zum Hauptinhalt
Bundeskanzlerin Angela Merkel stellte sich am Mittwoch den Fragen der Abgeordneten.

© Reuters/Annegret Hilse

Was die Kanzlerin Abgeordneten antwortet: Ein Teilerfolg und viel Routine

Die Befragung der Kanzlerin durch die Abgeordneten, auf Druck der SPD im Koalitionsvertrag vereinbart, wird langsam zur Routine.

Von Robert Birnbaum

Das Thema ist kitzlig und auch in den eigenen Reihen hoch umstritten, da formuliert Angela Merkel lieber sehr genau. Ob China mit Konsequenzen gedroht habe für den Fall, dass der Huawei-Konzern nicht am deutschen 5G- Netz mitbauen dürfte, fragt die SPD-Abgeordnete Susanne Poschmann. „Mir gegenüber ist von Druck durch staatliche chinesische Stellen nichts geäußert worden“, antwortet die Kanzlerin. Da wäre jetzt eine Nachfrage fällig gewesen, ob vielleicht sonst jemand aus dem Kabinett dezente Drohungen aus Peking gehört hat? Aber erstens hat Poschmann schon die eine Nachfrage gestellt, die das strenge Protokoll der Regierungsbefragung ihr erlaubt, und zweitens: Wenn die Kanzlerin sich dreimal im Jahr dem Bundestag stellt, dann nur sie allein.

Das Format, auf Druck der SPD im Koalitionsvertrag vereinbart, wird langsam zur Routine. Die Zeitgrenzen – eine Minute Frage, eine Minute Antwort – reißt kaum noch jemand. Die Fragen der Abgeordneten orientieren sich an der aktuellen Nachrichtenlage, die Kanzlerin antwortet mal knapp, mal ausführlicher. Meist bleibt es sachlich, nur die Fragen der AfD sind gelegentlich so, dass der Rest des Hauses seine Missbilligung durch Applaus für die Antwort ausdrückt.

Besonders laut fällt der aus, als ein AfD-Mann versucht, Merkel eine Anti-Israel-Haltung anzuhängen. Noch nicht jeder Parlamentarier hat eben die Hoffnung aufgegeben, dass er Merkel aufs Glatteis führen kann. Aber auch der Vorweihnachtsauftritt an diesem Mittwoch gibt zu dieser Hoffnung keinen Anlass.

Die politisch ergiebigste Aussage der guten Stunde im Reichstag holt eher versehentlich der AfD-Mann Steffen Kotré heraus. Er wirft Merkel vor, auf die US-Sanktionen gegen Firmen des „Nord Stream 2“-Projekts nur mit „Gelaber“ zu antworten statt mit Taten. „Wir sind gegen exterritoriale Sanktionen“, betont Merkel, kündigt aber im gleichen Atemzug „sehr entschiedene Gespräche“ mit der US-Seite darüber an, dass die Regierung diese Maßnahmen nicht billige.

Merkel will kein Digitalministerium einrichten

Einen kleinen Teilerfolg kann auch die FDP verbuchen. Die Freidemokraten führen seit Tagen einen regelrechten Feldzug gegen die Bon-Pflicht für alle Kassengeschäfte. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat sich auf ihre Seite gestellt. Merkel will dem alten Weggefährten nicht in den Rücken fallen: Vielleicht könne man sich ja im Digitalzeitalter etwas Besseres einfallen lassen, als kilometerweise Thermopapier zu bedrucken.

Aber im Kern hält sie an der Erfassung fest und legt dem Fragesteller die „Wirtschaftswoche“ ans Herz, „Seite 33 folgende“ – da werde sehr eindrücklich der Mehrwertsteuer-Betrug geschildert. Und das Blatt sei ja nun wirklich nicht verdächtig, „Bürokratiemonster gutzuheißen“. Wann also die Bonpflicht abgeschafft werde? „Ich fürchte, gar nicht.“

Die Fragen pendeln dann weiter, und das Parlament und die Zuschauer am Bundestags-Livestream lernen dabei zumindest einiges. Ein Digitalministerium jetzt und hier einrichten will Merkel nicht, zumal das die übrigen Ressorts nicht entlaste, sich selbst um das Thema zu kümmern. Über die schlimme Lage von Flüchtlingen, vor allem von Kindern auf den griechischen Inseln werden „Gespräche geführt“. Im Fall des Auftragsmords in Moabit begründet die Kanzlerin die Ausweisung von zwei russischen Diplomaten damit, dass Russland „keinerlei Kooperationsbereitschaft“ gezeigt habe; inzwischen gebe es „mehr Kontakte“, aber längst nicht alle Informationen.

Bleibt noch die verblüffte Erheiterung im Reichstag zu vermelden, die Merkel mit dem Lob für einen Minister auslöste: „Ich finde, dass Andi Scheuer eine sehr gute Arbeit macht.“

Zur Startseite