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Ein Paragraf soll weg, fordert die Demonstrantin. Bald ist es so weit.

© imago/IPON

Werbeverbot für Abtreibung wird gestrichen: Paragraf 219a ist nicht der Skandal, zu dem er gemacht wird

Der Schwangerschaftsabbruch wird aus gutem Grund im Strafgesetz geregelt, das Werbeverbot auch. Das Konzept hat sich als tauglich erwiesen. Ein Kommentar.

Bald soll das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche fallen. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat am Montag einen Referentenentwurf mit der Streichung des umstrittenen Paragrafen 219a Strafgesetzbuch auf den Weg gebracht; die Koalition hatte es so verabredet.

Unter den Ampelpartnern gilt die Vorschrift als unzeitgemäß, weil sie sachliche Informationen über Abtreibungsangebote angeblich behindert. Viele Frauenpolitiker beklagen den Zustand schon lange, weil sie das Werbeverbot als fortgesetzte Entmündigung empfinden, in die Schwangere durch den Abtreibungsparagrafen 218 ohnehin hineingezwungen würden.

Aus ihrer Sicht ist die gegenwärtige Rechtslage ein unzulässiger Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht, letztlich: ein Skandal, der Anlass zur Empörung gibt ebenso wie das unsägliche Auftreten von Abtreibungsgegnern vor Arztpraxen oder das Bestreben mancher US-Bundesstaaten, Schwangerschaftsabbruch bis zur Unmöglichkeit zu erschweren.

Wer sich informieren will, kann es. Besser denn je

Wer dieses Szenario für plausibel hält, wird die Abschaffung von Paragraf 219a als wichtigen ersten Schritt betrachten. Es sollten aber weitere Perspektiven erlaubt sein. So war es wohl noch nie so einfach wie heute, sich über Möglichkeiten und Methoden eines Schwangerschaftsabbruchs zu informieren und mit Stellen in Kontakt zu kommen, die ihn durchführen.

Es ist in der Bundesrepublik keine Schwangere bekannt geworden, die infolge eines Mangels daran oder wegen des Werbeverbots ein Kind austragen musste. Ein ausreichendes medizinisches Angebot vorzuhalten, ist gesetzliche Pflicht.

Der auf politischer Ebene ausgefochtene Kampf um das Selbstbestimmungsrecht schrumpft in der Lebenswirklichkeit Betroffener auf die obligatorische Beratung zusammen. Alles in allem kann sich jede Frau in den ersten Schwangerschaftswochen frei entscheiden, diese medizinisch versorgt und rechtlich gesichert zu beenden. Wäre es anders, wäre es in der Tat ein Skandal.

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Der ungeliebte und unter der großen Koalition bereits reformierte Paragraf 219a war bisher Teil eines Schutzkonzepts, das aufgrund der Zuschreibung eines Embryos als „Leben“ noch immer im Strafgesetzbuch seinen Platz hat. Für eine solche Straftat, auch wenn sie ausnahmsweise und unter bestimmten Bedingung erlaubt ist, sollte nicht ohne Weiteres geworben werden dürfen, so der Gedanke.

Er folgt einer Logik, die das Bundesverfassungsgericht vor Jahrzehnten als verbindlich statuiert hat: Auch ungeborenes Leben steht demnach unter dem Schutz der staatlichen Gemeinschaft.

Im sich anbahnenden Kulturkampf könnten die ungewollt Schwangeren die Verliererinnen sein

Ob es überfällig ist, sich von diesen Kategorien zu lösen, scheint angesichts der Diskussionen in den USA und Europa fraglich. Der geltende, gewiss sowohl juristisch wie moralisch und politisch angreifbare Kompromiss hat es immerhin geschafft, dass der Abbruch einer Schwangerschaft heute gesellschaftlich weithin akzeptiert ist, ohne die an ihm ebenso zulässige Fundamentalkritik aus dem Diskurs auszuschließen.

Dass er von Schwangeren Unzumutbares verlangt, ist nicht ersichtlich. Zugleich sind die Zahlen in etwa stabil. Würde es nicht angesichts der menschlichen Nöte der Beteiligten gefühllos klingen, man könnte von einem Erfolgsmodell sprechen.

Natürlich kann man nach neuen Modellen suchen. Aber sind sie so gut wie das alte? Lohnen sich neue Konflikte? Im sich anbahnenden Kulturkampf könnten die ungewollt Schwangeren die Verliererinnen sein. Das darf nicht passieren.

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