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Stabwechsel in Europas Chinapolitik von Angela Merkel zu Emmanuel Macron? Im August reisen sie gemeinsam nach Peking.

© AFP

Wegen Konflikten um Menschenrechte: Das folgt aus dem Stopp des EU-Investitionsabkommens mit China

Nach Sanktionen und Gegensanktionen schlägt die EU einen härteren Kurs ein. Das ist eine Niederlage für Merkel, und der Preis ist hoch. Eine Analyse.

Die Bereitschaft der EU, die Konflikte mit China um Menschenrechte und Handelsregeln mit mehr Härte auszutragen, wächst. Nach dem Austausch von Sanktionen und Gegensanktionen wird die EU das Investitionsabkommen mit Peking vorläufig nicht ratifizieren. Grund dafür seien die jüngsten diplomatischen Zerwürfnisse, sagt der Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis.

Im Dezember war der Abschluss des Vertrags noch als diplomatischer Erfolg der EU gefeiert worden. Dass er nun auf Eis liegt, ist auch eine Niederlage für Bundeskanzlerin Angela Merkel und deutet daraufhin, dass die Europäische Kommission und das Europäische Parlament (EP) das Ende der Ära Merkel für eine Kurskorrektur nutzen wollen.

Merkel warnt vor einem neuen Kalten Krieg und wirbt dafür, die Meinungsverschiedenheiten nicht konfrontativ, sondern im respektvollen Dialog mit Peking zu behandeln.

Einige EU-Partner und das EP empfinden diese Strategie jedoch als unterwürfig. Sie fordern ein unbeirrtes Eintreten für Menschenrechte und reziproke Regeln für Marktzugang, Handel und Investitionen.

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Unter dem Eindruck der Niederschlagung der Demokratiebewegung in Hongkong und des Umgangs mit der muslimischen Minderheit der Uiguren in Straflagern hatte die EU im März moderate Sanktionen verhängt, erstmals seit dem blutigen Vorgehen gegen Dissidenten auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking 1989. Sie betreffen vier Funktionäre, die am System der Straflager beteiligt sind.
China antwortete mit unproportional härteren Gegensanktionen. Sie richten sich – und das ist ein Indiz für kulturelle Missverständnis über die Unterschiede zwischen den politischen Systemen – gegen gewählte Abgeordnete des EP, darunter den Grünen Reinhard Bütikofer, der als Vorsitzender der China-Delegation Pekings Ansprechpartner im Parlament ist.

Gahler versus Bütikofer: ratifizieren oder nicht

Das verstärkte die Lust im EP, das Mitspracherecht bei der Ratifizierung internationaler Verträge zu nutzen. Bütikofer sprach sich wie viele andere Abgeordnete gegen die Ratifizierung des Investitionsabkommens aus und forderte Nachbesserungen. Michael Gahler (CDU), der als Vorsitzender der Taiwan-Freundschaftsgruppe im EP ebenfalls zu den Sanktionierten gehört, hält das Investitionsabkommen für den falschen Streitfall. Firmen aus der EU hätten davon ein größeren Nutzen als China, deshalb möchte er es ratifiziert sehen.
Mit der gleichen Begründung bedauert Gabriel Felbermayr, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, den Stop der Ratifizierung. Das Abkommen „würde europäischen Unternehmen Freiheiten in China eröffnen, die chinesische Investoren in der EU längst haben und die China viele Jahre verweigert hat.“

Neuer G-7-Trend von Wirtschaftsinteressen zu Werten

Im Westen insgesamt verlagert sich jedoch der Trend von einer vorrangigen Vertretung der Wirtschaftsinteressen zu einer stärkeren Betonung der Grundwerte und Menschenrechte, analysiert die „New York Times“ anlässlich des Treffens der Außenminister der G-7-Staaten in London, die den Gipfel ihrer Chefs Anfang Juni in Cornwall vorbereiten. „Die G7 werden umfirmiert in eine Gruppe gleichgesinnter Demokratien“ im Gegensatz zum vorigen Selbstverständnis „einer Gruppe hochindustrialisierter Länder“, zitiert das Blatt den Experten Ash Jain. Das Sichern fairer Wettbewerbsregeln bleibe freilich wichtig.

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Auch Außenminister Heiko Maas (SPD) betont die neue Ausrichtung: „Bei G7 treffen sich liberale Demokratien, die sich gemeinsam gegen autoritäre Regime in der Welt aufstellen wollen. Uns verbinden Werte wie Demokratie, Freiheit und Menschenrechte und die wollen wir endlich wieder gemeinsam in der Welt vertreten.“

Merkel ist aber noch im Amt und arbeitet daran, dass die EU ihre Strategie weiter verfolgt. Im August möchte sie mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron nach China reisen. Es wäre ihr 13. Besuch dort, „ein Abschied und eine Art Stabwechsel an Macron“, analysiert der EU-China-Experte des German Marshall Fund (GMF), Noah Barkin.

Doch die beiden verfolgen unterschiedliche Motive. Macron zielt auf eine Distanzierung Europas von der US-Chinapolitik, um die Eigenständigkeit der EU zu betonen mit einer Führungsrolle Frankreichs. Merkel möchte einen Kalten Krieg verhindern.

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