zum Hauptinhalt
Anfang Februar zählte Europol alle manipulierten Fußballspiele zusammen, die mehrere staatliche Strafverfolger in den vergangenen Jahren ermittelt hatten – und kam auf knapp 700.

© dpa

Wettmanipulation im Fußball: Wie manipuliert ist der Sport?

Die Politik will schärfer gegen Wettbetrug vorgehen. Das hat sich die Weltsportministerkonferenz vorgenommen, die von Dienstag an in Berlin tagt. Wie manipuliert ist der Sport?

Wenn ein Fußballmatch manipuliert wird, kann schon mal die halbe Welt im Spiel sein. Der Berliner Ante Sapina etwa platzierte über eine Firma in London bei einem philippinischen Anbieter Wetten auf eine Begegnung zwischen Liechtenstein und Finnland. Ein bosnischer Schiedsrichter sollte es in seinem Auftrag manipulieren. In Finnland wurde ein Mann aus Singapur verhaftet, der unter anderem Spiele in Italien, Finnland und Ungarn manipuliert haben soll. Weil das Problem keine Ländergrenzen kennt, wird in den nächsten Tagen so global wie nie zuvor darüber diskutiert. Die Weltsportministerkonferenz der Unesco, die von Dienstag bis Donnerstag im Berliner Hotel Intercontinental stattfindet, hat den Kampf gegen Wettbetrug ganz oben auf die Tagesordnung gesetzt. Es geht um die Integrität des Sports.

Welches Ausmaß hat Wettmanipulation im Sport?

Anfang Februar zählte Europol alle manipulierten Fußballspiele zusammen, die mehrere staatliche Strafverfolger in den vergangenen Jahren ermittelt hatten – und kam auf knapp 700. Betroffen waren nationale Ligen, aber auch internationale Begegnungen wie die WM-Qualifikation. Beinahe jeden Monat wird irgendwo in Europa eine neue Betrugsserie bekannt. Erst vor wenigen Tagen wurden drei Fußballer wegen Manipulation von Spielen in Italiens höchster Liga angeklagt.

In der Bundesliga ist bisher noch kein Spiel bekannt geworden. Gut möglich, dass die hohen Einkünfte die Profis immunisieren. Aber gerade der Fußball in Deutschland musste schon einige Skandale verkraften, wie die vorsätzlichen Fehlentscheidungen des Schiedsrichters Robert Hoyzer. Eines seiner prominentesten Opfer war ein DFB-Pokalspiel.

In der Zweiten Liga sind ebenfalls schon Absprachen bekannt geworden und zahlreiche Spiele in halbprofessionellen Ligen und sogar im Nachwuchsfußball. Die Prozesse gegen Hoyzers Hintermann Sapina, zuletzt vor dem Landgericht Bochum, haben der Öffentlichkeit vor Augen geführt, wie leicht sich manche Spieler auf Absprachen einlassen. Sapinas Strafverteidiger Stefan Conen glaubt jedoch an eine abschreckende Wirkung: „Seit dem Sapina-Prozess ist die Spielmanipulation vermutlich schwieriger geworden, weil die Spieler vorsichtiger sein dürften.“

Auch in kleineren Sportarten ist Manipulation ein Problem. Als deutsche Kaderathleten aus überwiegend olympischen Sportarten kürzlich gefragt wurden, ob sie schon mal an einer Manipulation beteiligt gewesen seien, antworteten knapp neun Prozent mit Ja. 37 Prozent machten keine Angabe.

Wie funktioniert das System der Wettmanipulationen?

Spieler werden von Hintermännern angesprochen und nach ihrer Bereitschaft gefragt, gegen Geld einen Elfmeter zu verursachen, ein Tor reinzulassen oder einfach weniger engagiert zu spielen als sonst. Sapina berichtete vor dem Landgericht Bochum, dass sich manche Profis für 5000 bis 7000 Euro darauf einließen, ein Torwart für etwas mehr. Schiedsrichter bekamen 40 000 Euro, weil sie besonders auf das Spiel Einfluss nehmen können.

