zum Hauptinhalt
Demonstranten auf einer Fridays-For-Future-Demo in Dortmund.

© Ina FASSBENDER / AFP

Weltklimabericht: Schluss mit der „Nach mir die Sintflut“-Mentalität

Die Jungen setzen die Alten unter Druck, sich für die Zukunft der Erde einzusetzen. Das Alarmsignal des Weltklimarates kommt da gerade richtig. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Politik denkt in Legislaturperioden. Was nicht in vier oder fünf Jahren erkennbare Erfolge bringt, lässt sich dem Wähler nur schwer als kluge Strategie verkaufen, vor allem, wenn es erst einmal Geld kostet und Verzicht auf liebe Gewohnheiten fordert. Das macht langfristige Strategien so schwer durchsetzbar, und es gilt ganz besonders, wenn die Wähler noch nicht einmal davon überzeugt sind, dass das alles sein muss. Da aber ist in Europa im Moment etwas im Kippen, in eine gute Richtung: Die Jungen setzen die Alten unter Druck, zwingen sie, von ihrer verbreiteten „Nach mir die Sintflut“-Mentalität abzurücken.

Die, die heute jünger als 30 Jahre sind, ahnen nämlich, dass sie diese Sintflut oder auch das Gegenteil, kontinentale Dürren und Hitzeperioden, noch erleben werden. Und sie machen der Politik Dampf, stärken Parteien, die die Dramatik der Situation reflektieren, und wenden sich von jenen ab, die sich erkenntnisresistent zeigen. Auch die gibt es ja: Populistische Bewegungen bei uns, aber auch in Italien oder Brasilien, reden vom Wetter, das sich nun mal ändere. Mehr sei da nicht. So kommt das Alarmsignal des Weltklimarates, des IPCC, gerade richtig. Er gibt mit seinen Warnungen und Empfehlungen der Politik eine Handlungsanleitung und warnt nicht nur vor Extremwetter und der Versteppung Südeuropas, sondern alarmiert: Nicht nur die Meere erwärmen sich. Über den Landflächen stieg die Durchschnittstemperatur stärker, um 1,53 Grad. Der IPCC fordert, Wälder und Moore besser zu schützen.

Sage niemand, Europa sei zu klein, um globale Trends umzukehren. Das wäre Feigheit vor den eigenen Möglichkeiten. Ein Drittel der CO2-Belastung der Welt kommt aus der Landwirtschaft. Auf diesem Kontinent, und genauer noch, in der Europäischen Union, leben 450 Millionen Menschen, die durch ihre Macht als Verbraucher und Konsumenten nicht nur eigene, sondern auch gefährliche Entwicklungen anderswo umsteuern können. Wenn der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro die tropischen Regenwälder abholzen lässt, um billig Soja anzubauen, das er an europäische Viehzüchter verkaufen will, muss die EU diese Einkäufe sofort stoppen.

Deutschland kann etwas tun

Die Europäische Union muss auch ihre Nahrungsmittelproduktion ändern, die nur auf billig und Quantität ausgerichtet ist. Das gilt nicht nur für die Massenhaltung von Kühen und Schweinen, ohne Rücksicht auf die Ruinierung der Böden und die schon geradezu verbrecherische Verseuchung des Grundwassers mit Gülle. Nein, das betrifft auch die gesamte Agrarförderung der EU. Ungeachtet aller Novellierungsversuche ist sie immer noch zu 70 Prozent an der Fläche der Betriebe ausgerichtet ist. Da zählen keine ökologischen Vorgaben wie die Verringerung von Dünger, weniger Pestiziden, mehr Vielfalt der Saaten.

In Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern kann jeder bei Fahrten übers Land sehen, wohin diese Zerschlagung mittelständischer Strukturen in der Landwirtschaft führt. Schlimmer noch als zu DDR-Zeiten: Felder ohne Ende, keine Hecken, keine Feldraine, keine kleinen Mischwälder. Agrar-Großbetriebe verleiben sich immer mehr Felder ein, kassieren noch höhere EU-Subventionen.

Der Weltklimarat hat die ganze Erde im Blick bei seinen Warnungen. Er sagt aber nicht, dass Europa machtlos ist. Nein, Europa, die EU, Deutschland kann etwas tun. Wir müssen etwas tun.

Zur Startseite