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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (links) und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron am Freitag in Paris.

© REUTERS

Weltkriegsgedenken: Emmanuel Macron: Jung und geschichtsbewusst gegen Rechtsextremismus

Aus seiner Erfahrung im Präsidentschaftswahlkampf weiß Frankreichs Staatschef Macron, dass es sich auszahlen kann, Rechtsextreme deutlich an die Bedeutung der Weltkriegsgeschichte für Europa zu erinnern. Ein Kommentar.

Als Emmanuel Macron geboren wurde, war der Zweite Weltkrieg bereits 32 Jahre vorbei. Der Erste Weltkrieg war seinerzeit sogar bereits 59 Jahre Geschichte. Gerade deshalb ist es keine Selbstverständlichkeit, dass der 39-jährige französische Staatspräsident am Freitag, einen Tag, bevor sich der Waffenstillstand von 1918 zum 99. Mal jährt, gemeinsam mit seinem deutschen Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier auf dem Schlachtfeld des elsässischen Hartmannsweilerkopfs eine Gedenkstätte für die 30.000 deutschen und französischen Soldaten eröffnete, die hier im Ersten Weltkrieg umkamen.

Schlagabtausch mit Le Pen im Wahlkampf

Dass sich Macron der Bedeutung der Geschichte sehr wohl bewusst ist, zeigte sich bereits im französischen Präsidentschaftswahlkampf. Bei einer Debatte vor der ersten Runde im vergangenen April, an der auch die Vorsitzende des rechtsextremen Front National, Marine Le Pen, teilnahm, wandte sich Macron mit großer Verve gegen den aufkeimenden Nationalismus in Europa. Macron scheute sich sogar nicht, ein altes Diktum des früheren Präsidenten François Mitterrand zu wiederholen: „Nationalismus ist Krieg“. Le Pen entgegnete ihm augenrollend, dies seien „alte Kamellen“. Angesichts der starken anti-europäischen Kräfte am linken und rechten Rand in Frankreich war es seinerzeit mutig von Macron, sich derartig eindeutig als Pro-Europäer zu positionieren. Doch bei der Entscheidung ums Präsidentenamt zeigte sich dann im Mai, dass er die Stimmung im Land besser traf als Le Pen.

Le Maire warnte vor AfD als 20-Prozent-Partei

Der französische EU-Skeptizismus der vergangenen Jahrzehnte, dem Macron mit seinem eigenen Elan begegnet ist, ist hierzulande zwar weniger verbreitet als im Nachbarland. Doch wer kann schon absehen, dass dies so bleibt? In dieser Woche hat Frankreichs germanophiler Finanzminister Bruno Le Maire bei einem Besuch in Berlin davor gewarnt, dass der Höhenflug der AfD mit ihrem Einzug in den Bundestag noch keineswegs beendet sein könnte. Es sei nicht auszuschließen, dass die AfD zur 20-Prozent-Partei werde, sagte Le Maire. Man sollte die Bemerkungen des Gastes aus Paris nicht als Schwarzmalerei abtun. Frankreich ist im Umgang mit dem Extremismus aus der rechten Ecke um einige Erfahrungen reicher als Deutschland. Und der Wahlsieg Macrons hat gezeigt, dass es durchaus ein probates Mittel sein kann, der AfD mit gehörigem rhetorischem Einsatz zu begegnen – statt ihr inhaltlich nachzulaufen.

Macron spricht die Jugend an

All dies schwang mit, als sich Macron und Steinmeier an den europäischen Erinnerungsort des Hartmannsweilerkopfs begaben. Die Einweihung der Gedenkstätte geht noch zurück auf eine Initiative ihrer Amtsvorgänger François Hollande und Joachim Gauck. Hollande war es seinerzeit gewesen, der die Erinnerung an die 100. Gedenktage der unseligen Schlachten aus dem Ersten Weltkrieg zum Regierungsprogramm erhob. Auf deutscher Seite war man damals zunächst zögerlich, die Jahrestage gemeinsam zu begehen. Dennoch hat gerade die Erinnerung an die Schlacht von Verdun im vergangenen Jahr gezeigt, dass die Weltkriegserinnerung keineswegs ein verstaubtes Ritual sein muss, sondern auch die Jugend mit einbeziehen kann. Gerade die Jugend ist es auch gewesen, an die sich Macron vor gut sechs Wochen in seiner Rede an der Sorbonne-Universität wandte, als er seine Ideen für die Zukunft Europas skizzierte. In Frankreich ist eine Aufbruchsstimmung entstanden, die man sich auch für Deutschland wünschen würde.

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