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Rund 50 westliche Diplomaten setzen nach Spavors Verurteilung in Peking ein Zeichen.

© Florence Lo/Reuters

Wider die Willkür: Der Westen wirft China Geiseldiplomatie vor

Nach Festnahmen und Verurteilungen kanadischer Bürger solidarisieren sich Diplomaten in Peking.

Die deutschen Diplomaten hatten es nicht weit zum Gruppenfoto vor der kanadischen Botschaft in Peking, diese liegt nämlich direkt gegenüber ihrer Landesvertretung auf der anderen Straßenseite.

Und auch die meisten der anderen rund 50 Diplomaten aus 25 Nationen dürfte das Treffen keine logistischen Mühen gekostet haben, viele Landesvertretungen befinden sich im Botschaftsviertel von Sanlitun.

Und dennoch geht ein wichtiges Zeichen von dem Gemeinschaftsfoto westlicher Diplomaten in Peking aus: Wir stehen solidarisch an der Seite Kanadas gegen chinesische Willkürjustiz und Geiseldiplomatie.

Vorwurf der willkürlichen Verhaftungen

Denn so wird von ihnen der Richterspruch gegen den kanadischen Geschäftsmann Michael Spavor bewertet, der in der vergangenen Woche wegen Spionage zu elf Jahren Haft verurteilt worden ist.

EU-Ratspräsident Charles Michel schrieb auf Twitter: „Willkürliche Inhaftierungen haben keinen Platz in den internationalen Beziehungen.“ Und US-Außenminister Anthony Blinken sagte: „Die Praxis willkürlicher Inhaftierungen von Personen, um Druck auf ausländische Regierungen auszuüben, ist völlig inakzeptabel.“ Menschen seien keine Verhandlungsmasse, twitterte er.

Das Urteil soll Druck auf Kanada ausüben

Nicht nur die USA glauben, dass China mit dem Urteil Druck auf Kanada ausüben wolle, um dort die Freilassung der festgenommenen chinesischen Huawei-Finanzchefin Meng Wenzhou zu bewirken. Kurz nach Mengs Festnahme am 1. Dezember 2018 in Kanada waren Spavor und der kanadische Politikwissenschaftler und Ex-Diplomat Michael Kovrig in China festgenommen worden. Beiden wird Spionage vorgeworfen, ein Verfahren und ein Urteil gegen Kovrig steht seit zweieinhalb Jahren aus.

Aus 15 Jahren Haft wurde die Todesstrafe

Und auch die Bestätigung des Todesurteils gegen den mutmaßlichen kanadischen Drogenhändler Robert Lloyd Schellenberg in der vergangenen Woche könnte mit dem Fall Meng zusammenhängen.

Schellenberg war zum Zeitpunkt von Mengs Verhaftung bereits in China wegen Drogenhandels zu einer Haftstrafe von 15 Jahren verurteilt worden. Allerdings legte er Berufung ein – was sich im Nachhinein als großer Fehler herausgestellt hat.

Nach Mengs Verhaftung in Kanada verschärfte das chinesische Gericht die Strafe – und verhängte die Todesstrafe, was jetzt bestätigt worden ist.

Das Videostandbild zeigt Michael Spavor.
Das Videostandbild zeigt Michael Spavor.

© dpa

Die offenbar drastische Reaktion Chinas auf Meng Wenzhous Festnahme könnte an ihrer Prominenz liegen. Sie ist nicht irgendeine Geschäftsfrau, sondern zählt als Tochter des Huawei-Gründers Ren Zhengfei zur chinesischen Nomenklatura, also zur mächtigen Wirtschafts- und Parteielite der Volksrepublik. Ihr wird in den USA Bankbetrug im Zusammenhang mit Verstößen gegen Iran- Sanktionen vorgeworfen.

Die Huawei-Managerin weist das als unbegründet zurück. Eine Entscheidung über eine Auslieferung Mengs an die USA rückt näher, womöglich ist das auch ein Grund für die beiden Verhandlungen gegen die Kanadier in der vergangenen Woche.

Bei Schellenberg wurden 222 Kilo Crystal Meth entdeckt

Beide Urteile könnten theoretisch Gegenstand von diplomatischen Verhandlungen werden. Spavor ist auch zur Abschiebung verurteilt worden, was nicht zwingend nach Verbüßung der gesamten Haftstrafe geschehen muss.

