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US-Präsident Joe Biden warnt China vor einem Angriff auf Taiwan.

© Jonathan Ernst/Reuters

Warnung an China vor Angriff auf Taiwan: Joe Biden ist ein Meister des absichtlich Mehrdeutigen

Der US-Präsident haut immer mal wieder harte Sätze raus, die dann vom Weißen Haus abgemildert werden. Das hat Methode. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

In Shakespeares „Hamlet“ heißt es: „Ist dies auch Wahnsinn, so ist doch Methode drin.“ Um Ähnliches auszudrücken, haben neuzeitliche Strategen den Begriff der „absichtlichen Mehrdeutigkeit“ erfunden. Wenn absichtlich mehrdeutig formuliert wird, ist das Gesagte nicht ganz das Gemeinte. Der Gegner soll aufgerüttelt, ja erschreckt werden, aber auf eine Weise, die es ermöglicht, die Aufregung im Nachhinein als großes Missverständnis darzustellen.

Joe Biden ist ein Meister darin. Ende vergangenen Jahres hatte er erklärt, die USA seien „verpflichtet“, Taiwan im Angriffsfall beizustehen. Die chinesische Führung war irritiert. Schnell stellte das Weiße Haus klar, dass der Präsident die amerikanische Position nicht habe verändern wollen. Ende März, bei einem Besuch in Warschau, sagte Biden, Wladimir Putin könne „nicht an der Macht bleiben“. Nein, hieß es aus dem Weißen Haus, das sein kein Aufruf zum „regime change“ gewesen.

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Nun also wieder. Bei seinem Besuch in Japan, während einer Pressekonferenz, wurde Biden gefragt, ob die USA Taiwan im Angriffsfall auch militärisch verteidigen wollen. Er antwortete: „Ja.“ Auf Nachfrage betonte er: „Das ist eine Verpflichtung, die wir eingegangen sind.“ China reagierte prompt und verurteilte die Bemerkung. Wieder ließ das Weiße Haus klarstellen, dass sich an der amerikanischen Position nichts geändert habe.

Seit Russlands Überfall auf die Ukraine hat sich die Krise verschärft

Diese Position ist freilich kompliziert. Die Vereinigten Staaten erkennen eine Hoheitsgewalt Chinas über Taiwan nicht an. Sie erkennen aber auch nicht die Souveränität Taiwans an, unterhalten offiziell keine diplomatischen Beziehungen zu Taipeh. Andererseits liefern sie Waffen und haben 1979 im „Taiwan Relations Act“ versichert, „Taiwan in die Lage zu versetzen, eine ausreichende Selbstverteidigungsfähigkeit zu wahren“.

Seit Russlands Überfall auf die Ukraine, von China nie verurteilt, hat sich die Krise verschärft. Viele Taiwanesen befürchten, dass sich Peking mit militärischen Mitteln die abtrünnige Insel einverleibt. Umso dringlicher warnt die US-Regierung vor „einseitigen Veränderungen des Status quo“. Das rhetorische Instrument der „absichtlichen Mehrdeutigkeit“ soll die Entschlossenheit unterstreichen.

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