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Bald auch in Deutschland möglich? Ein Mitarbeiter in Kaprun, Österreich, berät mit Mundschutz Kunden in einem Fahrradgeschäft.

© imago images/Eibner Europa

Welche Maßnahmen sind noch angemessen?: Was gestern nötig war, muss es heute nicht mehr sein

Die Kurve wurde abgeflacht. Nun geht es um Lockerungen. Das Gebot der Stunde lautet: Was nicht zwingend notwendig ist, ist nicht verhältnismäßig. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Ziel aller Regierungsmaßnahmen war und ist es, die Kurve der Infektionen abzuflachen, damit das Gesundheitssystem weiter funktionieren kann. Den Experten zufolge ist das erreicht. Es gibt gegenwärtig ausreichend Kapazitäten auf den Intensivstationen der Krankenhäuser. Jetzt geht es um Lockerungen. Verfassungsrechtlich bedeutet das, dass der Bundestag hier umso dringender gefordert ist.

Warum das so sein muss? Die Bürger tragen in ihrer großen Mehrheit die sinnvollen Maßnahmen mit. Was gut ist. Aber, wie sagt Verfassungshüter Gerhart Baum? „Ich beobachte eine Mentalität, sich einer verstärkten Daseinsvorsorge in jeder Hinsicht auszuliefern.” Eine solche Mentalität wäre eher obrigkeitlich denn freiheitlich. Und die wäre fehl am Platz, wenn der Ausnahmezustand vorbei ist. Nicht alles ist schon in Ordnung, nur weil es von der Regierung kommt.

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Jedenfalls betrifft das die Einschränkung von Grundrechten, noch dazu von heute auf morgen. Grundsatz muss sein: Was nicht zwingend notwendig ist, ist nicht verhältnismäßig. „Verhältnismäßigkeit ist das Gebot der Stunde“, betonen Verfassungsrechtler. Zumal das Prinzip der Verhältnismäßigkeit gewissermaßen als Überschrift über dem Grundgesetz steht.

Dauer der Maßnahmen ist entscheidend

Die Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen hängt auch an ihrer Dauer. Was gestern noch nötig war, muss heute vielleicht nicht mehr sein. So lautet die aktuelle Frage: Was ist geeignet, erforderlich und angemessen, um Gesundheit, Leben und unser Gesundheitssystem zu sichern?

Hintergründe zum Coronavirus:

Da kann man zum Urteil gelangen, dass einiges - begründet - nicht mehr angemessen wirkt. Bei Geschäftsschließungen zum Beispiel. Wie jetzt in Drogerien und Bäckereien könnte es auch in kleinen Boutiquen wie in großen Kaufhäusern gehandhabt werden. Da wird eine bestimmte, begrenzte Anzahl von Personen gleichzeitig eingelassen, um die Sicherheitsabstände zu wahren. Dasselbe wäre auch in Gaststätten oder Gottesdiensten möglich.

Nutzung der Corona-App kann helfen

Überall dort müssten Sicherheitsabstände eingehalten werden. Nicht anders als im Übrigen bei Gerichtsverhandlungen oder Parlamentssitzungen. Die finden ja auch statt. Selbstverständlich kann das alles zeitlich gestaffelt, schrittweise geschehen. Und die Nutzung der Corona-App kann helfen. Wenn Restaurant- oder Kinobetreiber auf ihr Hausrecht verweisen und den Zugang davon abhängig machen, dass von den Einzelnen die Corona-App genutzt wird, dann ist das gerechtfertigt.

[Zum Weiterlesen: Was für eine baldige Lockerung spricht - und was dagegen]

NRW sei in diesem Zusammenhang Dank. Es setzt ein Beispiel für den Bund. Auch wieder mit Hilfe von Gerhart Baum. Das ist die Idee zugleich für den Bundestag: Alle Maßnahmen werden zunächst auf zwei Monate befristet, danach entfallen die, deren Verlängerung das Parlament nicht ausdrücklich beschlossen hat.

Und vorher muss die Regierung dem Parlament genau darlegen, warum eine Verlängerung notwendig ist. Der Vorteil ist evident: Dieses Verfahren schafft die größtmögliche demokratische Legitimation.

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