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Ein riesiger Schaufelradbagger arbeitet im Braunkohletagebau Jänschwalde der Lausitz Energie Bergbau AG (LEAG).

© dpa / Patrick Pleul

Widerstand aus Osteuropa: EU-Gipfel verschiebt Beschluss über neues Klimaziel für 2030 auf Dezember

Die EU-Kommission will Europas CO2-Emissionen deutlich senken. Osteuropäer, deren Wirtschaft noch stark auf Kohle ausgerichtet ist, stellen sich quer.

Angesichts von Bedenken aus stark kohleabhängigen Ländern in Osteuropa hat der EU-Gipfel die Entscheidung über ein verschärftes Klimaziel für das Jahr 2030 auf Dezember verschoben. Wie die Staats- und Regierungschefs am Donnerstagabend in Brüssel beschlossen, werden sie sich dann erneut mit dem Thema befassen, um sich "auf ein neues Ziel zur Emissionsreduzierung für 2030 zu einigen".

Die EU hat sich verpflichtet, bis 2050 klimaneutral zu sein - also mehr Treibhausgas zu kompensieren oder aufzufangen, als sie ausstößt. Das bisherige Zwischenziel für 2030 einer Verringerung der CO2-Emissionen um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 reicht dafür nicht aus. Die EU-Kommission hat deshalb mindestens 55 Prozent vorgeschlagen.

Die EU-Staats- und Regierungschefs bekräftigten in ihren Gipfelschlussfolgerungen, dass das neue CO2-Reduzierungsziel "gemeinsam durch die EU in der möglichst kosteneffizientesten Weise" erreicht werden soll. Zwar sollten alle Mitgliedstaaten beitragen, dabei sollten aber "nationale Umstände" berücksichtigt werden.

Dies bedeutet, dass das neue Klimaziel nicht von allen EU-Staaten auf nationaler Ebene erreicht werden muss, sondern nur insgesamt durch die 27 Mitgliedsländer. Dies fordern insbesondere osteuropäische Regierungen, deren Wirtschaft noch stark auf Kohle ausgerichtet ist. Das geltende Ziel einer CO2-Reduktion von 40 Prozent bis 2030 "ist für uns die absolute Obergrenze", sagte Bulgariens Ministerpräsident Boiko Borissow beim Gipfel.

55 Prozent Reduktion seien auch für sein Land nicht machbar, sagte Tschechiens Regierungschef Andrej Babis. "Es gibt ein paar Länder, die mehr leisten können." Eine Reduktion des CO2-Ausstoßes um 55 Prozent im Durchschnitt der EU sei daher für sein Land durchaus akzeptabel.

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Babis vertrat beim EU-Gipfel auch seinen polnischen Kollegen Mateusz Morawiecki, der sich in Corona-Quarantäne begeben musste. Das stark von der Kohle abhängige Polen befürchtet mit steigenden Klimaambitionen ebenfalls erhebliche wirtschaftliche Nachteile. Als einziges EU-Land hat die Regierung in Warschau sich auch dem Ziel der Klimaneutralität bis 2050 noch nicht angeschlossen.

Unterschiedliche Mindestvorgaben für einzelne EU-Staaten trafen in anderen Ländern sowie in der EU-Kommission und im Parlament bislang allerdings auf Ablehnung. Der Gipfel forderte deshalb die Kommission auf, vertiefte Gespräche mit den Mitgliedstaaten zu führen, um eine Einigung zu ermöglichen.

Elf EU-Länder streben dagegen mehr Tempo beim Klimaschutz an

"Wir streben sogar 70 Prozent weniger an", sagte Estlands Ministerpräsident Jüri Ratas. Er gehört zu den Unterzeichnern einer gemeinsamen Erklärung von elf EU-Ländern, die sich für mehr Tempo beim Klimaschutz aussprechen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bekräftigte ihre Unterstützung für das 55-Prozent-Ziel. "Es ist wichtig, dass wir bis Dezember eine Vereinbarung erreichen", sagte sie. Sie verwies darauf, dass in diesem Jahr noch eine Folgekonferenz des Madrider Klimagipfels von 2019 stattfindet. Sie ist für den 12. Dezember online geplant, ein Tag nach dem EU-Gipfel.

Eine gemeinsame Position der Mitgliedstaaten ist zudem Voraussetzung für die Verhandlungen mit dem EU-Parlament zum europäischen Klimagesetz. Die Abgeordneten hatten vergangene Woche ein Reduktionsziel von netto 60 Prozent für 2030 verlangt. Das heißt auch, dass sie bisherige Berechnungen der EU-Kommission ablehnen, die positive Effekte wie die Aufforstung von Wäldern auf das Klimaziel anrechnet. (AFP)

Martin Trauth

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