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Nach der Eskalation: Demonstranten protestieren gegen Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam.

© Thomas Peter/REUTERS

Was der Westen für Hongkong tun kann: „Ein Hauch von Tiananmen liegt in der Luft“

Welche Möglichkeiten hat die internationale Gemeinschaft, wenn China die Protestbewegung gewaltsam stoppen sollte? Nur sehr begrenzte, sagen deutsche Experten.

Von Hans Monath

Als China die Proteste auf dem Tiananmen-Platz 1989 in einem Massaker blutig niederschlug, reagierte der Westen mit Empörung. Die EU und die USA verhängten ein Waffenembargo gegen die Volksrepublik, das noch immer in Kraft ist. Wie aber die Welt 30 Jahre nach der Tötung Hunderter rund um den Tiananmen-Platz in dem Fall reagieren, dass China die Demokratiebewegung in Hongkong mit Gewalt niederschlagen würde?

Deutsche China-Experten halten ein solches Szenario momentan zwar für eher unwahrscheinlich. Trotzdem gibt es schon Überlegungen dazu, ob Deutschland, die EU oder die USA dann zu drastischen Maßnahmen gegen China greifen würden. Die Antwort heißt: eher nein.

Die westlichen Länder hätten "kaum Druckmittel gegenüber China", sagte etwa Frank Pieke. Der Leiter des Mercator Institutes für China Studies (Merics) weist auch darauf in, dass chinesisch-britische Übereinkunft zur Zukunft Hongkongs von 1984 ein "relativ schwaches Dokument" sei, das keine großen Garantien für Freiheit und Autonomie beinhalte. Inzwischen sei es vom "Basic Law" ersetzt worden sei, das alle Autorität dem Pekinger Volkskongress zubillige. "Der Westen hat längst akzeptiert, dass Hongkong ein Teil Chinas ist", meint der Experte, allenfalls mit Menschenrechtsverletzungen könne argumentiert werden. Zudem gebe ein "keine einheitliche Haltung des Westens gegenüber China" – noch nicht einmal eine der EU. Die USA würden wegen der angespannten Beziehungen mit China Gewalttaten sicherlich nutzen, um China öffentlich vorzuführen und gegebenenfalls auch Sanktionen zu verabschieden. Pieke vermutet, "dass es bei Protestnoten einzelner europäischer Staaten und eventuell des EU-Parlaments bleiben wird".

Ähnlich skeptisch ist Bernt Berger von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Eine militärische Lösung werde die KP Chinas einen, so dass "internationale Verurteilungen schlichtweg abprallen". Der Experte empfiehlt, vorsorgend zu fragen, "welche diplomatischen Mittel schon jetzt zielführend sein könnten anstatt erst auf eine starke Reaktion zu warten". Die USA würden "zumindest rhetorisch aufrüsten, um Hongkong auch als Punkt in der allgemeinen Konfrontationsstrategie zu nutzen", sagte Berger voraus. Nur werde es dabei leider nicht Hongkong gehen, sondern um Vorteile im Konkurrenzkampf der Mächte.

Auch Bundestagsabgeordnete spielen gedanklich schon eine "Worst case"-Entwicklung und die dann angebrachte Reaktion des Westens gegenüber China durch. In Hongkong liege "ein Hauch von Tiananmen in der Luft", sagte der außenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Bijan Djir-Sarai, dem Tagesspiegel. "Sollte China mit weiterer Gewalt gegen die Demonstranten in Hongkong vorgehen, muss die internationale Gemeinschaft deutlich reagieren", forderte der Liberale. Zwar rechne die chinesische Regierung wegen der wirtschaftlichen Bedeutung des Landes damit, dass der Westen auch dann schweigen werde. Auch nach 30 Jahren dürften sich aber die Ereignisse vom Tiananmen-Platz niemals wiederholen. Die internationale Gemeinschaft sollte sich deshalb im Ernstfall "auch vor Wirtschaftssanktionen gegen China nicht scheuen".

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