Und das Todesurteil gegen Schellenberg, bei dem 222 Kilogramm Crystal Meth gefunden worden sind und der behauptet, von seinem chinesischen Dolmetscher reingelegt worden zu sein, muss noch vom Obersten Volksgerichtshof bestätigt werden. Es könnte dort noch abgewandelt werden. Einen Zeitplan dafür gibt es nicht.

China streitet jeden Zusammenhang der Fälle ab

Peking verwies in der Vergangenheit auf die Unabhängigkeit seiner Gerichte und stritt jeglichen Zusammenhang zwischen dem Fall Meng und den zwei inhaftierten Kanadiern sowie der Urteilsverschärfung beim dritten Kanadier ab.

Hu Xijin, Chefredakteur der nationalistischen „Global Times“, macht das nicht, sondern zeigt in einem Tweet auf andere: „Was willkürliche Festnahmen betrifft, sind die USA besser als jedes andere Land.“ Und man könnte es als Zusammenhang mit dem Fall Meng verstehen, wenn er schreibt: „China ist nicht Kanada, das sich Amerikas unerträglicher Macht wehrlos ergibt.“

Meng Wanzhou auf dem Weg zum Supreme Court in Vancouver.
Meng Wanzhou auf dem Weg zum Supreme Court in Vancouver.

© imago images/ZUMA Press

Die Angriffe gegen die USA spiegeln die „Wolfskrieger“-Diplomatie wider, auf die China in letzter Zeit setzt. Damit sind kriegerisch klingende, nationalistische, angriffslustige Botschaften zu verstehen.

Der neue Botschafter Chinas in den USA verteidigte diesen Stil zuletzt als notwendige Antwort auf „grundlose Verleumdungen“ und „verrückte Angriffe gegen China“. Unter Präsident Xi Jinping tritt China auch nach außen immer selbstbewusster und aggressiver auf. Auch das Pekinger Botschaftsfoto hat die „Wolfskrieger“ der Volksrepublik auf den Plan gerufen. „Performancekunst westlicher Diplomaten in Peking: um einen kanadischen Drogenkriminellen zu verteidigen“, schrieb die chinesische Botschaft von Antigua und Barbuda am Freitag auf Twitter.

Der rassistische Tweet wurde später gelöscht

In Wirklichkeit galt die Versammlung aber dem Geschäftsmann Michael Spavor. Und weil ein asiatisch aussehender US-amerikanischer Diplomat etwas abseits steht, geht es unverholen rassistisch weiter: „Und ja, der am weitesten an der Seite steht, in der kleinen gelbhäutigen Rolle, das ist der Japaner, der noch nicht einmal berechtigt ist, auf der Bühne zu stehen.“ Später wurde der Tweet gelöscht.

"Keiner ist gegen eine Festnahme in China immun"

Nicht nur Kanada könnte von chinesischer Geiseldiplomatie betroffen sein. Als sich die diplomatischen Spannungen zwischen China und Australien vor rund einem Jahr weiter zuspitzten, wurde in der Volksrepublik die australische Journalistin Cheng Lei wegen „Gefährdung der nationalen Sicherheit“ inhaftiert.

„Keiner ist in diesen Tagen gegen eine Festnahme in China immun – Tycoons, Prominente, Journalisten, der ehemalige Interpolchef – viele Menschen, ob Ausländer oder Einheimische, sind im chinesischen Justizsystem verschwunden, ohne klare Erklärung, warum“, sagte damals Elaine Pearson von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch dem „Guardian“.

Selbst ein Boykott der Winterspiele in Peking wird erwogen

Inzwischen warnt sogar der kanadische Oppositionsführer Erin O’Toole die eigenen Athleten davor, im nächsten Jahr zu den Olympischen Winterspielen nach Peking zu fahren: „Wir kommen zu einem Punkt, an dem es für Kanadier, inklusive olympischen Athleten, nicht mehr sicher sein könnte, nach China zu reisen.“

Er sprach sich dafür aus, dass die Wintersportnation Kanada einen Boykott der Spiele erwägen sollte.

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