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Zum Verzweifeln: Wenn jetzt wieder dereguliert wird, ist die nächste Finanzkrise nur eine Frage der Zeit.

© Fredrik von Erichsen/p-a/ dpa

Was vom Bankencrash übrig ist: Mit Trump droht ein neuer Deregulierungswettlauf

Das globale Finanzsystem ist noch nicht sicher genug. Lockert man jetzt die Regeln, ist die nächste Krise nur eine Frage der Zeit. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Harald Schumann

Einen solchen Boom hat die Weltwirtschaft lange nicht erfahren. Von Japan bis Brasilien fallen die Arbeitslosenraten und steigen die Börsenkurse. Endlich überwunden ist die Lähmung infolge des amerikanisch-europäischen Hypothekencrashs. „The Great Recession“ hatten Amerikas Ökonomen den Einbruch damals genannt, vergleichbar nur mit der „Depression“ in den 30ern des 20. Jahrhunderts. Heute wirkt dieser Vergleich überzogen.

Gewiss, der Schaden war groß. Zig Millionen Menschen verloren ihre Jobs. Allein in den USA beträgt der Verlust aus entgangener Produktion gut vier Billionen Dollar. Gleichwohl verlief die Krise längst nicht so furchtbar wie jene 80 Jahre zuvor. Denn die Regierungen und Zentralbanken agierten ganz anders als damals und setzten um, was der Ökonom John Maynard Keynes seinerzeit als Lektion aus der Krise gelehrt hatte: Gleich nach Ausbruch der Krise steigerten sie radikal die staatlichen Ausgaben, um den Ausfall der privaten Nachfrage zu kompensieren. Dafür stand in Deutschland etwa die Abwrackprämie. Gleichzeitig verhinderten sie den Zusammenbruch des Finanzsystems, indem sie insolvente Banken verstaatlichten. Der gefürchtete Dominoeffekt, bei dem eine Pleitebank die nächste mit in den Abgrund zieht, fand nicht statt. Anschließend setzten alle führenden Notenbanken von Washington bis Peking ihre Macht zur Geldschöpfung ein, um die Krisenfolgen zu lindern. Anstatt wie ihre Vorgänger von einst das Geld zu verknappen, trieben sie den Zins auf null und finanzierten die vermehrten staatlichen Ausgaben über den Kauf von Staatsanleihen.

Die Menschheit kann aus Fehlern lernen

Der Erfolg ist nicht zu bestreiten. Eine Katastrophe wie in der Zwischenkriegszeit wurde verhindert. In den USA erreichte die Wirtschaftsleistung schon 2013 wieder das Niveau von 2007. In der EU dauerte das drei Jahre länger, weil die Europäer auf Druck der Deutschen zu früh auf Sparkurs umschwenkten. Aber auch hier verkürzte die EZB den Absturz erheblich. Nach dem Crash von 1929 vergingen dagegen elf Jahre, bis das Vorkrisenniveau erreicht war. Insofern enthält der Verlauf der „Great Recession“ eine gute Botschaft: Die Menschheit kann aus Fehlern lernen.

Doch die positive Entwicklung hat eine gefährliche Schattenseite: Betäubt vom vorläufigen Happy End sind die Regierenden kläglich daran gescheitert, das globale Finanzsystem sicher zu machen. An diesem Punkt waren wiederum ihre Vorgänger erfolgreicher. So verbot der US-Kongress ab 1938 allen Banken mit Kundeneinlagen den spekulativen Handel. Zudem schufen die westlichen Regierungen nach dem Krieg ein stabiles System. Sie fixierten die Wechselkurse zwischen den großen Währungen und beschränkten den internationalen Kapitalverkehr auf den Bedarf für Handel und Investitionen. So konnte ein- und ausströmendes Anlagekapital nicht länger über die Grenzen hinweg erst Boom und dann Crash verursachen, wie es zuletzt in den USA, Irland und Spanien geschah. Auch das war eine Lehre von Keynes, für den „nichts sicherer“ war, „als dass die freie Bewegung von Kapitalfonds reguliert werden muss“, wie er 1936 schrieb. De facto wurde die Finanzindustrie so in den Währungsräumen eingesperrt – zum Nutzen aller. Bis zur Demontage des Systems ab 1973 war der Kapitalismus nicht nur frei von jeder Finanzkrise, sondern auch so erfolgreich wie nie zuvor und danach.

Ungelöst bleibt das Problem des "too big to fail"

Gemessen daran sind die Finanzreformen im Gefolge der „Great Recession“ allenfalls ein erster Schritt. Zwar müssen Banken nun mehr Eigenkapital vorhalten und die Aufsichtsbehörden erhielten mehr Vollmachten. Doch gegen die im weltweiten Verbund erzeugten spekulativen Blasen nützt das gar nichts. Völlig ungelöst blieb auch das Problem des „too big to fail“, obwohl selbst Kanzlerin Merkel versprochen hatte, „nie wieder“ dürfe „eine Bank so groß sein, das sie Staaten erpressen kann“. Und selbst die erfolgten Verschärfungen will der US-Kongress nun wieder zurücknehmen. Erneut droht damit ein Deregulierungswettlauf. Bleibt es bei diesem Trend, dann ist die nächste Finanzkrise programmiert, und es tritt ein, was der Berliner Ökonom Manuel Funk und Kollegen als gemeinsames Merkmal aller Finanzkrisen seit 1870 nachgewiesen haben: In allen 20 Ländern, in denen es nach den jeweiligen Crash-Erfahrungen demokratische Wahlen gab, polarisierte sich die Gesellschaft und verdreifachte sich im Schnitt der Anteil der Wähler für rechtsradikale Parteien. Käme es erneut dazu, dann wäre es bis zu einem Szenario wie in den 30er Jahren nicht mehr weit.

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