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© imago images / PhotoAlto

Wenn Förderung Pumps trägt: Männer geißeln die Frauenquote - und lieben Seilschaften

Immer wieder wird gegen die Frauenquote mit denselben Argumenten agitiert. Auch von denen, die Hilfestellungen in anderer Form gern annehmen. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Hatice Akyün

Die Schauspielerin Heidi Kabel hat vor langer Zeit einen sehr visionären Satz gesagt: „Die Emanzipation ist erst dann vollendet, wenn gelegentlich auch eine total unfähige Frau in eine verantwortliche Position aufrücken kann.“ Das Zitat passt ganz gut mit einem Satz meines Vaters zusammen, den er mir als junge Frau mit auf den Weg gegeben hat: „Hinter jeder erfolgreichen Frau stehen mindestens fünf Männer, die sie verhindern wollten.“

Im Grunde kann man seit Jahrzehnten die Uhr danach stellen, wann wieder die nächste hitzige Diskussion um eine Quotenregelung für Frauen geführt wird. Meistens endet sie damit, dass wutschnaubende Männer auf das Leistungsprinzip pochen.

Ich finde es putzig, welche emotionalen Reaktionen der Begriff Frauenquote bei vielen Männern auslöst. Dabei wirft man gerade Frauen vor, sie ließen sich im beruflichen Kontext oft von ihren Emotionen leiten, statt mit Sachlichkeit zu punkten. Witzig ist auch, wie es gerade jene Männer sind, die auf Leistung statt Quote beharren, die selbst erst durch Seilschaften oder weil man im gleichen Tennisclub spielt, die Karriereleiter hochgetragen wurden.

Dabei heißt Quote nichts anderes, als einer unterrepräsentierten Bevölkerungsgruppe einen gleichberechtigten Partizipationsanteil zu ermöglichen. Das können Frauen, aber auch MigrantInnen, Menschen mit Behinderung oder Ältere sein.

Wie schief und mit zweierlei Maß über die Quote, diskutiert wird, zeigt sich schon daran, wie unterschiedlich „Quotenfrau“ und „Quotenmann“ verwendet werden. Die „Quotenfrau“ ist nur dank der Quote an den Job gekommen, ohne sich angestrengt zu haben, während der Quotenmann das untergebutterte Opfer von männermordenden Frauen ist.

Nun bin ich selbst Frau und dazu noch Migrantin. Im Grunde hätte ich rein theoretisch eine doppelte Chance, mit der Quote Karriere zu machen. Aber jeder weiß, wie sehr Theorie und Praxis im richtigen Leben auseinanderklaffen. Nehmen wir zum Beispiel die Zahl der MigrantInnen im Öffentlichen Dienst. Der liegt bundesweit nach einer Statistik der Friedrich-Ebert-Stiftung bei sechs Prozent.

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Jeder Vierte in Deutschland hat mittlerweile einen Migrationshintergrund, also müssten etwa 25 Prozent der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst einen Migrationshintergrund haben, damit sich in den Behörden und im Staatsdienst ein Querschnitt der Gesellschaft widerspiegelt.

In der Pflege, im Reinigungssektor und bei der Müllabfuhr funktioniert das mit der Repräsentanz übrigens überdurchschnittlich gut. Aber solange in der Politik, in Schulen, in den Gerichten und in den Führungsebenen von Staatsanwaltschaft und Polizei nicht mit gleichem Maß gemessen wird, ist der Weg noch weit bis zur Gerechtigkeit für alle. Denn was nutzt die Quote, wenn sich die Gesellschaft von innen nicht bewegt und immer wieder auf tradierte Bilder hereinfällt.

Die Quote ist ein guter Anfang

Nein, Quote bedeutet nicht, einen unterrepräsentierten Teil der Gesellschaft mit aller Macht auf einen Posten zu heben. Quote bedeutet auch nicht, dass die Qualifikation außer Kraft gesetzt wird. Die Quote ist kein Allheilmittel, und sie wird die strukturelle Benachteiligung nicht auflösen. Aber sie ist ein guter Anfang, eine Gesellschaft zu kreieren, in der jede und jeder die Chance bekommt, sich zu beweisen. Oder wie es Angela Merkel sagte: „Gleichberechtigung kann nur funktionieren, wenn die Frau nicht der Supermensch werden muss, und alle anderen dürfen so weiterleben, wie sie immer gelebt haben.“

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