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Siegerjubel. Benjamin Netanjahu könnte bald zum fünften Mal Israels Regierungschef werden.

© Thomas Coex/AFP

Update

Wahlsieger Netanjahu: Israel geht auf Nummer sicher

Benjamin Netanjahu wird wohl wieder Israels Regierungschef. Sogar eine drohende Anklage konnte ihm nicht schaden. Was ist von ihm zu erwarten? Eine Analyse.

Noch in der Nacht feierten ihn seine Anhänger als „König von Israel“ und als „Magier“. Benjamin Netanjahu, seit zehn Jahren Premierminister, hat es wieder geschafft, trotz drohender Anklage wegen Betrugs, Bestechlichkeit und Untreue sein bisher bestes Ergebnis bei den Parlamentswahlen einzufahren: 35 Sitze erhält sein Likud nach Auszählung fast aller Stimmen.

Mehr schaffte die rechte Partei zuletzt nur mit Ariel Scharon 2003. Damit liegen Netanjahu und Herausforderer Benny Gantz mit seinem Blau-Weiß-Bündnis derzeit gleichauf. Doch alles spricht dafür, dass nur Netanjahu in der Lage sein wird, eine Koalition zu bilden. Sein Herausforderer, Ex-Generalstabschef Benny Gantz, gestand inzwischen auch seine Niederlage ein. Er respektiere die Entscheidung des Volkes, erklärte der Chef der Liste Blau-Weiß am Mittwochabend.

Vorläufigen Ergebnissen zufolge errangen Netanjahu und seine Verbündeten eine Mehrheit von rund 65 der 120 Parlamentssitze. Der Premierminister könnte nun demnächst den Rekord des am längsten amtierenden Premiers des Landes brechen, den noch Israels Staatsgründer David Ben Gurion hält.

Der Weg zum Sieg

Netanjahu kämpfte bis zuletzt hart, vor allem aber unerbittlich und mit fragwürdigen Mitteln. So schürte er wie schon bei der Wahl 2015 die Angst vor dem Einfluss arabischer Israelis. Am Wahltag selbst warnte er in einem Video vor einem angeblichen Deal der Blau-Weißen mit der Arbeiterpartei, um die arabischen Parteien in ihre Regierung mit aufzunehmen.

Diesen Deal gelte es zu verhindern, betonte Netanjahu: „Geht raus, geht wählen! Bleibt nicht am Strand und nicht zu Hause, stimmt ab, um die Entstehung einer linken Regierung zu verhindern.“

Netanjahu ist ein talentierter Redner, der seine Botschaften am liebsten an den klassischen Medien vorbei über die sozialen Netzwerke streut. Schon in den vergangenen Wochen ging er dabei in die Vollen und warnte, das Bündnis von Ex-General Gantz sei eine Gefahr für die Sicherheit Israels.

Unterlegen. Ex-General Benny Gantz hat es offenbar nicht geschafft, "König Bibi" zu stürzen.
Unterlegen. Ex-General Benny Gantz hat es offenbar nicht geschafft, "König Bibi" zu stürzen.

© Ilia Yefimovich/dpa

Blau-Weiß sei „links und schwach“, er, Netanjahu, hingegen „rechts, stark und erfolgreich“. Misslungene Fernsehinterviews von Gantz schlachtete Netanjahus Team aus und unterstellte dem Herausforderer, unfähig und mental labil zu sein.

Wenige Tage vor der Wahl ging Netanjahu mit rechten Parolen auf Stimmenfang und kündigte an, im Falle eines Sieges mit der Annexion des Westjordanlandes zu beginnen. Er versprach, keine einzige Siedlung zu räumen und zeigte damit jene Härte, die seine Anhänger an ihm schätzen.

Die Koalitionsfrage

Präsident Reuven Rivlin hat nun die Aufgabe, eine Partei mit der Regierungsbildung zu beauftragen – und zwar jene, die die größten Aussichten auf Erfolg hat. In diesem Falle wohl Netanjahus Likud. Der sprach bereits in der Nacht von einem „kolossalen Sieg“ und twitterte: „Ich werde noch heute Abend anfangen, eine rechte Regierung mit unseren natürlichen Partnern zu bilden.“

Zu diesen zählen die beiden orthodoxen Parteien Schas und Vereinigtes Torah-Judentum mit jeweils wohl acht Sitzen, Yisrael Beitenu und die Vereinigung rechter Parteien mit je fünf Sitzen sowie Mosche Kachlons Partei Kulanu mit vier. Somit käme der rechte Block auf 65 von 120 Sitzen in der Knesset. Es kann allerdings noch Veränderungen geben. Noch sind nicht alle Stimmen ausgezählt.

