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Kanzlerin Angela Merkel und Albaniens Premier Edi Rama am Montag im Kanzleramt.

© AFP

Update

Westbalkan-Konferenz in Berlin: Angst vor neuem Nationalismus

Kanzlerin Merkel lehnt einen Gebietstausch zwischen Serbien und dem Kosovo ab. Dies ist mit der Furcht vor einem fatalen Domino-Effekt auf dem Balkan begründet.

Ein neuer Impuls für die Normalisierung des Verhältnisses zwischen Serbien und dem Kosovo – das ist die Erwartung im Kanzleramt für die Westbalkan-Konferenz, die am Montagnachmittag in Berlin beginnt. Bei dem Mini-Gipfel im Kanzleramt dürfte sich die Aufmerksamkeit vor allem auf drei Personen richten: den serbischen Präsidenten Alexandar Vucic, seinen kosovarischen Amtskollegen Hashim Thaci – und Emmanuel Macron.

Der französische Präsident gehört neben Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zu den Initiatoren des Treffens, bei dem Staats- und Regierungschefs sämtlicher sechs Westbalkan-Staaten (Serbien, Kosovo, Nordmazedonien, Albanien, Bosnien-Herzegowina und Montenegro) sowie aus aus den beiden EU-Staaten Kroatien und Slowenien vertreten sind. Von Macron dürfte es abhängen, ob eine kontrovers diskutierte Idee zur Zukunft des serbisch-kosovarischen Verhältnisses bei der Berliner Westbalkan-Konferenz am Leben erhalten oder endgültig beerdigt wird: ein Gebietstausch zwischen Serbien und Kosovo.

Zwischen Serbien und dem Kosovo ist ein Gebietstausch im Gespräch.
Zwischen Serbien und dem Kosovo ist ein Gebietstausch im Gespräch.

© Fabian Bartels

Die Idee eines Gebietstauschs hatten Vucic und Thaci bei einem europäischen Forum im österreichischen Alpbach im August vergangenen Jahres ins Spiel gebracht. Details nannten die Präsidenten Serbiens und des Kosovo zwar nicht. Aber immer wieder ist davon die Rede, dass ein Teil des Nordkosovos, der von Serben bewohnt wird, Serbien zugeschlagen wird. Im Gegenzug könnte das Presevo-Tal im Südwesten Serbiens, wo überwiegend Albaner zu Hause sind, dem Kosovo angegliedert werden.

Parteiübergreifende Unterstützung für Merkels Kurs

Merkel ist strikt gegen einen solchen Gebietstausch. Ihre Befürchtung lautet, dass mit einer neuen Grenzziehung entlang ethnischer Trennlinien ein fataler Dominoeffekt am dem Balkan in Gang gesetzt werden könnte. So hegt Albaniens Präsident Edi Rama großalbanische Ambitionen – unter Einschluss der Albaner im Kosovo, in Serbien, Mazedonien und Montenegro. Auch die Pläne für eine Loslösung der Serben-Republik innerhalb von Bosnien-Herzegowina könnten neue Nahrung erhalten. In ihrem Bestreben, einem neuen Nationalismus und neuen Grenzziehungen einen Riegel vorzuschieben, wird Merkel in Berlin von außenpolitischen Experten parteiübergreifend unterstützt.

Macron will "alle möglichen Optionen" in den Blick nehmen

Offen war bis zuletzt allerdings, welche Position Macron in der Frage des Gebietstauschs einnimmt. Zwischenzeitlich war spekuliert worden, dass Frankreichs Staatschef gemeinsam mit seinem amerikanischen Amtskollegen Donald Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin eine neue Grenzziehung befürworten würde. Zum Auftakt der Konferenz erklärte Macron bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Merkel, Deutschland und Frankreich hätten nicht die Absicht, Belgrad und Pristina eine Lösung vorzugeben. Vielmehr gehe es darum, "alle möglichen Optionen in den Blick zu nehmen". Sowohl Merkel als auch Macron betonten, dass es bei der Konferenz nicht um die EU-Erweiterung gehen werde. Unter den europäischen Staats- und Regierungschefs ist es nicht zuletzt Macron, der bei einem möglichen EU-Beitritt der Westbalkan-Staaten auf der Bremse steht.

In Berlin herrscht indes die Ansicht, dass der Schlüssel zur Befriedung Serbiens und des Kosovo nicht in einem Gebietstausch liegt, sondern in einem erfolgreichen Abschluss der 2011 begonnenen Normalisierungsgespräche. Es war Merkel gewesen, die seinerzeit einen entscheidenden Anstoß zu den Gesprächen gegeben hatte.

EU-Außenbeauftragte Mogherini ließ Gespräche zwischen Belgrad und Pristina schleifen

Seit einem halben Jahr stocken diese Gespräche komplett. Das hängt auch damit zusammen, dass die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini ihre Aufsicht bei den Verhandlungen schleifen ließ. Als dickster Brocken gilt dabei die Frage, in welcher Form das Kosovo bei internationalen Organisationen vertreten sein soll. Das Kosovo hatte sich 2008 für unabhängig erklärt, wird aber bis heute nicht von Serbien anerkannt. Ohne eine Beilegung ihres Konflikt ist aber weder für Belgrad noch für Pristina an einen EU-Beitritt zu denken.

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