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Vor dem Haus der sächsischen Gesundheitsministerin gab es gestern Abend Proteste.

© imago images/ddbd

Update

„Widerwärtig und unanständig“: Mob zieht mit Fackeln vor Wohnhaus von Sachsens Gesundheitsministerin

Vor dem Haus der Gesundheitsministerin Petra Köpping versammelte sich am Abend eine Menschenmenge mit Fackeln. Der Protest galt der Corona-Politik.

Gegner der Corona-Politik haben am Freitagabend vor dem Wohnhaus der sächsischen Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) protestiert. Das teilte eine Sprecherin der Polizei am Samstagmorgen mit. Ihren Angaben zufolge versammelten sich etwa 30 Menschen laut rufend mit Fackeln und Plakaten vor dem Haus der Politikerin.

Der Vorfall ereignete sich in einem kleinen Ort in der Nähe von Grimma, südöstlich von Leipzig. Als die Polizei eintraf, seien die Menschen in mehreren Fahrzeugen geflüchtet. 15 Autos wurden demnach von der Polizei angehalten, die Identitäten von 25 Menschen wurden festgestellt.

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Petra Köpping verurteilte die Fackel-Demonstration scharf. Sachliche Kritik an den Corona-Maßnahmen sei völlig legitim, sagte sie am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. „Ich bin immer gesprächsbereit. Fackel-Proteste vor meinem Haus aber sind widerwärtig und unanständig.“

Köpping sagte, sie wisse, dass das keine Proteste seien, sondern organisierte Einschüchterungsversuche von Rechtsextremisten und Verschwörungsgläubigen, die leider viel zu oft vorkämen - vor Arztpraxen, an Impfzentren und Krankenhäusern, gegenüber Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern und anderen engagierten Menschen. Nicht selten endeten solche Einschüchterungsversuche gewalttätig. Das sei gefährlich für jeden Einzelnen und für den Zusammenhalt. „Ich danke für die vielen unterstützenden Schreiben und Anrufe und werde mich von den permanenten Pöbeleien und Attacken auch weiterhin nicht einschüchtern lassen“, sagte Köpping.

Die Polizei erstattete Anzeige wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und prüft Verstöße gegen die Corona-Verordnung. Wegen der dramatischen Pandemie-Lage sind gemäß der sächsischen Corona-Notfallverordnung in dem Bundesland derzeit nur Versammlungen mit höchstens zehn Menschen erlaubt - und nur an einem festen Ort. Am Freitagabend hatte es in mehreren sächsischen Orten Proteste gegen den aktuellen Corona-Kurs gegeben.

Die SPD Sachsen sowie die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken verurteilten den Protest vor Köppings Haus und sprachen der Ministerin ihre Solidarität aus. Esken schrieb auf Twitter: „Auch wenn die paar Hansel da versuchen, Angst und Schrecken zu verbreiten: die Vernunftbegabten und Verantwortungsbereiten sind die große Mehrheit, und die steht an Deiner Seite!“ In einem Tweet der sächsischen SPD hieß es: „Wir zeigen volle Solidarität mit @Koepping! Solche Bilder und Taten darf es nicht geben!“

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Der scheidende SPD-Co-Chef Norbert Walter-Borjans sagte,. „das, was da gestern passiert ist, faschistoid zu nennen, scheue ich mich nicht“ , sagte Walter-Borjans am Samstag im Deutschlandfunk. Es sei absolut erschütternd, weil dieser Aufmarsch vor dem Haus der SPD-Politikerin Vergleiche nahe lege zu einer Zeit in Deutschland, in der man schon mal mit Trommeln und Fackeln vor Häusern gestanden habe.

Hinter solchen Protesten stünden Leute aus dem Kreise der Querdenker oder anderer sich radikalisierender Kleingruppen, denen nicht die Gesundheit der Menschen am Herzen liege, sondern die aufrühren und destabilisieren wollten, sagte Walter-Borjans. „Das ist in dieser Zeit, wo wir Zusammenhalt brauchen, ein besonderes Gift.“

Es sei zwar nur eine kleine Minderheit, die diese Radikalisierung vorantreibe. Aber es sei inzwischen so weit, dass ein ganz klarer Bedarf für alle Demokratinnen und Demokraten im Land bestehe, sich abzugrenzen und für die Ordnungskräfte, auch klar einzuschreiten. Walter-Borjans Nachfolger Lars Klingbeil betonte auf dem heutigen Bundesparteitag der SPD: „Das braucht eine Antwort in der vollen Härte des Rechtsstaats, es braucht einen Widerspruch der Anständigen in diesem Land“.

