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Nicola Sturgeon (links), Regierungschefin von Schottland, hat die absolute Mehrheit nur knapp verfehlt.

© Jane Barlow, dpa

Wahlsiegerin kündigt Referendum an: Schottland auf dem langen Weg zur Trennung

Nach den Regionalwahlen hat der Wunsch nach Unabhängigkeit weiter an Kraft gewonnen. Doch da steht Boris Johnson im Wege.

Nach den britischen Regionalwahlen verstärkt sich ein Problem für den britischen Premier Boris Johnson: der Umgang mit Schottland. Dort verbuchte die Nationalpartei SNP den vierten Wahlsieg in Folge. Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon kündigte umgehend ein zweites Unabhängigkeitsreferendum bis spätestens Herbst 2023 an. Dies hat Johnson stets ausgeschlossen.

Der Premierminister gratulierte Sturgeon telefonisch zur Wiederwahl und lud sie zu einem Gespräch ein. Er wolle über „gemeinsame Herausforderungen“ sprechen und darüber, wie „wir sie in den kommenden Monaten und Jahren bewältigen können“, hatte der Londoner Regierungschef zuvor in gleichlautenden Briefen an die Schottin, den ebenfalls klar im Amt bestätigten walisischen Labour-Premier Mark Drakeford sowie die gleichberechtigten Regierungschefinnen Nordirlands, Arlene Foster und Michelle O’Neill geschrieben.

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Selbstverständlich werde sie der Einladung Folge leisten, teilte Sturgeon umgehend mit. In der BBC wies die Ministerpräsidentin aber auch gleich auf ihr Mandat für eine neuerliche Volksabstimmung über die Auflösung der Union mit England hin. Diese soll in den nächsten zwei Jahren über die Bühne gehen, bedarf jedoch der Zustimmung des Unterhauses in London. Sollte Johnson wie angekündigt das Vorhaben verhindern, „wäre endgültig bewiesen, dass das Vereinigte Königreich keine freiwillige Union unterschiedlicher Nationen ist“, argumentierte Sturgeon.

Johnson spielt auf Zeit

Die SNP verpasste zwar die absolute Mehrheit der Sitze im Edinburgher Parlament um ein einziges Mandat, kann sich aber auf die Unterstützung der schottischen Grünen verlassen. Alle Unabhängigkeits-Parteien gemeinsam erzielten 50,1 Prozent der Stimmen und verfügen über eine satte Mandatsmehrheit (72:57). Offenbar setzen Johnson und sein aus Schottland stammender Kabinettsminister Michael Gove auf Verzögerung. Beide vermieden jedoch in Interviews die Wiederholung einer Aussage des Premierministers vom vergangenen Jahr. Damals hatte Johnson die 2040-er Jahre als frühestmöglichen Termin für eine neuerliche Abstimmung genannt.

Deutlich kurzfristiger wird derzeit in der Labour-Party gedacht. Der seit gut einem Jahr amtierende Oppositionsführer Keir Starmer hatte am Freitag die volle Verantwortung für empfindliche Wahlschlappen bei den englischen Kommunalwahlen übernommen. Tags darauf enthob er Angela Rayner ihres Amtes als Kampagnenmanagerin, machte so indirekt also die vom Parteivolk gewählte Vizevorsitzende für die schlechten Ergebnisse verantwortlich.

Das rief einen Sturm der Entrüstung hervor. Die im nordenglischen Manchester beheimatete Rayner gilt als eloquent und beliebt. Sie gehört zu der Handvoll von Labour-Abgeordneten, die es aus kleinen Verhältnissen an die Spitze geschafft haben – eine Symbolfigur für jene Schichten, die der alten Arbeiterpartei abhanden kommen. „Kier ist erledigt“, teilte ein bisher stets loyaler Partei-Insider dem Tagesspiegel mit. Der in Manchester mit zwei Dritteln der Stimmen wiedergewählte Labour-Bürgermeister Andrew Burnham machte seinen Protest gegen die Entlassung Rayners öffentlich.

Die Konservativen vor einer langen Amtszeit

Wie Burnham wurden auch die Labour-Bürgermeister von London und Liverpool, Sadiq Khan und Steve Rotheram, im Amt bestätigt. Hingegen verlor Labour mehrere Rathäuser und Regierungsbezirke, die sie zum Teil seit 100 Jahren hielten, an die Torys. Die entsprechenden Unterhaus-Wahlkreise aber müsste Labour gewinnen, um 2024 eine Chance auf den Sieg zu wahren.

Wenig realistisch. Nicola Sturgeons Prognose trifft es dagegen: Der Schottin zufolge stehen Großbritannien „viele Jahre einer rechtsgerichteten Tory-Regierung“ ins Haus.

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