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Auch andere Euro-Staaten stecken in Schwierigkeiten.

© dpa

Weltweite Schuldenprobleme: Im Vergleich ist Griechenland nur ein Frosch

Das hoch verschuldete Griechenland ist ein Problem. Aber möglicherweise nicht das größte. Das zeigt ein Blick auf die Gesamtschulden der Staaten.

Griechenland werde seine Schulden nie zurückzahlen. Das sagt nicht nur der frühere EU-Kommissionspräsident Romano Prodi. Das scheint eine allgemeine Annahme zu sein, eine Gewissheit, die Aussage wird von kaum jemandem bezweifelt. Griechenland ist ja bekanntlich ein völlig hoffnungsloser Fall. Schon immer gewesen. Der Punkt ist nur: Die meisten anderen Staaten sind keineswegs besser. Niemand hat in den verschuldeten Staaten vor, die Verbindlichkeiten wirklich einmal zurückzuzahlen. Das gilt für die USA, Großbritannien, Spanien, Italien, Frankreich, und auch für den vermeintlichen Musterknaben Deutschland. Die Wahrheit ist schlicht: Sie müssen nicht, und sie werden es nicht tun. Warum auch? Im Gegensatz zu privaten Schuldnern sitzt ihnen ja keine Bank im Nacken. Man verlängert die bestehende Schuld immer weiter. Tilgungen im großen Umfang wird es nirgends geben.

 Den Hebel umgelegt

Schaut man auf die weltweite Schuldenentwicklung der letzten Jahre, dann schrumpft das angeblich so massive griechische Problem schnell auf Froschgröße. Es gibt da ganz andere und größere Sorgenkinder. Immerhin haben die Industriestaaten, die ihre Schuldenlast in der Finanzkrise allesamt erhöhen mussten, nun den Hebel wieder umgelegt. Echter Schuldenabbau ist es nicht. Es reicht, die Schulden vorerst nicht mehr wachsen zu lassen. Und die Zinsen zahlen zu können. Das Maß aller Dinge bei den Staatsschulden ist das Verhältnis zur Wirtschaftskraft, zum Bruttoinlandsprodukt. In aller Regel wächst das BIP. In den satten entwickelten Volkswirtschaften nicht mehr stark, aber in aller Regel wächst es. Hat man also die zusätzliche Neuverschuldung gestoppt, dann beginnt das Verhältnis von Schulden zu Wirtschaftskraft zu sinken. Die Sache entspannt sich, langsam, aber sicher. Das wird von der deutschen Regierung derzeit vorexerziert. Griechenland gehört übrigens zu den Staaten, die nach einem aktuellen Report des McKinsey Global Institute ihre Schuldenlast in Relation zur Wirtschaftskraft in den nächsten Jahren senken werden. Neben Deutschland könnte das auch in Irland der Fall sein. Möglicherweise auch in den USA. Dagegen wird in Japan die Schuldenlast weiter stiegen, auch in Portugal, Spanien, Italien, Frankreich, Großbritannien.

 Primärüberschuss ist entscheidend

Und wie es aussieht, kann Griechenland – nach dem Schuldenschnitt von 2011 und dank der von IWF, EU und EZB eingeräumten günstigen Refinanzierungsbedingungen – auch seine Zinszahlungen in den Griff bekommen. Wenn man sich anstrengt. Finanzminister Varoufakis hat ja versprochen, dass in Athen nie wieder Defizite auflaufen werden. Man will den Primärüberschuss dauerhaft erreichen, wie im Hilfsprogramm verordnet, und bisher klappt es. Primärüberschuss heißt: Vor Abzug der Zinsen nimmt der Staat mehr ein, als er ausgibt. Dieser Primärüberschuss lag nach dem McKinsey-Papier in Griechenland 2014 bei 2,7 Prozent, der deutsche bei 2,1 Prozent. Um in die Entschuldung einzusteigen, würden in beiden Ländern deutlich niedrigere Primärüberschüsse genügen. Man könnte Athen also hier etwas entgegenkommen. Eher beruhigend sehen auch die Zahlen für Irland, die USA und das ebenfalls hoch verschuldete Belgien aus. Italien, das seine schon lange bestehende hohe Staatsverschuldung stets durch Primärüberschüsse einigermaßen im Griff hatte, müsste jedoch zulegen. Erst recht gilt das für Spanien, Japan, Portugal, Frankreich und auch Großbritannien – dort müssten die Haushaltsdefizite deutlich stärker sinken. Diese Länder brauchen auch alle mehr Wachstum als Deutschland, Irland, die USA und Griechenland, um mit ihrer Schuldenlast wieder in schiffbare Gewässer zu kommen.

 Was tun die Privaten?

Die niedrigen Zinsen in nahezu allen Industriestaaten helfen, die öffentliche Schuldenlast in den Griff zu bekommen. Sie haben nur einen Nachteil: Sie verführen private Haushalte und Unternehmen dazu, sich stärker zu verschulden. Oft auch höher, als es eigentlich gut wäre. Die stark gestiegene private Verschuldung, meist für Immobilien, in den USA, in England, in Spanien war ja eine der Hauptursachen für die gegenwärtige Malaise. Auch hier haben  Deutsche und Griechen, nimmt man die nackten Zahlen, eher eine Gemeinsamkeit: Die private Verschuldung gemessen an der Wirtschaftskraft ist relativ überschaubar mit 54 Prozent bei uns und mit 65 Prozent in Griechenland. Zum Vergleich: In den USA sind es, trotz eines massiven Schuldenabbaus der Privaten, immer noch 77 Prozent, Großbritannien liegt noch bei 86 Prozent, in den Niederlanden sind es 115 Prozent, und in Norwegen mit seiner Immobilienblase sogar 124 Prozent.

 Deutschland ist relativ gering verschuldet

Griechenland ist bei einer Gesamtverschuldung, also Staat, Private und Unternehmen addiert, von 317 Prozent natürlich in der Spitzengruppe (wegen der hohen öffentlichen Schuldenquote von 183 Prozent). Aber darüber liegen noch die Niederlande, Belgien, Portugal, Irland und Japan. Spanien (313 Prozent) und Dänemark (302 Prozent) stehen kaum besser da.  Frankreich (280 Prozent) und Italien (259 Prozent) sind den von der Finanzkrise stark gebeutelten Briten (252 Prozent) und US-Amerikanern (233 Prozent) schon näher. Unter den Industriestaaten hat Deutschland mit 188 Prozent die weitaus geringste Gesamtverschuldung. Je geringer sie ist, umso gelassener kann man Zinssteigerungen entgegensehen. Da jedoch das Schuldenlevel im Klub der entwickelten Staaten weit über dem deutschen Wert liegt, wird man, das gilt wohl auch für Nordamerika, auf höhere Zinsen noch ein Weilchen warten müssen. Was wiederum die Gefahr vergrößert, in die nächste schuldenfinanzierte Blase hineinzugeraten. Amerikaner, Briten, Iren und Spanier haben das mit ihren geplatzten Kredit- und Immobilienblasen hinter sich, dort werden die Privathaushalte nun vorsichtiger agieren (wenn sie denn überhaupt aus ihrer Überschuldung schon raus sind). Doch in nahezu allen anderen Industriestaaten ist die private Verschuldung nach der McKinsey-Erhebung seit 2007 gestiegen.

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