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Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) verurteilte die Vorgänge scharf. „Das sind Methoden, die hat die SA erfunden“, kritisierte er beim Grünen-Landesparteitag in Baden-Württemberg in Erinnerung an die Kampforganisation der NSDAP.

Der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla kritisierte die Proteste ebenfalls. „Friedlicher Protest gegen einen Impfzwang ist ein Grundrecht. Der Schutz der Privatsphäre auch!“, schrieb der aus Sachsen stammende Parteichef am Samstag auf Twitter. „Der Fackelmarsch vor dem Haus von Petra Koepping ist unbedingt zu verurteilen.“

[Lesen Sie auch: Corona-Demos, Clans, Rechtsextremismus: Wie gut ist die Berliner Polizei aufgestellt, Frau Slowik? (T+)]

Am Freitagabend hatte es in mehreren sächsischen Orten Proteste gegen den Corona-Kurs gegeben. Die Polizei in Dresden bereitet sich auf einen Großeinsatz vor. Am Montag wird vor dem Landtag eine Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen erwartet. Die Polizei kündigte eine „härtere Gangart“ an. Zuletzt war sie in die Kritik geraten, weil Aufmärsche von Corona-Leugnern trotz Polizeipräsenz nahezu unbehelligt stattfinden konnten.

Kritik hatte es zuletzt auch an Sachsen Innenminister Roland Wöller (CDU) gegeben. Dieser hatte trotz verordnetem Lockdown Corona-Demonstrationen ohne Weiteres stattfinden lassen. Die Versammlungsfreiheit sei höher zu bewerten als Verbote und Infektionsschutz, erklärte er vergangene Woche gegenüber dem Nachrichtenportal T-Online. „Diese Pandemie und die Unvernunft von vielen lassen sich nicht mit polizeilichen Mitteln und schon gar nicht mit Gewalt bekämpfen.“, so Wöller weiter.

Nach dem Fackel-Protest forderte Wöller heute nun ein „klares und schnelles Signal des Rechtsstaats“ gefordert. „Es kommt jetzt auch darauf an, dass wir mit der Staatsanwaltschaft eine Verfahrensweise finden, um begangene Verstöße schnell zu ahnden“, sagte er am Samstag der Deutschen Presse-Agentur.

Ihm fehle jedes Verständnis, wenn Amts- und Verantwortungsträger und deren Familien in ihrem privaten Raum bedroht würden. „Es ist unfassbar, wie hemmungslos Hass und Hetze verbreitet werden.“ Diese Grenzüberschreitung sei auch der Versuch, die freiheitliche Demokratie zu delegitimieren. Es brauche in der Gesellschaft mehr Zivilcourage.

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Der sächsische Vize-Ministerpräsident Wolfram Günther (Grüne) sagte, der Vorfall sei ein weiterer Tabubruch - „ermuntert auch dadurch, dass Schwurbler zu oft ungehindert durch sächsische Städte ziehen konnten. Corona-Leugner und die Rechtsextremisten an ihrer Seite werden immer dreister und radikalisieren sich“. Er erwarte eine klare Priorisierung durch das Innenministerium. Der Fraktionschef der Linken im sächsischen Landtag, Rico Gebhardt, sowie die Landeschefs der Linken, Susanne Schaper und Stefan Hartmann, sagten, der Vorfall sei eine klare Grenzüberschreitung. Auch Sachsens Ministerpräsident Kretschmer kritisierte diese Aussagen scharf. In einer derartigen pandemischen Lage müsse man „durchsetzen, dass es nicht zu diesen Ansammlungen kommt“.

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Sachsens Regierungssprecher Ralph Schreiber teilte zu der Fackel-Demonstration mit: „Die Staatsregierung sieht darin eine Grenzüberschreitung mit dem Ziel, Verantwortungsträger einzuschüchtern. Als Konsequenz werden die Schutzmaßnahmen für Amtsträger und ihre Familien weiter erhöht.“

Der Landtag will am Montag über die Feststellung der epidemischen Lage im Freistaat entscheiden. Damit will die Regierung Rechtssicherheit für eine Fortsetzung bestehender Schutzmaßnahmen und ihre mögliche Erweiterung erlangen. Die aktuelle Notfallverordnung gilt bis 12. Dezember. Sie schreibt bereits stärkere Einschränkungen als in vielen anderen Bundesländern vor. Sachsen ist von der vierten Welle der Pandemie besonders hart getroffen. (Tsp, dpa, Reuters)

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