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Der Südkoreaner Hoesung Lee soll den Weltklimarat (IPCC) in den kommenden Jahren führen.

© Jean Heon-Kyun/picture alliance / dpa

Update

Weltklimarat: Hoesung Lee führt den IPCC

Ein südkoreanischer Energieökonom hat drei europäische Physiker, einen Amerikaner und einen afrikanichen Last-Minute-Kandidaten ausgestochen. Der Deutsche Hans-Otto Pörtner führt die Arbeitsguppe II.

Näher an der politischen Wirklichkeit soll die Beratung des Weltklimarates (IPCC) sein. Das hat Hoesung Lee versprochen. „Wenn Sie mich fragen, was die wichtigste Arbeit zum Klimawandel ist, sage ich: der Kohlenstoffpreis“, hat er vor der Jahrestagung des IPCC in Dubrownik gesagt. Das hat ihm am späten Dienstagabend die Unterstützung von rund 140 Regierungen eingebracht, die ihn an die Spitze des IPCC gewählt haben.

Am Mittwoch sind die Wahlen fortgesetzt worden. Der Chinese Zhai Panmao und die Französin Valérie Masson-Delmotte werden die Arbeitsgruppe I koordinieren, die den Forschungsstand zu den physikalischen Grundlagen des Klimawandels zusammenträgt. Der Bremer Physiker Hans-Otto Pörtner vom Alfred-Wegener-Institut wird gemeinsam mit der Südafrikanerin Debra Roberts aus Durban, die zu den Autorinnen des Afrika-Kapitels des Umweltjahresberichts GEO 6 des UN-Umweltprogramms Unep gehört, die Arbeitsgruppe II leiten, die sich mit den Klimafolgen befasst. Arbeitsgruppe III, die sich mit Minderungsmöglichkeiten von Treibhausgasen auseinandersetzt, wird vom Briten Jim Skea und dem Inder Priyadarshi R. Shukla geführt.

Der IPCC hat im vergangenen Jahr seinen 5. Sachstandsbericht vorgelegt – ein Werk von mehreren tausend Seiten. Der Bericht besteht aus drei Teilen: Im ersten Teil ist der neueste Stand der Klimaforschung festgehalten. Darin geht es um die physikalischen Grundlagen des Klimawandels. Im zweiten Teil geht es um die Folgen der globalen Erwärmung und Anpassungsmöglichkeiten. Im dritten Teil geht es um die Handlungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Kohlendioxidemissionen.

Ein paar eher unbedeutende Fehler im Vorgängerbericht hatten dem IPCC stark zugesetzt, weil sie mitten im Meinungskampf um den menschengemachten Klimawandel öffentlich wurden. Unter dem Schlagwort „Climate-Gate“ war in Großbritannien ein E-Mail-Austausch zwischen Wissenschaftlern skandalisiert worden, der, obwohl privat, bei den Klimaskeptikern als Beweis dafür galt, dass sie mit ihren – bis heute wissenschaftlich unbewiesenen – Thesen systematisch ausgegrenzt worden seien. Dass Hoesungs Vorgänger Rajendra Pachauri den IPCC-Vorsitz wegen des Vorwurfs sexueller Belästigung im Frühjahr aufgeben musste, hat auch nicht geholfen.

"Schneller, kürzer, politiknäher"

Mit dem 5. Sachstandsbericht ist zwar der wissenschaftliche Ruf wiederhergestellt. Aber zufrieden war mit dem Mammutwerk fast niemand. Ottmar Edenhofer, Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), der als Leiter der Arbeitsgruppe III den dritten Band mitverantwortet hat, hat im Wissenschaftsmagazin „Science“ grundlegende Reformen vorgeschlagen: Der IPCC solle kürzere und schnellere Berichte liefern. Sie sollten regional zugeschnitten sein und vor allem Regierungen in Entwicklungsländern einen größeren Nutzen bringen.

Hoesung für regionale Exzellenzzentren

Genau dafür steht Hoesung Lee nach eigener Einschätzung. Er verspricht in seinem Bewerbungsschreiben die Schaffung von regionalen Exzellenzzentren für Klimaforschung, Anpassung und Treibhausgasminderung. Dabei ist es ihm wichtig, Wachstumsmodelle zu finden, die eine Überwindung der Armut und die Schonung der Erdatmosphäre ermöglichen. Damit die Wirtschaft den Forschern nicht so leicht Einseitigkeit vorwerfen kann, will Hoesung sie stärker einbeziehen. Die Kommunikation soll sich künftig stärker auf regionale Bedürfnisse konzentrieren. Das hat drei europäische, einen amerikanischen und einen afrikanischen Last-Minute-Kandidaten aus dem Rennen geworfen.

Ein starkes Bewerberfeld

Der Physiker Thomas Stocker aus der Schweiz hatte beim 5. Sachstandsbericht den ersten Teil des Reports verantwortet und schied in der ersten Wahlrunde schon aus. Nebojsa Nakicenovic, ebenfalls Physiker aus Montenegro, der aber seit vielen Jahren beim International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) in Wien arbeitet und die Unterstützung beider Regierungen vorzuweisen hatte, fiel ebenfalls durch. Der amerikanische Biologe Chris Field, der den IPCC eher unpolitischer machen wollte, hatte ebenso wenig Erfolg wie Ogunlade Davidson aus Sierra Leone, der erst Tage vor der Wahl nominiert wurde und in Dubrownik nicht einmal dabei war. Der belgische Physiker Jean-Pascal van Ypersele hatte seine Kandidatur als erster öffentlich gemacht. Im zweiten Wahlgang unterlag er Hoesung Lee, der mit 78 zu 56 Stimmen schließlich gewählt wurde.

Rajendra Pachauri hat den IPCC 13 Jahre lang geführt.
Rajendra Pachauri hat den IPCC 13 Jahre lang geführt.

© Attila Kisbenedek/AFP

Der 69-jährige Hoesung wird jedenfalls viel Unterstützung und Geschick brauchen, um den IPCC in eine neue Ära zu manövrieren. Denn selten ist ein Friedensnobelpreisträger so tief gestürzt wie Rajendra Pachauri, der 13 Jahre lang die Geschicke des Weltklimarats gelenkt hat. 30 Jahre lang führte er das TERI (The Energy and Resources Institute) in Neu-Delhi. Er ist einer der profiliertesten Wissenschaftler, den Indien zu bieten hat. Pachauri hat die Klimadiskussion in Indien und weltweit jahrelang mitgeprägt.

Der Friedensnobelpreis liegt schon lange zurück

Auf dem Höhepunkt seines Ansehens war er 2007, als er für den IPCC den Friedensnobelpreis entgegennahm. Da hatte der IPCC gerade seinen vierten Sachstandsbericht vorgelegt. Das Thema Klimawandel, seine Folgen und mit welchen Mitteln er noch aufgehalten werden könnte, war damals eines der Top-Themen der politischen Agenda. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nutzte den Rückenwind damals dafür, während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft und der G-8-Präsidentschaft anspruchsvolle Klimaschutzziele in der EU durchzusetzen und bei den G8 zumindest wieder zum Thema zu machen. Rajendra Pachauri, der im Juli auch das TERI verlassen musste, kämpft derweil ziemlich einsam um seinen Ruf - Ausgang ungewiss.

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