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Vorstellung des unabhängigen Islamkollegs Osnabrück, das Imame und religiöse Gemeindemitarbeiter ausbilden wird.

© 360-Berlin

Wertschätzung für Muslime und Kampf gegen islamistischen Terror: Zwei wichtige Schritte für den Islam

Die Islamkonferenz treibt die Ausbildung der Imame voran. Merkel und ihre Kollegen zeigen derweil den Schulterschluss beim Kampf gegen Terror. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Andrea Nüsse

Es war ein guter Tag für den Islam in Deutschland. Und es war ein guter Tag für Europas Kampf gegen die Terroristen, die im Namen der islamischen Religion morden.

Auf beiden Feldern gab es die klaren Signale, die man bei dem Themenkomplex oft vermisst. Das eine bei der deutschen Islamkonferenz, das andere beim europäischen Spitzentreffen zum islamistischen Terror – zwei Veranstaltungen, die am Dienstag zeitgleich stattfanden.

Bei der hiesigen Islamkonferenz ging es um die Ausbildung von Imamen in Deutschland. Damit lässt man die Debatte, ob der Islam zu Deutschland gehört, meilenweit hinter sich. Er tut es. Diese Erkenntnis ist die Grundlage dafür, die theologische und seelsorgerische Ausbildung in diesem Land zu stärken.

Gleichzeitig zeigt Europa nach den Anschlägen von Conflancs-Sainte-Honorine, Nizza und Wien den überfälligen Schulterschluss: Mit der Videokonferenz zwischen Frankreichs Präsident Emanuel Macron, dem österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz und Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel wird der Kampf gegen islamistischen Terror als gemeinsame europäische Aufgabe definiert.

Europa ist solidarisch, insbesondere im Kampf um die Meinungsfreiheit, bei dem Frankreich federführend ist; die Angriffe gelten allen liberalen Gesellschaften. Daher stärkt man die sicherheitspolitische Kooperation.

Es braucht eine gewisse Entspannung gegenüber dem Islam

Das ist die nicht leichte Gratwanderung, die westliche Gesellschaften hinbekommen müssen. Klare Kante gegenüber extremistischen Islamisten, gleichzeitig aber ein natürlicher und selbstverständlicher Umgang mit Muslimen und Respekt für ihre Religion im Allgemeinen. Hier braucht es auf Seiten der Mehrheitsgesellschaft sicher eine gewisse Entspannung. Nicht jedes Zeichen von Religiosität ist ein Angriff auf die Republik.

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Oberstes Ziel muss es vielmehr sein, die Gläubigen und die in Deutschland öffentlich verbreiteten Islam-Interpretationen weiter aus den Abhängigkeiten von ausländischen Religionsbehörden zu lösen. Der neue Lehrgang für islamische Prediger in Osnabrück, der erstmals unabhängig von islamischen Verbänden religiöses Seelsorgepersonal ausbildet, ist genau der richtige Schritt.

Er ergänzt die seit Jahren angebotenen islamischen Theologiestudien an deutschen Universitäten, deren Absolventen allerdings selten die Arbeit als Prediger aufnehmen. Noch immer finanzieren Länder wie die Türkei, Saudi-Arabien oder Iran zu viele muslimische Vereine und Seelsorger in Deutschland und nehmen damit politischen und religiösen Einfluss.

Null-Toleranz bei Werten wie Meinungsfreiheit oder Gleichberechtigung

Neben sozialen und gesellschaftlichen Faktoren ist nämlich entscheidend, welcher Islam in Deutschland gepredigt wird, um einer Radikalisierung etwas entgegenzusetzen. Grundsätzlich geht es darum, ob ein legalistischer oder fundamentalistischer Ansatz gewählt wird, nach dem auch die überlieferten Aussprüche und Handlungen des Propheten Mohammed (Hadithe) wörtlich genommen und als direkte Handlungsanleitungen angesehen werden.

Das ist eine Lesart, in der es immer nur um „erlaubt“ oder „verboten“ geht.

Oder ob man vielmehr auf andere Denkschulen im Islam zurückgreift, die den historischen Kontext und den ursprünglichen Sinn mitbetrachten und dann schauen, was das in der heutigen Gesellschaft heißen könnte. Es wäre hilfreich, solche Ansätze massiv zu unterstützen. Dann käme es vielleicht seltener zu den Kultur-Clashes, bei denen vermeintlich „der“ Islam und westliche Werte so unversöhnlich aufeinanderprallen.

Die liberale Gesellschaft muss diese Zusammenstöße ausfechten und darf nur dort Toleranz zeigen, wo es angemessen ist. Bei Werten wie Gleichberechtigung, Meinungsfreiheit, gesellschaftlicher Pluralität oder Anerkennung der Gesetze kann es keine Kompromisse geben. Aber dass der Kampf gegen islamistischen Terror kompatibel ist mit dem Respekt für Muslime war die frohe Botschaft des Tages.

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