So oder so ist mit der ultrarechten, nationalreligiösen Vereinigung rechter Parteien ein weiterer Rechtsruck zu erwarten. Einige Mitglieder sind Anhänger des verstorbenen Rabbiners Meir Kahane, der die Araber in die Nachbarstaaten verbannen wollte und dessen radikale Kach-Partei in den 80er Jahren aus dem Parlament ausgeschlossen wurde. Der Chef der Vereinigung, Rafi Peretz, hat bereits angekündigt, das Bildungs- und Justizministerium für sein Bündnis zu beanspruchen.

Auch der säkulare Avigdor Lieberman von der Partei „Unser Haus Israel“ wird versuchen, bei der Sicherheitspolitik eine härtere Gangart einzuschlagen. Er war als Verteidigungsminister zurückgetreten, weil er ein entschiedenes Vorgehen gegen die Hamas in Gaza nicht durchsetzen konnte. Noch schließt er nicht ganz aus, in die Opposition zu gehen. Eine Drohung – schließlich ist seine Partei für die Koalitionsbildung notwendig.

Die Opposition

Benny Gantz dürfte die Rolle des Oppositionsführers übernehmen. Mit 35 Sitzen ist er zwar genauso stark wie Netanjahu, aber ihm dürfte es kaum gelingen, eine Koalition zu bilden. Die ehrwürdige Arbeiterpartei, einst stärkste Kraft des Landes und Partei von Staatsgründer Ben Gurion, fiel auf nur sechs Sitze ab. Die linke Meretz kommt auf fünf Sitze.

Ex-Armeechef Gantz sprach am Mittwoch dennoch von einer historischen Errungenschaft: „Unsere Wähler wollten Hoffnung, wir haben sie ihnen gegeben. Sie wollten einen anderen Weg, und wir haben diesen für sie geschaffen. Wir werden nicht von unserer Pflicht zurücktreten, jene mehr als eine Million Bürger zu vertreten, die eine Alternative gesucht haben.“

Eine drohende Anklage

Ungeachtet des Wahlsieges schwebt über Netanjahu nach wie vor das Damoklesschwert einer Anklage. Nach einer Anhörung will ihn Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblitt noch dieses Jahr wegen Korruption vor Gericht bringen.

Unklar ist, wie Netanjahus Koalition damit umgehen wird. Zuletzt gab es Gerüchte über ein neues Immunitätsgesetz, das den Regierungschef vor einer Anklage schützen könnte. Netanjahu selbst hat immer wieder angekündigt, auch im Falle einer Anklage weiterregieren zu wollen.

Die Zweistaatenlösung

Dass Netanjahu vermutlich auch künftig das Sagen haben wird, dürften die Palästinenser mit einer großen Portion Resignation zur Kenntnis nehmen. Ihnen ist zwar schon lange klar, wie wenig der Ministerpräsident von einem zusammenhängenden, souveränen Palästinenserstaat hält.

Aber nun sind die ohnehin auf Eis liegenden Verhandlungen in noch weitere Ferne gerückt. Der Chefunterhändler der Palästinenser, Saeb Erekat, fasst das Gefühl der Hilflosigkeit so zusammen: „Die Israelis sagen Nein zum Frieden und Ja zur Besetzung.“

Für die Zweistaatenlösung gibt es also auf israelischer Seite keinen Partner. Und ob Donald Trumps nach wie vor geheim gehaltener „Jahrhundertdeal“ eine Wende bringt, ist alles andere als sicher. Ohne die Aussicht auf einen eigenen Staat werden die Palästinenser keiner wie auch immer gearteten Lösung des Nahostkonflikts zustimmen.

Immer wieder Iran

Das Palästinenser-Problem hält Netanjahu ohnehin für wenig relevant. Der Konflikt mit ihnen lässt sich nach seiner Überzeugung managen. Ungleich mehr treibt den Premier der Iran um. Seit Jahren steht für Netanjahu – und viele Israelis – fest, dass es die Mullahs in Teheran mit ihren Vernichtungsdrohungen gegen den jüdischen Staat ernst meinen.

Deshalb begrüßt er Trumps harten Kurs gegenüber dem Iran uneingeschränkt. Amerika setzt die Sanktionen gegen Teheran wieder in Kraft? Ein richtiger Schritt! Irans Revolutionsgarden werden auf die US-Terrorliste gesetzt? Endlich! Mit Trump hat Netanjahu einen Gleichgesinnten gefunden.

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