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Ein Gebäude in Gaza nach einem israelischen Luftangriff, Anfang August.

© dpa/Ashraf Amra

Wandel durch Handel: Eine Alternative zur Gewalt im Nahen Osten

Der israelischen Führung unter Naftali Bennett und Jair Lapid könnte eine Stabilisierung der heiklen Lage gelingen – durch konkrete Hilfen. Ein Gastbeitrag.

Jürgen Hardt ist außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion und Vizepräsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.

Die Waffenruhe zwischen Israel und militanten Gruppierungen in Gaza hält bislang. Das ist nicht zuletzt ein Ergebnis umsichtiger US-amerikanischer und israelischer Politik – die nun gestärkt werden muss.

Gezielte Terrorbekämpfung durch Israel, Raketenhagel aus den Palästinensergebieten auf israelische Zivilisten, Sirenenalarm in Tel Aviv, Gegenschläge von israelischer Seite. Die jüngste militärische Eskalation zwischen Israel und der terroristischen, irantreuen Gruppierung des „Islamischen Jihad“ erinnert auf den ersten Blick an Muster, wie sie in der Vergangenheit leider schon so oft vorkamen. Doch es gibt einen wesentlichen Unterschied: Die Hamas beteiligt sich nicht an diesem Waffengang.

Die Hamas in Gaza ist nach wie vor die entscheidende politische und militärische Kraft. Nur sie hat das Arsenal und die Infrastruktur, Israels Sicherheit von Gaza aus ernsthaft zu bedrohen. Ihre Illusion von Legitimation schöpft sie aus dem Kampf gegen Israel. Diesen Kampf, so die Propaganda, habe die Hamas anders als die korrupte Fatah im Westjordanland nie aufgegeben.

Dass die Gruppierung Hamas nun widersteht, dem „Islamischen Jihad“ im Kampf gegen Israel beizuspringen, ist bemerkenswert. Die Nichtbeteiligung am Konflikt ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass sich die Lage im Gazastreifen verbessern kann.

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Wirtschaftliche Perspektive für Gaza

Eine wesentliche Ursache für dieses Ausbrechen aus der Spirale der Gewalt liegt im neuen Kurs Tel Avivs und Washingtons in der Gaza-Politik. Unter Präsident Joe Biden und seinem Außenminister Antony Blinken übernahmen im US-State-Department wieder Realisten wie Hady Amr die Führung in der Israel-Politik, die mehr um die israelische Sicherheit als um das eigene Taktieren im Nahen Osten besorgt sind.

Die breite Koalition in Israel unter den Regierungschefs Naftali Bennett und Jair Lapid hatte den Mut, auf US-amerikanische Vorschläge einzugehen, die insbesondere eine Perspektive für die wirtschaftliche Entwicklung Gazas aufzeigen wollen.

Israelische Ministerpräsidenten: Yair Lapid und Naftali Bennett in Jerusalem.
Israelische Ministerpräsidenten: Yair Lapid und Naftali Bennett in Jerusalem.

© REUTERS/Maya Alleruzzo

Die hohe Bevölkerungsdichte, die ägyptisch-israelische Blockade, vor allem aber die Misswirtschaft der Hamas haben aus einem der ältesten Siedlungsgebiete der Menschheit ein Armenhaus gemacht. Die israelische Regierung erlaubte unter der Federführung von Verteidigungsminister Gantz mehr Exporte aus Gaza und vergab Arbeitsgenehmigungen für Palästinenser aus Gaza in Israel.

Die unmittelbaren wirtschaftlichen Folgen waren in ganz Gaza zu spüren. Viele Bewohner von Gaza hatten zum ersten Mal seit langer Zeit den Eindruck, dass es vorangeht: Es gibt eine Alternative zum Kreislauf aus Gewalt und Armut, für den die Hamas und ihre noch extremistischeren Konkurrenz wie der „Islamische Jihad“ stehen.

Neue Friedensverträge Israels mit der arabischen Welt

Genau das ist die Botschaft, mit der sich der israelische Ministerpräsident Lapid letzte Woche an die Bewohner des Gazastreifens richtete. Lapid verwies in seiner Mitteilung auf die Abraham Accords, die neuen Kooperationen und Friedensverträge Israels mit großen Teilen der arabischen Welt. Sie dienen als Beispiel dafür, wie aus schier unüberwindbaren Feindschaften Partnerschaften auf Augenhöhe werden können.

Dass er die Palästinenser als Teil der Abraham Accords mitdenkt, zeugt von Lapids Aufrichtigkeit. Zukunftsthemen müssen nun im Vordergrund stehen, statt um die immer selben alten Wunden zu kreisen. Lapids Botschaft war eine zutiefst menschliche und begrüßenswerte Geste, kurz nachdem sein Land einen Raketenhagel abwehren musste.

Deutschland sollte die israelische Führung bestärken

Auf diese positive Entwicklung muss nun aufgebaut werden, weil sie den israelisch-palästinensischen Konflikt entschärfen kann. Israels Freunde, allen voran die deutsche Bundesregierung, sollten die israelische Führung darin bestärken, das Konzept „Wirtschaft für Sicherheit“ weiter zu verfolgen.

Ministerpräsident Lapids Plan will die Stromversorgung in Gaza verbessern, das Gesundheitssystem modernisieren und den Anschluss an eine Gas-Pipeline ermöglichen. Solch große Schritte sind kurz vor erneuten Wahlen zur Knesset nicht zu erwarten. Aber bereits ein Ausbau der erfolgten kleinen wirtschaftlichen Erleichterungen für Gaza könnte den Einfluss der Extremisten auf die Bevölkerung dort weiter verringern und die Sicherheit Israels erhöhen.

Scholz muss die Palästinenser einbeziehen

Die jüngsten Erfahrungen sollten alle demokratischen Kräfte in Israel ermutigen. Welche Koalition sich nach den Knesset-Wahlen auch findet, sie sollte neue Wege im Verhältnis zu den Palästinensern weiter gehen. Und die Bundesregierung muss neue Wege finden, die Palästinenserführung unter Präsident Abbas beim Thema Gaza einzubeziehen.

Alle bisherigen Versuche, den Einfluss der international anerkannten Regierung in Ramallah im Gazastreifen zu erhöhen, waren über kurz oder lang gescheitert. Bundeskanzler Scholz sollte sein Gespräch mit Abbas an diesem Dienstag dafür nutzen, Wege zu finden, PLO und Autonomiebehörde früher miteinzubeziehen, denn nur sie kann das Vakuum füllen, das die Extremisten hinterlassen.

Jürgen Hardt

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