zum Hauptinhalt
Im Sudan stand al Baschir bereits vor Gericht.

© Mohamed Nureldin Abdallah, Reuters

Weltstrafgericht: Ein Diktator findet seinen Richter

Warum die Militärs des Sudan den gestürzten Herrscher Umar al Baschir an den Internationalen Strafgerichtshof ausliefern.

Sudans Militär ist offenbar zu größeren Zugeständnissen bereit. Darauf deutet die überraschende Kehrtwende der Generäle im Fall des entmachteten Diktators Omar al Baschir hin. Die Offiziere wollen einer Auslieferung des 76-Jährigen an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag (IStGH) nicht länger im Weg stehen. Eine entsprechende Entscheidung des „Souveränen Rats“, des höchsten Entscheidungsgremiums im Sudan, hatte das Ratsmitglied Mohamed Hassan al Taishi am Dienstag bekannt gegeben. Die Regierung in Khartum werde mit dem Haager Gerichtshof „in vollem Umfang kooperieren“, sagte er.

Die Generäle regieren den nordostafrikanischen Staat in einer dreijährigen Koalition gemeinsam mit der einstigen zivilen Opposition. Bisher hatten die Militärs eine Auslieferung al Baschirs strikt abgelehnt. Gleichzeitig wurde jetzt auch die Auslieferung von vier weiteren Vertrauten des Ex-Diktators ermöglicht, die vor dem IStGH angeklagt sind. Unter ihnen ist der ehemalige Chef der Al-Baschir-Partei „National Congress“, Ahmed Haroun. Die Entscheidung mache deutlich, „wie weit das Land in einer derart kurzen Zeit gekommen“ sei, sagte der us-amerikanische Sudan-Kenner Cameron Hudson: „Es gibt hier ganz grundlegende Veränderungen.“

Der Kurswechsel der Militärs steht im Zusammenhang mit den Friedensverhandlungen zwischen der Regierung und mehreren Rebellengruppen aus den Darfur-Provinzen, die derzeit in der südsudanesischen Hauptstadt Juba stattfinden. Eine der zentralen Forderungen der Rebellen ist die Auslieferung al Baschirs an den IStGH, der dem Ex-Präsidenten Völkermord, Kriegsverbrechen, Folter, Vertreibung und Vergewaltigung in den Darfur-Provinzen vorwirft.

Ein Zeitpunkt für die Auslieferung wurde nicht genannt

Das Haager Gericht hatte 2009 und 2010 zwei Haftbefehle gegen al Baschir ausgestellt. Es war das erste Mal, dass ein amtierender Präsident vor einem internationalen Gericht angeklagt wurde. Der 1989 durch einen Putsch an die Macht gekommene Diktator wurde für die schweren Menschenrechtsverbrechen verantwortlich gemacht, die Soldaten und Milizionäre nach dem Aufstand der Rebellen in den Darfur-Provinzen ab 2003 begangen haben sollen. Nach UN-Angaben wurden in den folgenden fünf Jahren mehr als 300 000 Menschen getötet und über 2,5 Millionen aus ihrer Heimat vertrieben.

Für den Präsidenten blieb der Haager Haftbefehl zunächst folgenlos. Ein Jahrzehnt lang reiste er ungestört ins Ausland, selbst in die Unterzeichnerstaaten der Römischen Verträge, die den Strafgerichtshof begründet hatten. Das schadete der Reputation des Gerichts erheblich. Eine weitere Anklage eines amtierenden Staatschefs, des kenianischen Präsidenten Uhuru Kenyatta, war wirkungslos. Die Entscheidung der sudanesischen Militärs sei jetzt ein „historischer Tag für das internationale Strafrecht“, kommentierte Jens David Ohlin, Jura-Professor an der Cornell Universität im US-Staat New York.

Ein Zeitpunkt für die Auslieferung al Baschirs wurde bislang allerdings nicht genannt. Beobachter gehen davon aus, dass zunächst die Friedensverhandlungen abgeschlossen werden sollen. Skeptiker halten es auch für nicht ausgeschlossen, dass die Generäle noch einen Rückzieher machen. „Innerhalb der Armee ist das Thema eine Büchse voller Würmer“, sagte Magdi e-Gizouli von der unabhängigen Denkfabrik „Rift Valley Institute“.

Al Baschir selbst, der derzeit eine zweijährige Strafe wegen Korruption in Khartum absitzt und außerdem bereits wegen des Todes mehrerer Demonstranten vor seiner Absetzung im April 2019 angeklagt wurde, will mit dem Haager Gerichtshof nicht kooperieren. Er halte die Behörde für eine „politische Einrichtung“, die für ihn nicht zuständig sei, ließ er wissen. Johannes Dieterich

Johannes Dieterich

Zur Startseite