Anfällig werden Sportler vor allem durch Spielsucht und Spielschulden. Es kommt auch vor, dass sie in der Manipulation einen zusätzlichen Kick für ihren Berufsalltag sehen. In seltenen Fällen wurde auch schon von Erpressung berichtet, wenn etwa Sportlern damit gedroht wird, eine inszenierte Liebesaffäre öffentlich werden zu lassen.

In manchen Ländern wie der Türkei ist es nicht einmal erforderlich, einzelne Spieler konspirativ zum Torezulassen zu überreden. Dort ordnet schon mal ein Vereinspräsident eine Niederlage an, wenn sich dadurch viel Geld verdienen oder einem verfeindeten Klub Schaden zufügen lässt, berichten Insider. Die Mannschaften sind dann nur noch Spielzeuge. Auch in Belgien war es Hintermännern der Wettmafia gelungen, einen ganzen Verein zu übernehmen.

Das System funktioniert nur deshalb so gut, weil die Wetten zum großen Teil bei asiatischen Unternehmen platziert werden, die bessere Quoten anbieten und höhere Einsätze zulassen – und obendrein mehr Anonymität gewährleisten. Der asiatische Wettmarkt mit seinen Zentren in China, Singapur, Malaysia und auf den Philippinen ist milliardenschwer. „In China sind Wetten, soweit ich weiß, nicht legal. Wenn man politisch wollte, könnte man diesen Markt bekämpfen, denn er ist vor allem auch für Geldwäsche interessant“, sagt Anwalt Conen. Wettgewinne gelten schließlich immer als sauber.

Wer sind die Profiteure – und wer die Verlierer?

Es gewinnen vor allem die Hintermänner. Die Spieler, Schiedsrichter oder Funktionäre verdienen ebenfalls mit. Der Kreis der Verlierer ist dagegen riesig. Angefangen bei betrogenen Mitspielern über die Fans des Vereins bis hin zu den Wettern, die ihren Einsatz in dem Glauben getätigt hatten, hier gehe alles mit rechten Dingen zu. Es gibt aber noch einen Verlierer, dem die Niederlage im Grunde egal ist: „Der juristische Geschädigte bei der Spielmanipulation ist der asiatische Wettmarkt. Das ist aberwitzig und in etwa so, als würde man bei der Bekämpfung des Drogenhandels die Mohnanbaugebiete zum Schutzgut unseres Betäubungsmittelgesetzes verklären“, sagt Conen.

Was kann man dagegen tun?

Sportverbände wie der europäische oder der Weltfußballverband haben Frühwarnsysteme eingerichtet, um selbst Auffälligkeiten bei der Entwicklung von Wettquoten zu entdecken. Bei den Spielen, die von der Staatsanwaltschaft Bochum zusammengetragen wurden, schlugen diese Systeme jedoch keinen Alarm. Sie sind im Grund wirkungslos, weil sie den asiatischen Wettmarkt nicht durchdringen.

In Deutschland wird inzwischen darüber diskutiert, einen Straftatbestand Sportbetrug einzuführen, der sowohl beim Doping, als auch beim Wettbetrug greift. „Nun wenn wir einen eigenständigen Straftatbestand haben, der die Manipulatoren direkt als Täter erfasst, haben unsere Strafverfolger das notwendige Instrumentarium an der Hand, um handeln zu können“, sagt etwa die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU). Analog zu einem Anti-Doping-Code ist auch ein Anti-Manipulationscode im Gespräch, um Vereinen und Sportlern klare Regeln und Verhaltensweisen ím Umgang mit der Betrugsgefahr an die Hand geben.

Der Umgang mit den Sportwetten ist zweischneidig. Denn gerade die deutschen Profifußballklubs haben erfolgreich auf die Legalisierung von privaten Wettanbietern gedrängt. Sie erhoffen sich insgesamt jährliche Einnahmen über 300 Millionen Euro. Auch darin sieht Anwalt Conen eine Gefahr: „Wer will ausschließen, dass Wettanbieter, die einerseits mit Millionen Fußballvereine sponsern und andererseits ihr Geschäft mit Spielausgängen bestreiten, nicht selbst versuchen, ins Geschehen einzugreifen?“

Zur Startseite