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Auch aus der Luft können Hungernde notfalls mit Lebensmitteln versorgt werden.

© Tony Karumba/AFP

Welternährungsprogramm zur Coronakrise: „Wir müssen die Lieferketten aufrechterhalten“

Das Coronavirus wirkt sich auch auf die Arbeit des Welternährungsprogramms aus: Experte Amer Daoudi über Hungernde, Covid-19 und Logistik in Krisenzeiten.

Amer Daoudi leitet als Direktor die Hilfsoperationen des Welternährungsprogramms (World Food Programm, WFP) und ist zuständig für Logistik, Lieferketten und Nothilfe.

Herr Daoudi, was bedeutet die Pandemie für jene, die Hunger leiden?
Die weltweiten Eindämmungsmaßnahmen werden sich direkt auf die Bedürftigsten auswirken. Wir gehen davon aus, dass die Versorgung mit Nahrungsmitteln knapper wird, was steigende Preise zur Folge hat. Das heißt, dass arme Menschen weniger Essen kaufen können. Am meisten werden Länder mit schwachen Wirtschafts- und Sozialsystemen leiden. Wir werden vor allem jenen helfen, die nur begrenzten Zugang zu Hygiene und sanitären Einrichtungen, Gesundheitsdiensten und Informationen haben.

Das ist von großer Bedeutung. Denn wenn eine Infektionskrankheit wie Covid-19 ausbricht, können Hunger und Mangelernährung extrem ansteigen und zu noch höheren Sterberaten führen. Schwangere, Kleinkinder, chronisch Kranke und ältere Menschen haben oft geschwächte Immunsysteme und sind besonders anfällig für lebensgefährliche Infektionen.

Was benötigen die Menschen dringend?
Zink und Vitamin A, die eine wichtige Rolle für die Funktion des Immunsystems spielen. Wer bereits an einer Infektion leidet, braucht besonders viel von diesen Mikronährstoffen, um die Infektion zu bekämpfen und die Körperreserven wieder aufzufüllen.

Ihre Organisation soll die Nahrungssicherheit der Menschen sichern. Wie ist das unter den derzeitigen Bedingungen möglich?
Das Welternährungsprogramm der UN, kurz WFP, muss nach wie vor lebenswichtige Hilfe für 87 Millionen Menschen auf der ganzen Welt leisten. Wir wollen unsere laufenden Operationen mit voller Kraft weiterführen – vor allem in den Ländern, in denen wegen der Pandemie die Lieferketten reißen könnten. Jetzt müssen Nahrungsmittelvorräte für drei Monate gesichert werden. WFP benötigt schätzungsweise 1,9 Milliarden US-Dollar, um Nahrungsmittel schnell einzukaufen und Vorräte an besonders gefährdeten Orten zu deponieren. Deutschland ist übrigens unser zweitgrößter Geldgeber, einen besseren Partner kann man sich nicht wünschen!

Millionen Menschen sind auf Hilfe angewiesen.
Millionen Menschen sind auf Hilfe angewiesen.

© Tony Karumba/AFP

Wie können in Pandemiezeiten Lieferketten überhaupt aufrechterhalten werden?
Auf die kommerziellen und humanitären Lieferketten wirken sich insbesondere die Schließung der Grenzen, die Unterbrechung des Waren-, Güter- und Personenverkehrs durch gestrichene Flüge und Schiffsfahrten aus. Aber auch die Quarantänezeiten und Exportbeschränkungen sowie fehlende Container, Ausrüstung und Lagerraum machen sich bemerkbar. WFP beobachtet diese Störungen weltweit und bewertet die möglichen Folgen für die eigene Lieferkette.

So arbeiten wir beispielsweise mit lokalen Behörden zusammen, um humanitäre Güter von den Beschränkungen auszunehmen, wo immer dies möglich ist. Gleichzeitig kümmern wir uns um alternative Logistikwege. Und WFP arbeitet eng mit Regierungen zusammen, damit sie kommerzielle Lieferketten aufrechterhalten können und so die heimischen Märkte stabilisieren. Ganz davon abgesehen, dass das Spektrum unserer Arbeit weit über Ernährungshilfe hinausreicht.

Inwiefern?
Wir arbeiten zum Beispiel eng mit der Weltgesundheitsorganisation WHO zusammen, unterstützen sie bei der Planung und Logistik humanitärer und gesundheitlicher Hilfe. WFP kooperiert auch mit wichtigen internationalen Partnern, damit es keine Lücken in der medizinischen Versorgung gibt. Deshalb wurden unsere Lieferkettenexperten zur WHO nach Genf geschickt. In deren Auftrag bringen wir medizinische Güter und Schutzausrüstungen in 67 Länder.

Amer Daoudi, Direktor für Logistik und Lebensmittelbeschaffung im UN-Welternährungsprogramm.
Amer Daoudi, Direktor für Logistik und Lebensmittelbeschaffung im UN-Welternährungsprogramm.

© promo

Die Welt schottet sich immer mehr ab. Daran dürfte sich so schnell nichts ändern. Was bedeutet das für die humanitäre Hilfe?
Keine Frage: Die Pandemie wirkt sich weltweit auf den Gesundheitssektor, die Weltwirtschaft, Lieferketten und humanitäre Krisen aus. Es ist noch unklar, welche Folgen das konkret auf den Transport von Hilfsgütern und Personal haben wird. Wir bemühen uns gerade, alles Notwendige in Gebiete zu bringen, die möglicherweise bald von Covid-19 betroffen sein werden. Dafür müssen Hilfsgüter an strategisch wichtigen Orten weltweit gelagert werden. Unser Ziel ist es, die Notfallversorgung unbedingt aufrechtzuerhalten.

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