.

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Wie funktioniert diese „Achse des Widerstands“?
Grundlage ist eine sehr kluge Bündnispolitik der Iraner. Das beginnt schon 1982, als die libanesische Hisbollah mit tatkräftiger Hilfe der Revolutionsgarden aufgebaut wird. Im Laufe der Jahre schließen sich immer mehr Gegner der USA, der Saudis und der Israelis der Achse an.

Dazu gehören mittlerweile das Assad-Regime, in Teilen auch die Hamas und der Islamische Dschihad im Gazastreifen sowie viele Teheran-treue Milizen. Das schließt selbst Gruppen aus Afghanistan und Pakistan ein. Zumindest die Schiiten in dem Bündnis liegen ideologisch  auf einer Linie und werden von den iranischen Al-Quds-Brigaden angeführt und ausgebildet.

Irans neuer Präsident Raisi dürfte nichts an der bisherigen Politik seines Landes ändern. Er gilt als Hardliner.
Irans neuer Präsident Raisi dürfte nichts an der bisherigen Politik seines Landes ändern. Er gilt als Hardliner.

© Atta Kenare/AFP

Das klingt nach einem Band der Loyalität, das Teheran knüpfen konnte, oder?
Zunächst sind ja das zumeist nichtstaatliche Akteure. Deren Loyalität ist von den sich immer wieder verändernden Gegebenheiten abhängig. Doch die Bindung dieser „Stellvertreter“ an die Iraner ist sehr stark. Dafür gibt es mehrere Gründe.

Und zwar?
Die gemeinsame schiitische Religion, die Verehrung für Irans ehemaligen Revolutionsführer Chomeini und die enorme Professionalität der Quds-Brigaden bei der Pflege der Bindungen an diese Gruppen. Das zeigt sich insbesondere bei der libanesischen Hisbollah, das Bündnis hält schon vierzig Jahre.

Überall dort, wo es keine gemeinsame Ideologie, keine gemeinsame religiöse Grundlage gibt, ist die Bindung eher schwach ausgeprägt. Das betrifft vor allem die sunnitische Hamas oder auch das Assad-Regime. In diesen Fällen besteht das Verbindende in der Gegnerschaft zu den USA und Israel.

Gerade Israel und die USA gehen immer wieder gegen pro-iranische Gruppen vor. Erst am Montag ließ Präsident Joe Biden Milizen-Stellungen im Irak und Syrien bombardieren. Sind diese Einheiten eine Gefahr für Amerika?
Das Problem besteht darin, dass diese Milizen gewissermaßen unter dem Radar agieren. Die Quds-Brigaden sind zwar ein staatlicher Akteur, sie agieren aber nicht so. Da werden einfach neue Gruppen aufgebaut, die Stützpunkte der USA attackieren. Auf entsprechende Vorwürfe reagieren die Iraner mit dem Hinweis, sie würden diese Milizen gar nicht kennen. Die Amerikaner schlagen dann zurück. Einige Wochen später geht das Ganze von vorne los.

Guido Steinberg, Islamwissenschaftler und Terrorismusexperte, arbeitet für die Stiftung Wissenschaft und Politik.
Guido Steinberg, Islamwissenschaftler und Terrorismusexperte, arbeitet für die Stiftung Wissenschaft und Politik.

© imago/Müller-Stauffenberg

Was steckt hinter dieser Taktik?
Teheran hat sich aufgrund eigener militärischer Schwäche entschieden, die USA und Israel mit asymmetrischen Mitteln zu bekämpfen. Das war zum Beispiel im September 2019 der Fall, als der Iran mit Marschflugkörpern und Drohnen das Herz der Welt-Ölindustrie in Saudi-Arabien angriff – und das bis heute leugnet. Teheran nutzt das Mittel der politischen Lüge so professionell wie kaum ein anderer.

Stellen diese militärischen Schlagabtausche nicht den Erfolg der Verhandlungen über einen neuen Atomdeal mit dem Iran infrage?
Das ist schon ein Problem. Die Europäer und die USA drängen schon lange darauf, dass Irans Expansionsdrang und die Attacken auf Amerikaner Teil der Verhandlungen werden. Die Iraner lehnen das ab. Bei den jetzigen Gesprächen in Wien verzichten die USA anscheinend darauf, dies zu thematisieren, haben aber vorab klar gemacht, dass sie eine Lösung wollen und Angriffe auf ihre Stützpunkte nicht unbeantwortet lassen werden.

Was kann der Westen generell gegen Irans Hegemoniestreben unternehmen?
Offenkundig ist: Amerika will sich aus dem Nahen Osten zurückziehen und sich auf die Herausforderung durch China konzentrieren. Biden erwartet deshalb, dass sich die Europäer mehr als bisher um den Nahen Osten kümmern. Mit Blick auf den Iran müsste das heißen, es braucht eine effektive Eindämmungspolitik. Das hieße vor allem, die Gegner Irans, Syriens und der Hisbollah zu stärken - auch mit Waffen. 

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