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Weiß-blaue Besonderheiten auch beim Wahlrecht.

© Imago/Waldmüller

Wahlrecht in Bayern: Mit eingebautem Vorteil für die CSU

Das bayerische Wahlrecht ist eine ganz besondere Mixtur. Bei der Landtagswahl am Sonntag könnte die CSU davon profitieren - gerade weil sie schwächelt.

Helmut Markwort ist berühmt geworden als Chef des Magazins „Focus“ und dem von ihm geprägten Werbeslogan „Fakten, Fakten, Fakten“. In Bayern ist er eine bekannte Figur, weil er bis vor Kurzem die TV-Sendung „Sonntags-Stammtisch“ moderierte. Die Aufgabe musste er im April abgeben, als der 81-Jährige sich entschied, nochmals was Neues zu machen: Er kandidiert für die FDP bei der Landtagswahl, Stimmkreis München-Land-Süd im Wahlkreis Oberbayern. Stimmkreise sind in Bayern das, was anderswo Wahlkreise heißt. Und Wahlkreise sind die Regierungsbezirke, die als getrennte Wahlgebiete fungieren – mit jeweils eigenen Regionallisten der Parteien.

Das bayerische Wahlrecht hat einige Besonderheiten gegenüber der personalisierten Verhältniswahl auf Bundesebene. Davon will Markwort profitieren. Auf der oberbayerischen FDP-Liste steht er zwar nur auf Platz 16, und dass er das Direktmandat im Stimmkreis 124 gewinnt, ist recht unwahrscheinlich. Aber in Bayern ist die Listenwahl offen – die Wähler können also bei der Vergabe ihrer Zweitstimme Listenkandidaten gezielt ankreuzen. Was bedeutet, dass Markwort in ganz Oberbayern Stimmen sammeln kann, nicht nur im Münchner Landkreis Süd über die Erststimme. Am Ende wird addiert: Erststimmen der Direktkandidaten plus ihre persönlichen Zweitstimmen machen ihr Gesamtergebnis aus.

Vorteil für "Promis"

Allerdings stehen, damit nicht gedoppelt werden kann, die Parteibewerber in ihren Stimmkreisen nicht auf der Zweitstimmenliste. Markwort setzt darauf, als „Promi“ in Oberbayern so viele eigene Zweitstimmen zu sammeln, dass er auf der Liste nach oben und so in den Landtag rutscht.

Zu den bayerischen Besonderheiten zählt, dass nicht nur die Zweitstimmen für die Sitzverteilung auf die Parteien im Parlament gezählt werden, sondern auch die Erststimmen. Das reduziert das Stimmensplitting. Vor allem aber sind Erststimmen damit nicht verloren, weil sie eben nicht – wie im Bundeswahlrecht – unter den Tisch fallen, wenn der eigene Wunschkandidat nicht das Direktmandat gewinnt.

Dass in Bayern nicht das gesamte Land das Wahlgebiet ist, sondern getrennt voneinander die Regierungsbezirke Oberbayern, Niederbayern, Oberpfalz, Schwaben, Unter-, Mittel- und Oberfranken, kann bei der Wahl am Sonntag eine Rolle spielen. Seit Jahrzehnten hat es nämlich wegen der Übermacht der CSU keine Überhangmandate gegeben: Die Ergebnisse um die 50 Prozent der Gesamtstimmen oder weit darüber reichten stets aus, den Gewinn aller (oder nahezu aller) Wahlkreise durch die CSU zu unterlegen, sodass kein Ausgleichsmandate nötig waren.

CSU produziert Überhänge

Nun aber werden es wohl nur noch um die 35 Prozent sein. Dennoch gewinnt die CSU nach der Prognose des Wahlinformationsdienstes „election.de“ 84 der 91 Stimmkreise. Die so entstehenden Überhänge müssen ausgeglichen werden. Das geschieht in Bayern aber nicht landesweit, sondern in den sieben Wahlkreisen – und zwar so, dass die Partei, die Überhänge produziert, stets das letzte zugeteilte Mandat bekommt. Das ist natürlich ein gewisser Vorteil für die CSU. Matthias Moehl von „election.de" hat ausgerechnet, dass die 16 prognostizierten Überhangmandate der CSU mit insgesamt 21 zusätzlichen Mandaten für die anderen Parteien ausgeglichen würden. Es wären dann insgesamt 217 Sitze im Landtag.

Gäbe es eine landesweite Berechnung mit dem Ziel, möglichst nahe an den Gesamtproporz der Parteien zu kommen, könnten die anderen Parteien – quasi über eine Verwertung von unberücksichtigten Reststimmen in den Wahlkreisen – je nach Ergebnis mehr Mandate bekommen. Nach Moehls Prognose wären es dann 222 Sitze, also fünf Sitze, die sich auf die anderen Parteien verteilen würden. Aber das Wahlrecht verlangt diesen landesweiten Ausgleich nicht. Wenn es knapp würde nach der Wahl und eine bestimmte Koalitionsbildung hinge von nur ein, zwei Sitzen mehr oder weniger ab, könnte genau das jedoch entscheidend sein.

Dass getrennt nach Regierungsbezirken gewählt wird, hat übrigens noch eine Folge: Mit dem Fehlen von Landeslisten sind die Spitzenkandidaten der Parteien nicht überall wählbar. Ministerpräsident Markus Söder etwa kann über seinen Stimmkreis hinaus nur in Mittelfranken auch per Zweitstimme gewählt werden.

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