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An den Grundschulen wird überall die Ganztagsbetreuung kommen.

© Marcel Kusch/dpa

Wer zahlt für den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung?: Kritik an Franziska Giffeys Herzensanliegen

Ganztags an der Grundschule: Es sollte Giffeys letztes großes Projekt als Ministerin sein. Der Landkreistag hält die Finanzierung für nicht gesichert. 

Es ist eines der letzten größeren Projekte im Koalitionsvertrag, die noch ausstehen: der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in Grundschulen. Nicht zuletzt Franziska Giffey, die gerade als Familienministerin zurücktrat, hatte das Vorhaben voranzutreiben versucht. 

Aber es wurde eine Hängepartie daraus. Denn Länder und Kommunen müssen beteiligt werden – Schulpolitik und Schulträgerschaft sind ihre Sache, also auch von ihnen zu finanzieren. Eigentlich. Aber der Bund will mehr, als sich bisher getan hat bei der Ganztagsbetreuung auch von Schülern.

Daher steht an diesem Freitag das Ganztagsbetreuungsgesetz auf der Tagesordnung des Bundestags. Im Eilverfahren soll der Rechtsanspruch, der hohe Kosten nach sich ziehen wird, noch vor der Sommerpause beschlossen werden. Ende Juni soll der Bundesrat zustimmen. Dann ist Wahlkampf. Und Giffey vor allem hätte noch einen Erfolg zu verkünden gehabt als Bundesministerin, bevor es in den Berliner Wahlkampf geht.  

Gesetz soll ab 2026 gelten

Mit dem Gesetz wird ab 2026 der Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung für alle Kinder bis zum Eintritt in die fünfte Klassenstufe eingeführt. Das läuft dann auf Ganztagsbetreuung in den Grundschulen hinaus. Umstritten ist das Gesetz in der Sache kaum, es wird von beiden Koalitionsfraktionen eingebracht, auch eine Mehrheit im Bundesrat ist in der Sache sicher. 

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Aber bezahlen werden eben vor allem die Länder und Kommunen das Vorhaben. Deren einmalige Kosten werden auf 4,8 bis 6,7 Milliarden Euro beziffert. Die Betriebsausgaben werden laut Gesetzentwurf im Jahr 2029, wenn die Anlaufphase vorbei sein soll, bei 3,2 bis 4,4 Milliarden Euro geschätzt. Und diese werden jährlich wachsen.

Fast eine Milliarde Fixbeitrag

Der Bund verzichtet zur Finanzierung auf Umsatzsteuereinnahmen – Ländern und Kommunen sollen nach 2029 jährlich 960 Millionen Euro mehr zufließen, ein Fixbetrag also. Zudem werden in einem Sonderprogramm 3,5 Milliarden Euro zugeschossen.   

Aber wofür sich die Koalitionsparteien im Wahlkampf loben werden, kommt zumindest beim Deutschen Landkreistag nicht ganz so gut an. Der fühlt sich übergangen und übertölpelt, weil die kommunalen Verbände zu wenig  in die Vorbereitung des Gesetzes eingebunden gewesen seien. Und es gibt auch ganz grundsätzliche Bedenken, auch wenn das Ziel der Ganztagsbetreuung unterstützt wird. 

"Gar keine Kompetenz"

Hans-Günter Henneke, geschäftsführendes Präsidialmitglied des Landkreistags, sagte dem Tagesspiegel: „Der Bund hat nach der Verfassung nicht die Kompetenz, das zu regeln, und die Bundesregierung hat auch nicht gemeinsam mit den Ländern für die Finanzierung gesorgt.“

Der Grund für diese Bedenken:  Es gehe nicht um einen fürsorgerischen Sonderbedarf für einige Kinder, der im Rahmen der Jugendpflege akut zu beheben wäre, sondern um eine generelle Regelung für alle Grundschulkinder. Damit wären aber ausschließlich die Länder zuständig. „Der Bund hat nur die Möglichkeit der Mitfinanzierung der Investitionen, aber er hat nicht die Befugnis, die Sache gesetzlich selbst in die Hand zu nehmen.“

Kommunen fürchten hohe Kosten

Aber der Streit im Hintergrund dreht sich vor allem um das Geld. Zwar kam die Bundesseite den Ländern entgegen, der jährliche Fixbetrag etwa wurde verdoppelt. Doch er steigt nach 2030 eben nicht mehr an. Der spätere Aufwuchs der Kosten bliebe dann bei den Kommunen hängen, fürchtet Henneke. 

Auch ist ihm das Gesetz zu unflexibel. „Die Möglichkeit, das Ganztagsangebot nach dem tatsächlichen örtlichen Bedarf auszulegen, ist leider gar nicht vorgesehen. Der bundesweite Rechtsanspruch schert alles über einen Kamm.“

"Drei Jahre nichts getan, jetzt im Eilverfahren"

Drei Jahre habe die Koalition nichts getan, um das Vorhaben anzugehen, und nun solle es in einem Eilverfahren in den letzten Sitzungswochen vor der Wahl passieren, kritisiert Henneke. „Dabei ist die Finanzierung nicht gesichert. Niemand hat diese mehr als vier Milliarden Euro jährlich in den Etats eingeplant, der Bund nicht, die Länder nicht, die Kommunen nicht.“ 

Zwar hätten die Kommunen 2020 einen Überschuss gehabt, „aber das nur wegen der pandemiebedingten Bundeshilfen etwa bei der Gewerbesteuer“. Das wiederhole sich nicht.  

Giffey sprach, kurz vor ihrem Rücktritt, auf dem Deutschen Kinder- und Jugendhilfetag davon, dass ihr der Rechtsanspruch ein „Herzensanliegen“ sei. Es sei auch eine „nationale Zukunftsaufgabe“. Sie rief Länder und Kommunen zu einer gemeinsamem Kraftanstrengung auf. An der ist sie jetzt nicht mehr beteiligt, jedenfalls nicht auf Bundesseite.

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